Jedes Jahr zieht der Ballermann auf der spanischen Insel Mallorca tausende partywütige Deutsche an. Gemeinsames Eimersaufen im Megapark, nächtelanges Feiern im Bierkönig. Viele Außenstehende finden das peinlich und asozial. Sie haben keine Ahnung. Eine Liebeserklärung.
Noch 17 Tage, 5 Stunden und 34 Sekunden – dann sitze ich ich endlich wieder auf dem Balkon eines 2-Sterne Hotels, trinke ein kühles San Miguel aus der Dose und singe Peter Wackels “Aber scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr” mit. Diese vier Tage, unsere vier Tage, auf der beliebtesten Insel der Deutschen werden großartig, sie werden legendär, wie in den vergangen Jahren auch schon. Seit fünf Jahren fliege ich ein- oder zweimal im Jahr nach Mallorca. Zum Ballermann. Mit Gleichgesinnten und viel wenig leckerem Alkohol zu den Party-Hits der vergangenen 20 Jahre feiern und den Alltag einfach Mal für ein paar Tage in Deutschland zurück lassen – ich liebe es.
Bei meinen Freunden oder Uni-Kollegen zu Hause stößt diese Liebe oft auf Unverständnis. Ballermann, das ist doch Saufen und Vögeln. Aber nicht alle Menschen an der Playa sind asozial – oder nur dumm. Nach Malle fliegen Abiturjahrgänge, Anwälte und Ärzte gleichermaßen wie Handwerker oder Fußballmannschaften, bei denen jeder einen soliden Job hat. Malle ist der angetrunkene Querschnitt der Gesellschaft, Treffpunkt aller Schichten, eine klassenlose Party-Utopie. Wer sich hier begegnet, tut das auf Augenhöhe, wenngleich die nicht mehr ganz so weit oben ist wie im nüchternen Zustand.
Und nein: Es geht auch nicht immer um Sex. Wir haben schon Gruppen von Männern getroffen, die Frau und Kind hatten, glücklich waren und einfach nur feiern und uns ein Bier ausgeben wollten – wahre und keine ungewöhnliche Geschichte.
“Mit dem Wissen, dass ich bald wirklich wieder am Ballermann sein werde, beginnt das Kribbeln im Bauch.”
Mein Malle-Gefühl entsteht aber nicht erst auf der Insel. Für mich ist Malle eine Lebenseinstellung – so wie für andere Techno, Goa oder andere neumodische Musikrichtungen. Dieses spezielle Gefühl ist eine Mischung aus Spaß am Leben, Freiheit und Geborgenheit. Wenn ich an Malle denke und die Musik höre, vergesse ich die Uni und die To-Do Listen und denke daran, wie geil das Leben sein kann. Während andere Mia Julia, Peter Wackel & Co. gerade mal mit 2,5 Promille aushalten können, sind bei mir die Lieder das ganze Jahr über an oberster Stelle in meiner Dusch-Playlist. Und die höre ich nur nüchtern. Eigentlich.
Die richtige Vorfreude auf den nächsten Malle-Trip beginnt mit der Buchung. Mit dem Wissen, dass ich bald wirklich wieder am Ballermann sein werde, wird das Malle-Gefühl zum Kribbeln im Bauch. Mit jedem Blick auf den Kalender fange ich an zu grinsen, weil ich weiß: Bald ist es wieder soweit.
Während meine anderen Reiseziele meistens nach dem Preis ausgesucht werden, gibt es für Malle lediglich ein Budget – das Ziel ist jedes Jahr das gleiche: Flughafen Palma de Mallorca. Ob Ryanair um 14 Uhr, Easy Jet um 20 oder Laudamotion um 5:50, ich nehme jeden Flug, der mich in 2:20 Stunden auf die Insel bringt. Malle ist kein Luxusurlaub, sondern ein Lebenselixier. Zeit im Hotel verbringe ich sowieso nur zum Duschen und Schlafen, solang in dem Zimmer ein Bett steht, ist mir der Rest fast egal.
“Malle-Anfänger nehmen jetzt das Taxi. Wir den Bus.”
Dann geht es los. Letzter Aufruf für die schon am Flughafen betrunkenen Passagiere. Ich sitze mit meinen Geschwistern (ja, das ist meine Malle-Gang) im Flieger. Natürlich rechts am Fenster, denn von da aus habe ich kurz vor der Landung den perfekten Blick auf die Playa. Aus dem Kopfhörer dröhnt noch ein letztes Lied: „Geh nach Haus, du hast Inselverbot, du fliegst raus, denn du bist ein Idiot“. Wir landen. Inselverbot hatte ich noch nicht, dafür Bierkönig-Verbot – doch dazu später mehr.
Wie jedes Jahr kommt mir die warme spanische Luft, aufgeheizt durch die nächtlichen Partyexzesse, entgegen, wenn ich mit meinem kleinen Handgepäckkoffer aus dem Flughafengebäude komme. Malle-Anfänger nehmen jetzt das Taxi. Wir den Bus. Damit fahren wir in der Parallel-Straße der Hauptstraße der Playa entlang, erhaschen schon einen ersten Blick in die Schinkenstraße, dort stehen die Großraum-Freiluft-Diskotheken Bierkönig und Bamboleo. Gestoppt wird aber erst am Ballermann Null, dem hintersten Teilabschnitt. Bei unserem Hotel. Zur Erklärung: Insgesamt gibt es davon 16, der beliebteste Teil ist der Ballermann 6 – aber bei 0 sind die Hotels einfach am günstigsten.
Feiern zu den Hits von Ballermann-Sängerin Mia Julia
Am Nachmittag, nachdem wir auf dem Hotelbalkon vorgetrunken und im Hotel-Foyer schon die ersten Freundschaften geschlossen haben, laufen wir Richtung Ballermann 6. Die 20 Minuten Fußweg zum Megapark sind alles andere als eine Tortur, währenddessen trifft man immer neue Menschen, trinkt zusammen ein Bier, singt zu „Ein Bett im Kornfeld“ und holt sich das ein oder andere Kompliment von den Spielern der schon betrunkenen Fußballmannschaften ab, die gerade auf Abschlussfahrt am Ballermann sind. Entlang der Playa, vorbei am „Holländer-Ballermann“, den Sonnenanbetern am Strand und den JGA-Gruppen bis hin zur ersten Station: Der Megapark. Angekommen sind wir eine Gruppe von 10 Leuten. Alle haben wir auf dem Weg kennengelernt. Für diese Offenheit der Menschen liebe ich den Ballermann.
Der Megapark bleibt aber nur ein Zwischenstopp. Nach einem Liter des Likörs 43er mit Milch und ein paar Gesängen, bei denen wir schon auf den Stühlen stehen, weiter. Nächster Halt: Bierkönig. Der einzig Wahre. Mit der einzig wahren Ballermann-Königin Mia Julia, die um Punkt 17 Uhr auf der Bühne steht. Einlassstopp. „Endlich wieder Malle“ dröhnt aus den Boxen. Ich singe aus tiefstem Herzen mit.
“Zu dem was man liebt, kehrt man immer wieder zurück.”
Nach 45 Minuten Show und unzählig vielen Gläsern Bier: Blackout. Zumindest halbwegs. Wir liegen Arm in Arm mit unseren neuen Freunden, trinken und stehen auf den Stühlen – bis wir umfallen. Kommt nicht allzu selten vor. Wir haben Spaß. Solange bis unsere Freunde wieder die Türsteher bezahlen und wir nicht mehr reinkommen. Das war mein „Bierkönig-Verbot“. So wirklich schonmal passiert.
Für mich reicht es dann aber auch. Ein schöner und erfolgreicher Tag am Ballermann ist vorbei. Beim Wurstkönig kaufen wir uns noch die von mir ernannte „weltbeste Pommes mit der weltbesten Mayonnaise“ und eine Currywurst.
Auf dem Weg ins Hotel nüchtern wir ein bisschen aus. Am nächsten Morgen gibt’s ein Bier gegen die Kopfschmerzen, es geht an den Strand. Am Nachmittag wiederholt sich dann alles vom Vortag, vier Tage lang, jeden Tag das Malle-Gefühl, live vor Ort. Dann sitze ich mit meinem neuen roten Bierkönig T-Shirt wieder im Flieger, dieses Mal auf der linken Seite, schaue runter auf die Playa und sage „Bis zum nächsten Mal“. Denn zu dem was man liebt, kehrt man immer wieder zurück.
Bildquelle: Larissa Rehbock