Braunkohle: Der Kampf um die letzten Dörfer

Ein Kohlebagger im Tagebau “Garzweiler II”

Vor zwei Wochen haben in Lützerath die finalen Abrissarbeiten begonnen. Das kleine Dorf liegt im Rheinland und soll  der Grube des Braunkohletagebaus “Garzweiler II” weichen. Die meisten Bewohner*innen haben den Ort bereits verlassen und sich mit den Entschädigungen des Betreibers RWE zufrieden gegeben. Nur wenige sind gemeinsam mit Aktivist*innen in Lützerath geblieben. Sie harren seit sechs Monaten in einer Mahnwache aus, um gegen den Braunkohleabbau zu protestieren.

“Die Mahnwache soll ein Begegnungspunkt für die Menschen aus den umliegenden Dörfern sein,” sagt Sarah Meyer (Name geändert). Sie ist im September nach Lützerath gekommen, um den Protest zu unterstützen. Ihr sei es besonders wichtig, Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen. Außerdem möchte sie Aufmerksamkeit auf den Fall lenken und Menschen darüber informieren, was am Rand der Braunkohlegrube vor sich geht.

Denn Lützerath ist nicht das einzige Dorf, das droht, abgebaggert zu werden. Aktuell plant RWE die Umsiedlung von fünf weiteren Dörfern: Keyenberg, Kuckum, Berverath und Ober- und Unterwestrich. Die Mahnwache und zahlreiche andere Protestgruppen wie “Ende Gelände” oder “Alle Dörfer bleiben” stellen sich dagegen. Doch warum kann RWE überhaupt ganze Dörfer abreißen, um weiterhin fossile Brennstoffe zu fördern?

Umsiedlung der Dörfer laut Studie unnötig

Die rechtliche Grundlage dafür liegt in den so genannten Leitentscheidungen zum Rheinischen Braunkohlerevier. Sie bestimmen über die Zukunft der drei Braunkohlegebiete im Rheinland und werden vom Land NRW verabschiedet. Im Oktober 2020 legte die Landesregierung einen Entwurf vor, über den der Landtag im Frühjahr 2021 abstimmen soll.

Der Entwurf basiert auf den Vorschlägen des Kohleausstiegsgesetzes der Bundesregierung. In beiden Dokumenten ist die Umsiedlung der Dörfer festgeschrieben. Im Entwurf der Landesregierung heißt es die Erweiterung von “Garzweiler II” sei “zur Gewährleistung einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung” weiterhin erforderlich.

Diese Dörfer sollen verschwinden.

Kritiker*innen stellen diese Behauptung infrage. Eine Studie der Forschungsinstitute BET und Ernst & Young kam zu dem Ergebnis, dass alle Dörfer außer Lützerath nicht umgesiedelt werden müssten, wenn die Politik den Empfehlungen der Kohlekommission folgen würde und die Kohlekraftwerke über Jahre hinweg abschaltet.

Das Kuriose: Beauftragt hat die Studie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und stammt aus dem November 2019. Das Ministerium hielt die Studie allerdings bis Dezember 2020 unter Verschluss, fünf Monate nachdem der Bundestag das Kohleausstiegsgesetz verabschiedete und damit die Umsiedlung vorschlug.

Wenig Hoffnung für Lützerath

Unter Betrachtung der ökologischen Seite des Braunkohleabbaus, dürfte “Garzweiler II” überhaupt nicht mehr erweitert werden. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kam im Mai 2020 zu dem Schluss, dass eine Erweiterung nicht zu rechtfertigen wäre, wenn das deutsche Treibhausgasbudget eingehalten werden soll. Wird das Budget überschritten, ist die Beschränkung der Erderwärmung auf unter 1,75 Grad gefährdet.

Die Studie wird Lützerath voraussichtlich auch nicht mehr retten können. Im Entwurf der Landesregierung wird das Dorf bereits nicht mehr erwähnt. Die Umsiedlung gilt in den Augen der Politik bereits als abgeschlossen. Dennoch wollen die Aktivist*innen der Mahnwache nicht aufgeben.

Die letzte Hoffnung liegt auf einem Bauern. Er hat bis jetzt keins der Entschädigungsangebote von RWE angenommen und stellt sich dem Konzern in einem Enteignungsverfahren. Das gehe noch bis Ende September. Die Wahrscheinlichkeit, dass Lützerath danach komplett von der Grube verschluckt wird, ist allerdings hoch.

Beitragsbild: Michael Gaida via Pixabay

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