Schon wieder ist eine Verordnung gescheitert, die Wildtiere aus deutschen Zirkussen verbannen sollte. Weil sie einfach nicht durchdacht war. Es muss doch möglich sein, sinnvolle Vorschriften auf die Beine zu stellen. Ein Kommentar.
Der Bundesrat hat am Freitag (25.06.) über eine Verordnung von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) abgestimmt, in der sie Wildtiere in deutschen Zirkussen verbieten wollte. Es fand sich keine Mehrheit dafür. Die Verordnung scheiterte. Normalerweise würde man in einer solchen Situation jetzt den Aufschrei der Tierschutzverbände erwarten, doch die sind sogar froh darüber, dass der Bundesrat so entschieden hat.
Warum? Die Verordnung war nicht wirklich allumfassend und an einigen Stellen nicht durchdacht. So ging es zum Beispiel nur darum, dass Giraffen, Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Primaten und Großbären nicht mehr neu angeschafft werden dürfen. Andere Wildtiere – wie Tiger, Löwen, Robben oder Reptilien – standen gar nicht erst auf der Verbotsliste.
Richtige Entscheidung des Bundesrats: In Klöckners Tierschutz-Zirkusverordnung fehlt ein Verbot für #Tiger, #Löwen etc. + es sollte nur für Neuanschaffung von Tieren gelten.
Wir fordern ein Verbot ALLER #Wildtiere im #Zirkus! #StimmeFürDieTiere #BTW21 https://t.co/V20toe3227 pic.twitter.com/USnCnpIB8m
— Tierschutzbund (@tierschutz_bund) June 25, 2021
Artgerecht oder ungerecht?
Dabei wäre das bitter nötig, da sie im Zirkus unter denselben Bedingungen leben wie diejenigen Tiere, die es auf die Verbotsliste geschafft haben. Ein Wildtier im Zirkus artgerecht zu halten, ist so gut wie unmöglich. Zu dem Ergebnis kommt beispielsweise eine niederländische Studie. Die Tiere verbringen viel Zeit in Käfigen und Transportwagen, haben also bei Weitem nicht den nötigen Auslauf. Häufige Transporte bedeuten zusätzlichen Stress für sie. Außerdem werden einige Arten zu unnatürlichem Sozialverhalten gezwungen. Tiger, die normalerweise Einzelgänger sind, treten in der Manege an der Seite zahlreicher Artgenossen auf.
Auch die Kunsttücke an sich stehen häufig in der Kritik. So werden immer wieder Vorwürfe laut, dass bei der Dressur gewalttätige Methoden zum Einsatz kämen. Die Tierschutzorganisation Peta schreibt dazu auf ihrer Webseite: „Die Dressur von Wildtieren wie Tiger, Löwen und Elefanten ist das grausamste Training der Welt. Nur mit brutalem Training, anhaltender Erniedrigung und massiven jahrelangen Gewalterfahrungen lassen sich Wildtiere in Zirkussen zu solchen ‚Kunststückchen‘ bringen.“
Zirkusbetreiber*innen finden dieses Urteil zu harsch. Der bekannte Circus Krone entgegnet, dass er bei der Dressur der Tiere auf Vertrauen und Geduld setze und sich an den „natürlichen Verhaltensweisen und Bewegungsabläufen der Tiere“ orientiere. Zuschauer*innen könnten bei der Dressur auch live dabei sein. Die Wahrheit, wie es den meisten Wildtieren in deutschen Zirkussen ergeht, liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Aber genau deshalb sollten auch beide Positionen zu Wort kommen, wenn man eine entsprechende Verordnung verfasst.
Das einzige, was man Klöckners Verordnung zugutehalten kann, ist, dass sie erstmals konkrete Anforderungen an Haltung und Transporte der Tiere stellt. Trotzdem: Bei einem klaren Verbot werden diese Klauseln überfällig.
Wollen wir überhaupt noch wilde Tiere sehen?
Und ein klares Verbot ist das, was sich die Mehrheit in Deutschland wünscht. Laut einer Umfrage der Tierschutzstiftung „Vier Pfoten“ aus dem Jahr 2019 lehnen rund zwei Drittel der Deutschen die Haltung von Wildtieren im Zirkus ab. In der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen seien es sogar drei Viertel. Leider hat die Organisation die Originalerhebung nicht veröffentlicht, weshalb es schwer einzuschätzen ist, wie repräsentativ die Umfrage ist. Doch sie liefert immerhin ein grobes Stimmungsbild.
Wieso sollten wir weiter Tiere in der Manege vorführen, wenn nicht einmal das Publikum selbst das möchte? Diese Frage wird besonders relevant, wenn man sich die Lage in anderen europäischen Ländern anschaut. In so gut wie jedem anderen Land in Europa ist das Halten von Wildtieren in Zirkussen gesetzlich verboten: Von Norwegen über Österreich bis hin zu Kroatien und Lettland. Manche Länder, zum Beispiel Griechenland oder Malta, verbieten auch domestizierte Tiere wie Hunde oder Pferde. Nur Deutschland bekommt es nicht hin, endlich nachzuziehen und in einem ordentlichen Gesetz die Haltung ebenfalls zu verbieten.
Deshalb: Liebe Bundesregierung, einmal konzentrieren und um eine vernünftige Verordnung kümmern. Lasst euch von Tierschutzverbänden erklären, warum und wie die einzelnen Arten im Zirkus möglicherweise leiden. Lasst euch von Zirkusbetreiber*innen erklären, welche Übergangsfristen sinnvoll sind und wie am besten mit den Tieren verfahren wird, die aktuell im Zirkus leben. Und dann verbietet Wildtiere im Zirkus ein für alle Mal! Danke.
Teaser- und Beitragsbild: Becky Phan via Unsplash.com