Vertical Farming: Warum noch nicht in jedem Supermarkt angebaut wird

Lebensmittel direkt im Supermarkt anpflanzen: Die fast zehn Jahre alte Idee könnte die Probleme der Landwirtschaft in Deutschland lösen. Warum ist sie noch nicht in den Supermärkten angekommen? 

Die Landwirtschaft in Deutschland steht vor immer größer werdenden Herausforderungen. Wasserknappheiten, Dürren und Waldbrände machen den Pflanzen schwer zu schaffen. Wegen des Klimawandels werden auch die Prognosen für die nächsten Jahre immer schlechter, denn die Pflanzen bleiben weiterhin dem immer extremer werdenden Wetter ausgesetzt.

Um das zu ändern, gibt es Ideen, wie Landwirtschaft in Innenräume verlagert werden kann. Da der herkömmliche Anbau auf Feldern viel Platz benötigt, wird in speziellen Hallen nicht in der Fläche, sondern in die Höhe gepflanzt: Vertical Farming, also Anbau in der Senkrechten.  

Über unseren Köpfen könnte Nachhaltigkeit wachsen

In riesigen Hallen stehen dicht an dicht Regale mit Salaten und Kräutern. Unter dem künstlichen, lila-blauen Licht gedeihen die Pflanzen: So sieht Vertical Farming aus. Da in den Hallen das ganze Jahr über die ‘Sonne scheint’, kann häufiger geerntet werden. Während auf dem Acker zweimal jährlich die Ernte eingefahren wird, passiert das in der Vertical Farm jeden Monat.  

Versorgt werden die Salate in den Regalen mit Flüssignahrung. In einem geschlossenen Kreislauf wird Wasser mit Nährstoffzusatz um die Wurzeln gespült, gereinigt und wiederverwendet. Das spart bis zu 95 Prozent des Wassers im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft, errechnete die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. 

Ein Berliner Start Up baut seine Pflanzen aber nicht nur in riesigen Hallen an, sondern auch in Supermärkten wie Edeka und der Metro. In Regalen, ungefähr so groß wie ein Kühlregal, wachsen Basilikum und Petersilie nebeneinander. Alle drei Wochen können dort neue Kräuter geerntet werden, die die Kund*innen aus Ausstellern vor dem Regal kaufen können.  

Denn Kräuter direkt im Supermarkt anzubauen, spart vor allem Transportkosten. In der aktuellen Energiekrise ist das für viele Märkte sehr verlockend. Doch das System hat noch Verbesserungspotenzial: Das künstliche Licht und der Wasserfilter der vertikalen Farmen benötigen übermäßig viel Energie, wie Studien zeigen. Niederländische Forscher*innen fanden heraus, dass die Technologie erst dann eine echte Alternative wäre, wenn der Energieverbrauch drastisch gesenkt werden würde. 

Geburtsort: Der Edeka um die Ecke

Anbauregale gibt es daher noch nicht in vielen Supermärkten und Discountern. Einer davon war Edeka Burkowski in Bochum. Dort stand eine vertikale Farm eines großen Start Ups in der Gemüseabteilung. Der Inhaber Manfred Burkowski war vom Konzept überzeugt: “Die Leute haben sich gefreut. Da gab es was zu gucken, für Jung und Alt.”

Doch gerade werden die Regale wieder abgebaut. Der Hersteller der vertikalen Farmen musste die Regale schließen. Bereits im letzten Jahr hatte er 500 Mitarbeiter*innen entlassen. Das verkündete das Unternehmen in einem offenen Brief. Seitdem wolle man sich nur noch auf bestimmte Regionen konzentrieren, anscheinend nicht mehr auf das Ruhrgebiet. “Wir hätten das gerne weitergeführt, aber manches funktioniert und manches eben nicht”, bedauert Burkowski.   

Vertical Farming ist nichts für Deutschland

“Im Vergleich mit anderen Regionen ist in Deutschland Landwirtschaft eine typische Landnutzung”, sagt Doktor Nils Borchard, Leiter für Forschung und Innovation bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft e.V. Hier gebe es noch keinen so großen Druck durch Platzmangel in den Städten oder extremes Klima. Und wenn es in der Vergangenheit doch Hindernisse gegeben habe, hätten sich diese immer bewältigen lassen, so Borchard.   

Andere Regionen der Welt setzen hingegen schon länger auf die Technologie. In der Wüste Saudi-Arabiens herrscht massive Trockenheit und extreme Hitze. Konventionelle Landwirtschaft ist aussichtslos. Daher sind vertikale Farmen, in denen das Wasser wiederverwendet wird, ein Segen für die Bewohner*innen dieser Regionen. Auch viele Großstädte wie Singapur nutzen Vertical Farming, um sich unabhängiger von Importen zu machen, auf die sie sonst angewiesen sind, erklärt Borchard. In Deutschland gibt es einen wachsenden Bedarf der Technologie. Für die Nahrungssicherung ist sie jedoch nicht notwendig. Inwiefern die Bedeutung von Vertical Farming in naher Zukunft zunimmt, hängt vor allem davon ab, wie nachgefragt bestimmte Produkte sind, so der Experte. Und auch, wie gut der Ausbau von regenerativen Energien voranschreitet. 

 

Beitragsbild: canva.com/supersmario

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