Dr. Charlotte Behlau forscht an der TU Dortmund im Bereich Sportpsychologie und berät in der Praxis Leistungssportler*innen. Sie erklärt, warum Leistungsdruck zu Bestleistungen oder zum Panikmodus führen kann. Der richtige Umgang sei entscheidend.
Was genau ist Leistungsdruck?
Allgemein ist es eine Kombination aus Faktoren in Bezug auf die eigene Leistung, die subjektiv als Druck wahrgenommen werden. Leistungsdruck kann von Individuen als Herausforderung oder als Bedrohung gesehen werden. Sehe ich ihn als Herausforderung an habe ich das Gefühl, dass ich die Ressourcen habe, um die Aufgabe zu meistern. Beim Wahrnehmen einer Bedrohung übersteigt die Aufgabe meine Ressourcen und meine Fähigkeiten. Ich weiß nicht genau, wie ich die Aufgabe meistern soll. Je nachdem, ob ich den Leistungsdruck als Herausforderung oder Bedrohung sehe, ist es dann ein hilfreicher oder eben weniger hilfreicher Druck.
Wie entsteht Leistungsdruck?
Das hängt sehr von der Motivation der Einzelnen ab. Leistungsdruck kann von innen entstehen, also dass ichmir selbst Ziele setze und mich stark verbessern möchte, oder er entsteht von außen, sprich aus meinemUmfeld oder von meinen Trainer:innen.
Bis zu welchem Punkt ist Leistungsdruck noch normal und fördernd?
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Da kann man keine generelle Grenze ziehen. Insgesamt hängt es davon ab, wie wir individuell damit umgehen. Ich muss im Jugendalter bestimmte Bewältigungsstrukturen erfahren haben, um die Stressoreneinzuordnen und mit ihnen umgehen zu können. Die Persönlichkeitsstruktur spielt dabei eine wichtige Rolle.Wie ich meine persönlichen Ressourcen wahrnehme und ob ich das Gefühl habe, dass ich die Situation kontrollieren kann.
Gerade beim Thema Kontrolle geht es darum, ob der Druck von innen oder komplett von außen kommt. An sich ist der Umgang mit Leistungsdruck erlernbar. Ohne Hilfestellungen kann es in bestimmten Situationen aber dazu kommen, dass sich die Leistung verschlechtert und die Psyche stark beeinträchtigt wird.
Braucht man den Leistungsdruck, um Bestleistungen erbringen zu können?
Jein, das hängt von der individuellen Aktivierungskurve ab, die für Bestleistungen hilfreich sein kann. Wer zu wenig Aktivierung hat und schläfrig ist, kann keine optimale Leistung erbringen. Wer wiederum zu aktiviert ist, weil er:sie mit hohem Leistungsdruck nicht gut umgehen kann, fällt in eine Art Panikmodus und kann ebenfalls keine optimale Leistung erbringen. Das Aktivierungslevel für Bestleistungen liegt also irgendwo dazwischen und hängt von der Art der Aufgabe, dem Expertisegrad und dem Individuum ab.
Meistens bringt einen eine bestimmte Drucksituation, zum Beispiel eine besondere Aufführung, in genau diesen Aktivierungszustand. Der Zustand geht meist mit einer Nervosität einher, die bis zu einem gewissen Grad hilfreich ist. Als nächstes geht es darum, zu schauen, wie die betroffenen Personen sich in der Drucksituation besser steuern können. Die eigene Steuerung bestimmt dann, ob Bestleistungen gezeigt werden können oder nicht.
Was raten Sie Sportler*innen im Umgang mit Leistungsdruck?
Wir gehen davon aus, dass Leistungsdruck da ist und Sportler:innen tendenziell eher zu aktiviert sind, sich also herunterregulieren müssen. Es hängt von der Aufgabe ab, welche Art von Aktivierung relevant ist. Aus der Forschung kennen wir unterschiedliche Regulierungsstrategien, zum Beispiel Visualisierungen,Atemtechniken oder Selbstgespräche, die die Ressourcen auffüllen und stärken. Da muss jede:r lernen, die eigenen Bedürfnisse zu kennen. Bin ich eher der Typ für eine Handlungsorientierung und muss mich konkret auf mein Verhalten konzentrieren oder hilft mir eine Lageorientierung, also das Verständnis der Situation? Sportler:innen sollten schauen, welche Techniken ihnen helfen. Damit sie das auch in Stress- oder Drucksituationen umsetzen können, muss das eintrainiert werden. Daran arbeiten die angewandten Sportpsycholog:innen und unterstützen dabei, individuelle Strategien zu finden und zu erarbeiten.
Was für Auswirkungen kann ein falscher Umgang mit Leistungsdruck auf meine Psyche und meinen Körper haben?
Langfristig kann das viele gesundheitliche negative Folgen haben. Wenn unser System kontinuierlich unter Stress oder chronischem Stress steht, ohne dass wir damit richtig umgehen, kann das sehr schädlich sein. Auch psychisch kann es zu negativem Wohlbefinden kommen und bei fehlendem oder schlechtem Umgang zu Burn-out führen. Da gilt es sich rechtzeitig Hilfe zu holen. Man kann auch versuchen, die eigene Organisation oder den Kontext der Aufgabe zu verändern. Denn vieles ist erlernbar.
Muss sich gesellschaftlich etwas verändern, um den Leistungsdruck zu mindern?
Ich glaube, dass Leistungsdruck grundsätzlich nichts Schlechtes ist. Wichtig ist aber die Frage, von wem der Leistungsdruck kommt. Denn der Leistungsdruck von außen, also durch Trainer:innen, das System oder Sponsor:innen, führt nicht per se zum besten sportlichen Ergebnis. Außerdem trägt er nicht unbedingt zum Wohlbefinden, das relevant für Spitzenleistungen ist, bei. Hier könnte ein Umdenken des Systems und der Trainer:innen sinnvoll sein. Generell müsste man im Sportkontext meiner Meinung nach da ansetzen, dass der Stress von den Trainer:innen und den Erwachsenen nicht an die jungen Sportler:innen weitergegeben wird, sondern man sie bestmöglich begleitet.
Das Wichtigste ist, dass die Sportler:innen ihre Fähigkeiten gut erlernen, den Spaß daran behalten und langfristig gut geschützt sind. Da darf man nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, die Eltern einzubeziehen.
Beitragsbild: Adobe Stock/Jacob Lund