Nach dem Irakkrieg: Painted by the President

Tausende US-Soldaten wurden im Irakkrieg 2003 verletzt. Einen Teil davon hat Ex-US-Präsident George W. Bush in Öl gemalt. Timothy Gaestel ist einer der portraitierten Veteranen.

Zwei Straßenbomben haben das Fahrzeug des US-Soldaten Timothy Gaestel getroffen, als er im September 2003 damit durch den Irak fuhr – nur zehn Tage nach seiner Ankunft. Der Texaner wurde stark verletzt und hat heute noch „ein Loch im Rücken“, wie er sagt. Eine Erinnerung an den Irakkrieg, die er jeden Tag mit sich trägt.

Gut 15 Jahre später sieht man das lächelnde Gesicht von Gaestel im Witte Museum in San Antonio, Texas, der siebtgrößten Stadt der Vereinigten Staaten. Das Öl-Gemälde ist eines von 66 Portraits, die zusammen die Ausstellung „Portraits of Courage“, also Portraits des Mutes, bilden. Gemalt wurden die Werke von dem Mann, der Timothy Gaestel und seine Kameraden in den Krieg geschickt hat: Ex-US-Präsident George W. Bush.

Umstrittener Krieg mit etlichen Todesopfern

Die USA, genauer gesagt der damalige US-Außenminister Colin Powell, stellte im Februar 2003 vor den Vereinten Nationen die Behauptung auf, dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfüge. Die Behauptung erwies sich später als falsch, war aber 2003 Kriegsanlass. Die Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, wurde von vielen anderen Ländern stark kritisiert. Seit Kriegsbeginn 2003 starben im Irak etliche Menschen – wie viele genau, ist unklar. Eine Studio, die von der WHO in Auftrag gegeben wurde, schätzt die Zahl auf 150.000. Amerikanische Wissenschaftler kamen auf 655.000. Unter den Todesopfern sollen etwa 4400 US-Soldaten sein.

Es scheint wie ein Paradoxon, dass der Mann, der zu Hochzeiten etwa 171 000 US-Soldaten im Irak stationiert hatte, sich Jahre später künstlerisch mit Kriegsveteranen auseinandersetzt.

66 US-Veteranen hat Ex-Präsident George W. Bush in Öl gemalt, hauptsächlich Männer.
Israel del Toro Junior war Master Sergeant bei der US Air Force – bis er verletzt wurde.

Timothy Gaestel, genannt Tim, sieht das anders: „Die Politik Bushs und seine Kunst über Veteranen sind zwei ganz unterschiedliche Dinge“, sagt er. Der US-Amerikaner erinnert sich noch genau an den Moment, in dem er die E-Mail bekommen hat, in der er gefragt wurde, ob er sich vom Präsidenten malen lassen würde: „Das war absolut surreal.“ Für den Mann aus der Stadt Austin in Texas ist das immer noch etwas ganz Besonderes – genauso wie sein Erlebnis, bei dem er George W. Bush im Golfclub getroffen hat. „Er ist so ein entspannter Typ“, schwärmt der Veteran.

Ähnlich positiv klingt Gaestel, wenn er von seinen Erfahrungen beim Militär spricht. Direkt nach der High School hat er sich verpflichtet. Erst ging es nach Afghanistan, dann in den Irak. „Die Sterne, die ich in Afghanistan gesehen habe, als ich aus dem Flugzeug gestiegen bin, das waren die strahlendsten Sterne, die ich je in meinem Leben gesehen habe.“

Timothy Gaestel ist stolz darauf, US-Amerikaner zu sein und sich für ein Leben als Soldat entschieden zu haben – auch wenn seine Verletzung ihm noch jeden Tag wehtut.

Wir haben das beste Militär der Welt. Wenn ich Teil einer Armee sein möchte, dann definitiv von der amerikanischen.

Aufgrund seiner Verletzung war dieses Soldatenleben aber deutlich schneller vorbei, als der Texaner es erwartet hätte. Der Veteran gibt Bush aber keine Mitschuld an seiner Verletzung – obwohl es sich bei der Kriegserklärung an den Irak bekannterweise um eine umstrittene Aktion Bushs handelt: „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich in seiner Situation entschieden hätte.“

Timothy Gaestel ist viel mehr dankbar. Warum das der Fall ist, darauf gibt sein Portrait einen Hinweis. Auf dem lacht der Veteran dem Betrachter ins Gesicht, unter dem Mund ein Doppelkinn. Als Timothy Gaestel in die USA zurückkehrte, war die Umstellung zurück in den US-amerikanischen Alltag schwierig für ihn. Er hatte keine wirkliche Lust mehr, mit Freunden auszugehen und Sport zu treiben. Er nahm immer mehr Gewicht zu. „Seitdem habe ich aber etwa 35 Kilogramm wieder abgenommen“, sagt der Veteran stolz. Und dafür dankt er auch George W. Bush. Denn der habe ihm und vielen anderen Veteranen Hoffnung gegeben. Mit seinen Kunstwerken hat er sie in in den Fokus gerückt. Er habe ihre Geschichten angehört und sie in einem Buch aufgeschrieben, über jeden Veteran eine Seite. „Er hat uns gezeigt, dass wir nicht nur Veteranen sind, sondern eben auch Menschen.“

Unterrichten statt Schießen

Timothy Gaestel arbeitet mittlerweile als Geschichts- und Golflehrer an einer High School. „Der Mann da vorne ist ein unglaublicher Typ, steht wieder mitten im Leben“, sagt Gaestel und zeigt auf eines der Portraits,  „und die da hinten hat mittlerweile ein Kinderbuch geschrieben.“

Und der in der Mitte? Der hat Selbstmord begangen. Ein bisschen Farbe kann eben auch nicht alle Erinnerungen an den Krieg besänftigen. Auch nicht, wenn der Präsident den Pinsel in der Hand hält.

Teaser und Beitragsfotos: Sarah Schröer López, Portraits: George W. Bush

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