Anfang Dezember wählt die CDU mit dem neuen Parteivorsitzenden Angela Merkels Nachfolger. Von den möglichen Kandidaten hat einer besonders gute Chancen: Friedrich Merz. Der 62-Jährige gilt als einer der größten Widersacher Merkels und strebt nun nach einer fast zehnjährigen politischen Abstinenz nach einer machtvollen Position. Doch die Personalie Merz polarisiert auch aufgrund seiner Vergangenheit. Wolfgang Jäckle von Transparency Deutschland warnt: “Merz darf den CDU-Parteivorsitz nicht übernehmen.”
Es ist der 29. Oktober, an dem die CDU und ganz Deutschland etwas Außergewöhnliches erlebt haben. Angela Merkel ist nach 18 Jahren und den jüngsten Landtagswahlschlappen in Bayern und Hessen bereit, den Vorsitz der CDU abzugeben. Zuvor betonte Merkel stets, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehören. Zum Ende ihrer politischen Laufbahn bricht sie nun mit diesem Prinzip. Anfang Dezember wird dann in Hamburg nicht nur über den Vorsitz einer Partei, sondern auch über die politische Ausrichtung eines ganzen Landes abgestimmt. Zeitenwende im politischen Berlin.
Ein Kandidat im Rampenlicht
Die prominentesten Kandidaten für Merkels Erbe sind Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz. Zwei der drei dürften auch dem jüngeren Publikum ein Begriff sein. Doch Letzterer ist wahrscheinlich in Teilen der Bevölkerung eine große Unbekannte. Dennoch hat Merz ohne Zweifel von allen Kandidaten die größte politische Strahlkraft.
Diese Vita scheint gut anzukommen. Aktuell liegt Merz nicht nur in zahlreichen Beliebtheitsskalen vorn, zum Beispiel bei einer Online-Umfrage der WELT. Der 62-Jährige ist es demnach auch, dem die Menschen die Führung der CDU am ehesten zutrauen. Gleichzeitig hagelt es aber auch Kritik. Und das liegt nicht nur an seinem ungewöhnlichen Lebenslauf, sprich der langen Politikpause, sondern vor allem an seinen Tätigkeiten in der Zeit abseits der Politik.
Das große Geld
Merz ist unter anderem Mitglied des Aufsichtsrates der Privatbank HSBC Deutschland und, noch wichtiger, Aufsichtsratschef der deutschen Abteilung der internationalen Fondsgesellschaft Blackrock. Nicht unumstritten ist deshalb auch die zukünftige Rolle von Friedrich Merz in der Politik. Größte Kritikpunkte sind hierbei entstehende Interessenskonflikte zwischen seinen alten Arbeitgebern und seinem unabhängigen politischen Handeln. Dieser Meinung ist auch Transparency Deutschland. Gegenüber der Deutschen Presseagentur sagte die Vorsitzende Edda Müller: “Friedrich Merz wird den Mitgliedern der CDU erklären müssen, wie er sich in seinen diversen Funktionen in der Finanzwirtschaft für ein gesellschaftlich verantwortliches Handeln seiner Auftraggeber eingesetzt hat.”
Einen Schritt weiter geht Dr. Wolfgang Jäckle. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Politik von Transparency Deutschland. “Zwar darf man Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft nicht verteufeln, aber ich empfinde es in vielen Fällen als durchaus problematisch”, sagte Jäckle gegenüber unserer Redaktion.
Noch schlimmer sei es aber, wenn Politiker von der Wirtschaft zurück in die Politik wechseln. Deshalb verwundert es nicht, dass Jäckle auch zum Thema Merz eine klare Meinung vertritt. Er fordert: „Merz darf den Parteivorsitz auf keinen Fall übernehmen. Die Nähe zu verschiedenen Finanzunternehmen ist zu groß. Auch hat sich Merz zu seiner Vergangenheit nicht ausreichend positioniert. Die Gefahr einer Politik im Sinne dieser großen Finanzunternehmen ist bei einem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz akut.“
Merz darf den Parteivorsitz auf keinen Fall übernehmen.
Etwas reservierter betrachtet Andreas Oldenburg die Geschehnisse. „Grundsätzlich sollten Wechsel von der Wirtschaft in die Politik unproblematisch sein“, erklärt der Diplom-Politologe von der Technischen Universität Dortmund. „Politiker repräsentieren die gesamte Bevölkerung. Deshalb können sie aus jedem gesellschaftlichen Bereich kommen – eben auch der Wirtschaft.“
Doch auch Oldenburg sieht die Gefahren eines Wechsels von der Wirtschaft in die Politik. „Es darf nicht passieren, dass Politiker bestimmten Unternehmen privilegierte Stellungen einräumen oder gar eine Politik im Sinne der Wirtschaft machen. Verhindern könnte man dies durch eine etwaige Karenzzeit, so wie es auch bei einem Wechsel von der Politik in die Wirtschaft der Fall ist. Da diese aber im entgegengesetzten Fall noch nicht existiert, ist ein breiter öffentlicher Diskurs umso wichtiger.“
Weiter mahnt er im Fall Merz: „Die gesellschaftliche Debatte sollte sich auch bei Friedrich Merz nicht ausschließlich auf Einzelpersonen konzentrieren, sondern den Gesamtzusammenhang betrachten.” Am Ende entscheidet aber nicht die Gesellschaft, sondern der Parteitag der CDU Anfang Dezember. Dann wählt die CDU in Hamburg ihren neuen Vorsitzenden.
Beitragsbild: Foto: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de, 2017-02-01 Friedrich Merz-7695