Noch bis 2021 ist Angela Merkel Bundeskanzlerin, dennoch ist der heutige Samstag Tag 1 nach Merkel. 18 Jahre lang war sie die Vorsitzende der CDU – nun gibt sie den Weg frei: Annegret Kramp-Karrenbauer tritt ihr Erbe an. Gut so!
Nüchtern war Merkels letzte Rede als Parteivorsitzende – so scheint eben ihre Art. Dennoch offenbarte sie Gefühle: Eines davon war tiefe Dankbarkeit. „Es war mir eine große Freude, es war mir eine Ehre“, so ihre letzten Worte als Vorsitzende. Zehnminütiger Applaus folgte. So oft schien sie in den eigenen Reihen verteufelt, doch ihr Abschied glich dem einer Legende. Ob auch Merkel’s Erbin so begeistern wird?
Seit Freitagabend steht fest: Annegret Kramp-Karrenbauer, meist nur AKK genannt, ist die neue Vorsitzende der CDU. Die bisherige Generalsekretärin konnte sich in einer Stichwahl gegen den Konkurrenten Friedrich Merz mit knapp 52 Prozent der Delegiertenstimmen durchsetzen. Zuvor musste sich Jens Spahn, der dritte Kandidat im Bunde, mit rund 15 Prozent der Stimmen geschlagen geben.
Zuletzt tourten die drei Kandidaten durch das Land. „Wie eine Rockband”, so beschrieben Kramp-Karrenbauer und Spahn ihre Auftritte. Für einige mag dieser Vergleich hinken, doch wenn man die Tour mit den Bierzelt-Auftritten und patriotischen Reden der CSU oder den rhetorisch eher mauen Auftritten so mancher SPD-Vorsitzender vergleicht, passt es dann doch. Der CDU bescherte der Wahlkampf so manch flammende Debatte, von denen womöglich noch lange die Rede sein wird.
Keine Merkel 2.0
Wir alle, die rund um die 20 Jahre alt sind – also auch ich – sind mit Merkel aufgewachsen. Wir kennen niemand anderen an der Spitze der CDU und als Kanzlerin. Umso historischer ist die Wahl von AKK – denn er wird definitiv der Beginn von etwas Neuem sein. Doch es stellt sich die Frage, ob AKK es schafft, die Partei zu vereinen und zu versöhnen? Immerhin hat fast die Hälfte der 999 Delegierten für Friedrich Merz gestimmt.
Diese Frage ist keineswegs leicht zu beantworten. AKK denkt und handelt rational – genau wie Merkel. Sie gilt als hartnäckig und unauffällig, aber kompromissbereit – genau wie Merkel. Sie ist keine große Rhetorikerin – genau wie Merkel. Nur inhaltlich, da ist sie eben nicht wie Merkel.
Für AKK wird es eine Herausforderung, ihre Politik und die der Partei zusammenzubringen und der Kanzlerin dabei nicht in den Rücken zu fallen.
Es wird für sie eine große Herausforderung sein, ihre Politik und die der Partei zusammenzubringen und der Kanzlerin dabei nicht in den Rücken zu fallen. AKK per se zu unterstellen, sie sei Merkel 2.0 und befürworte eine Politik des „Weiter so“ – so wie es unter anderem Dietmar Bartsch von den Linken verkündete – ist daher falsch und unvernünftig.
Aus eigener Kraft an die Spitze
Dass AKK die Stärke besitzt, um diesen Spagat zu schaffen, hat sie bei der Wahl zur Vorsitzenden bewiesen. Sie gewann den Kampf gegen die Alpha-Tiere Merz und Spahn aus eigener Kraft. Die Kanzlerin hatte bis zuletzt Neutralität gezeigt und AKK öffentlich keine Rückendeckung gegeben. Anders als Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU): Der sich offen für Merz ausgesprochen hatte.
Vor einem Jahr hätte AKK sicherlich nicht gedacht, dass sie um den Parteivorsitz kämpfen würde. Doch die schlechten CDU-Wahlergebnisse in Hessen und Bayern zwangen Merkel zum Handeln – und AKK zum Kampf. Bei einer Niederlage hätte sie ganz ohne Mandat und Amt dagestanden. Das spricht für die Entschlossenheit der gebürtigen Saarländerin.
Die anderen Parteien dürften die Wahl von AKK mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen haben. Die SPD muss nun die Hoffnung begraben, dass ein Friedrich Merz die Mitte räumt und rechte Wähler einfängt. Genau das wird AKK nicht machen. Bei der FDP hingegen knallten gestern höchstwahrscheinlich die Sektkorken: Durch den Sieg von AKK behalten die Liberalen einige Wählerstimmen, die bei einem Sieg des wirtschaftsnahen Friedrich Merz wohl sicherlich verloren gegangen wären.
AKK ist mit Abstand die beste Wahl
Mit Blick auf das politische Spektrum und die Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf alle Parteien im Bundestag warten, ist AKK mit Abstand die beste Wahl. Sie weiß aus ihrer Zeit als saarländische Ministerpräsidentin, wie gute Wahlergebnisse zu erzielen sind. Auch könnte sie kompromissbereiter bei zukünftigen Regierungsbildungen sein – für die Grünen ist sie zumindest wohl deutlich akzeptabler, als Merz oder Spahn.
Wenn es ihr gelingt die Partei zusammenzuhalten, wird es die CDU schaffen, den Status als Volkspartei zu halten und Merkels Erbe zu wahren. Auch wenn heutzutage Wahlergebnisse nahe der 40 Prozentmarke nur schwer zu erreichen sind, wird sich die entschlossene AKK genau dieses Ziel setzen. Und das ist auch gut so.
Beitragsbild: Tobias Koch / tobiaskoch.net