Erste Hanf-Messe in Dortmund: Das Kiffer-Image ist verraucht

Dreadlocks, Reggae-Musik, das Rauschen eines Computerspiels. So stellt man sich das Umfeld eines typischen Kiffers vor. Die erste Hanf-Messe Deutschlands beweist das Gegenteil – ein gemischtes Publikum in Dortmund. 

Doris Steiner ist 82 Jahre alt und Besucherin der ersten Hanf-Messe in Dortmund. Die ältere Frau trägt keine bunten Klamotten, hat keine Dreadlocks und hört auch keine Reggae Musik. Gerade hat Steiner Hanf-Mehl zum Kochen gekauft. Ein Hanf-Mehl ohne berauschenden Effekt. „Weg vom Kiffer Klischee“ – so lautet das Motto von Deutschlands CNBS-Messe, die vom 3. Mai bis zum 5. Mai ging. Das Resultat: Mit knapp 10.000 verkauften Tickets konnten die Erwartungen der Veranstalter zwar getroffen, aber nicht übertroffen werden: „Weniger dürften es auch nicht sein“, sagt Organisator Andre Pabst. Ansonsten hätte sich der Aufwand nicht gelohnt. Für die Organisatoren sei es ein harter Kampf gewesen, dass die Messe überhaupt stattfinden konnte. Von Anfang an wollten Andre Pabst, Johnie Ahn-Bosch und Ernest Marwriqi das Event gerne in Nordrhein-Westfalen starten lassen. Dortmund öffnete die Türen – war allerdings bis zur Abnahme kritisch und stellte strenge Anforderungen: Kontrollen durch die Polizei und Staatsanwaltschaft. „Ich hätte mir wirklich mehr Offenheit und Unterstützung gewünscht“, sagt Pabst. Bei der Waffenmesse „Jagd und Hund“ wäre auch nicht so ein Drama gemacht worden sein. Mit Hanf würden die Menschen in Deutschland zu schnell das klassische Kiffer-Klischee verbinden.

Weg vom Kiffer-Klischee

Die drei Organisatoren sind trotzdem froh, ohne Investor so ein großes Event auf die Beine gestellt bekommen zu haben. Das Ziel, ein gemischtes Publikum zu erreichen, konnte erreicht werden. Sowohl der typische Kiffer, als auch die 82-jährige Oma Doris waren auf der Messe vertreten.

Dass der Graskonsum nicht schädlich sein muss, unbedingt schädlich ist weiß Dr. Bernd Wessollek. Er selbst hat eine tödliche Krankheit und kann nicht mehr laufen. Durch den medizinischen Einsatz von Hanf kann er seine Schmerzen lindern.

So entsteht Gras
Werdegang einer Hanf-Pflanze: Innerhalb von drei Monaten wächst diese auf bis zu zwei Metern. Bevor die Blüte befruchtet wird, bildet sie die Stoffe THC und CBD. THC ist hier der berauschende Stoff bei weiblichen Pflanzen. Männliche Pflanzen bilden hingegen von Natur aus keine Blüten – somit gibt es auch keinen berauschenden Effekt. Deshalb nutzen die Aussteller der Messe überwiegend die männliche Form für ihre Produkte.

Hanf ist nicht nur Rauschmittel

Viele verschiedene Aussteller beweisen mit ihren Produkten, dass Hanf nicht nur zum Kiffen genutzt werden kann. Die Firma Hanf-Zeit stellt so unter anderem Mehl, Samen und Tee aus Cannabis her. Damit keine Rauschwirkung eintritt, wird der THC-Gehalt unter 5 Prozent gehalten. Nachdem die Landwirtschaftskammer und die Staatsanwaltschaft die Pflanzen kontrolliert haben, dürfen die Stoffe erst vermarktet werden. Die Firma Hanf-Zeit, die es bereits seit 21 Jahren gibt, verwendet jedoch nicht nur die Hanf-Blüte: Aus dem Stängel könne Kleidung und sogar Holz hergestellt werden. Das eigene Firmengebäude bestehe sogar aus dem Holz einer Hanf-Pflanze. Aktuell ist diese Bauweise zwar teurer, aber nachhaltig, da der Stängel sonst ein Abfallprodukt wäre.

Gyotin ist eine Firma aus Berlin, die mithilfe von Künstlern Grinders herstellt. „Wofür der Endverbraucher die Produkte tatsächlich nutzt, wissen wir nicht“, begründet der gerade mal 26 Jahre alte Geschäftsführer Tobias Schabanowski, den Verkauf eines Produkts, das typischerweise zum zermahlen von Marihuana genutzt wird.

Veranstalter Andre Pabst fordert weniger Vorurteile gegenüber Kiffern

Potenzial im deutschen Markt

Hanf ist auch in der Kosmetik beliebt. Die Leiterin des Studios Kosmetik Vital in Dortmund, Anne Schröder, war bei der Messe auf der Suche nach einem neuen potentiellen Lieferanten. „CBD-Produkte sind ganz groß im Kommen“, sagt die Kosmetikerin. Der Markt sei ziemlich unübersichtlich und es gebe viele Anbieter. Unter anderem die italienische Firma Hemphilia, die erst seit einem Monat in Deutschland vertreten ist. Messevertreter Francesco Dalizio sieht im deutschen Markt durchaus Potenzial, auch wenn der Absatz in den skandinavischen Ländern deutlich größer sei.

„Das Bewusstsein über Hanf erweitern.“ So sieht der Nachtschatten Verlag den Nutzen ihrer Bücher. Dank der Pressefreiheit könne der Verlag Bücher über illegale Themen veröffentlichen. „Das Joint-Drehbuch“ vermarkte sich zum Beispiel besonders gut, wie der Vertreter Lukas Emmenegger mitteilt.

Als Rechtfertigung für den Verkauf von Bongs vertritt der Messevertreter der Firma aphra Daniel Karayan die Aussage, dass das Produkt ja auch als Vase für Blumen genutzt werden könnte. Ebenso seien auch Besucher auf der Messe, die Marihuana aus medizinischen Gründen legal konsumieren dürfen. „Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern hängt Deutschland weit hinten, weil die Leute Angst haben“, sagt Karayan. Kiffen sei vollkommen legitim.

 So sieht die Rechtslage in Deutschland aus:

Ist der Konsum von Cannabis verboten?

– Nein, nach dem Betäbungsmittelgesetz ist nur der Kauf, Handel und Besitz strafbar – jedoch ist schwer nachzuweisen, Cannabis nur konsumiert, aber nicht besessen zu haben

– seit 1994 urteilte das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass der Besitz von Betäubungsmitteln nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden soll, wenn diese in kleinen Mengen zum gelegentlichen Eigenverbrauch erworben und besessen werden und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht

Ist Nutzhanf in Deutschland legal?

 – Privatpersonen dürfen in Deutchland keinen „Nutzhanf“ anbauen, egal wie niedrig der THC-Gehalt ist – unabhängig davon, ob die Pflanze männlich oder weiblich ist

– jeder Verstoß wird als Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz gewertet und von Polizei und Justiz verfolgt

– Ausnahmen: Unternehmen der Landwirtschaft dürfen Hanf unter strengen Vorgaben anbauen

Messevertreter Daniel Karayan ist sich sicher: Die Bong können seine Kunden auch als Blumenvase nutzen

„Die Jugendlichen klären die Älteren auf“

Auch viele Studenten haben die Messe besucht. Der 22-jährige Chris Woywood studiert Vermessung an der Hochschule in Bochum und informierte sich auf der Veranstaltung verschiedene CBD-Produkte. Zwar kannte er schon einige Produkte, konnte aber auch vieles dazu lernen. Allerdings fand Chris das Ticket für 20 Euro etwas zu teuer.

Christoph Rive studiert Philosophie in Bochum und er ist zufrieden mit der Hanf-Messe, hätte es sich jedoch noch etwas größer vorgestellt. Der 29-jährige behandelt seine Migräne und Magenschleimhautentzündung selbst durch den Konsum von Marihuana. Ärzte würden allerdings nicht gerne über das Thema reden und der Krankenkasse wäre diese Behandlungsweise zu teuer. Deshalb hat Christoph sich durch das Internet informieren müssen.

Auch Leonard Müller, der BWL in Gladbach studierte, hat schon positive Erfahrungen gemacht. Die Mutter seines Bekannten hat Herzleiden und vertrug die Tabletten nicht. Nachdem ihr Sohn sie über die medizinische Wirkung von Hanf informierte, probierte sie es aus. Heute kiffe die Mutter täglich und ihr gehe es viel besser. „Die Jugendlichen klären die Älteren auf“, sagt Leonard.

Die CNBS Hanf-Messe gab es in Deutschland zwar zum ersten, aber nicht zum letzten Mal. Die Veranstalter würden bereits schon mehrere weitere Anfragen erhalten haben. Eins verrät der Pressesprecher jetzt schon: Die Nächste wird wieder in Nordrhein-Westfalen stattfinden.

 

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