Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) darf ihren Wahl-O-Mat nach einem Gerichtsurteil in der derzeitigen Form nicht weiter anbieten. Die Partei “Volt Deutschland” hatte wegen Benachteiligung der Kleinparteien geklagt. Kritik an der Entscheidung des Gerichts gab es unter anderem von einer Kleinpartei selbst und von Nutzern im Netz. Die bpb plant nun eine Beschwerde gegen den Beschluss.
Am Montag (20.05.19) hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass der “Wahl-O-Mat” der Bundeszentrale für politische Bildung in der bisherigen Gestaltung nicht weiter online bleiben darf. Die bpb nahm ihr Wahltool am Montagabend vom Netz. Grund für die Entscheidung war die Ergebnisanzeige des Wahl-O-Mat. Gegen diese hatte Volt Deutschland Klage eingereicht, da sie durch diese Kleinparteien benachteiligt sah.
Die paneuropäische Partei Volt verkündet in ihrer Stellungnahme zum Gerichtsurteil: “Wir hoffen, dass die bpb ihr Angebot, dass wir im Übrigen sehr schätzen und für einen wichtigen Baustein der politischen Bildung in Deutschland halten, entschlossen umbaut und so noch verbessert.”
Volt sah sich beim Wahl-O-Mat durch den Mechanismus benachteiligt, der vorsieht, dass man seine Position mit den Positionen von maximal acht Parteien abgleichen kann. Dadurch entstünde eine Benachteiligung von kleineren und unbekannteren Parteien, weshalb die “grundgesetzlich verbürgte Chancengleichheit der Parteien (…) verletzt” werde, so heißt es in der Verkündigung von Volt Deutschland.
Volt hofft auf baldige Wiederaufnahme des Wahl-O-Mat
In einem Statement gegenüber KURT gibt Volt an, dass es die Partei schade findet, dass die bpb ihr Angebot offline genommen hat, anstatt eine technische Veränderung vorzunehmen. Sie hoffen indes auf eine baldige Wiederaufnahme des Wahl-O-Mat. Volt führt im Statement weiter an, dass der vermeintliche Missstand der Benachteiligung kleinerer Parteien im Wahltool nur in Deutschland bestünde, weswegen sie als paneuropäische Partei in keinem anderen Land gegen eine mögliche Benachteiligung Beschwerde eingelegt bzw. geklagt hat.
Zuvor hatte die Bundeszentrale für politische Bildung argumentiert, dass eine andere Umsetzung der Anzeige aus technischen Gründen nicht möglich sei. Diesen Einwand sah das Verwaltungsgericht Köln in einer Pressemitteilung nicht als “hinreichend glaubhaft gemacht worden” an.
Sowohl das Gericht als auch wir sind der festen Überzeugung, dass die technische Umstellung nicht sonderlich aufwendig und in wenigen Stunden durchgeführt werden kann.
– Stellungnahme Volt Deutschland
Der Sprecher der Bundeszentrale bedauerte die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts und verwies auf die Tragweite des Wahltools: “Der Wahl-O-Mat ist das erfolgreichste Angebot, um Menschen für Politikbeteiligung zu gewinnen”. Vor der jetzigen Europawahl haben schon 6,4 Millionen Personen genutzt.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hätte die Möglichkeit gehabt, entweder die Software so zu überarbeiten, dass der Anzeigemechanismus nun direkt alle Parteien berücksichtigt. Der Sprecher verwies hierbei wieder darauf, dass man weder wisse, ob das technisch möglich sei, noch wie hoch der Aufwand dafür wäre. Doch wie der Pressesprecher verkündet, wird es dazu nicht kommen.
bpb plant Beschwerde gegen Klage
Der Pressesprecher der bpb, Daniel Kraft, zeigte sich zu dem sehr überrascht vom gefällten Urteil des Gerichts. Grund dafür ist, dass das Verwaltungsgericht Köln 2011 vor der Landtagswahl in Rhein-Pfalz die Auswahl von acht Parteien nicht als gleichheitswidrig angesehen habe. Somit ändere sich mit dem aktuellen Beschluss die Rechtsauffassung des Gerichts.
Die andere Möglichkeit der Bundeszentrale ist gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Köln juristisch vorzugehen und gegen den Beschluss Beschwerde einzulegen. Über diese Entscheidung würde, wenn das VG Köln die Beschwerde abweist, in weiterer Instanz das Oberverwaltungsgericht Münster entscheiden. Laut eines aktuellen Statements wird die bpb genau diese Option wahrnehmen. Die Klage wird derzeit vorbereitet und im Laufe des 22. Mai an das Verwaltungsgericht Köln übermittelt werden.
“Hilft das VG Köln der Beschwerde nicht selbst ab, leitet es die Beschwerde und die Verfahrensakte an das OVG in Münster weiter. Dieses würde dann voraussichtlich Donnerstag, spätestens Freitag entscheiden.”, so das Statement der bpb.
Allerdings kommt im Netz auch Unmut aus dem Lager der ökologischen Linken, einer anderen Kleinpartei, für die der Wahl-O-Mat laut Aussage der Spitzenkandidatin Jutta Ditfurth in seiner bisherigen Form keine Benachteiligung darstellte.
Für #ÖkoLinX war der #Wahl-O-Mat eine Chance. Mit der Logik des Gerichtsbeschlusses müsste auch der Stimmzettel zurückgezogen werden, weil nicht alle oben stehen. Welche neoliberale Institution steht eigentlich hinter #Volt und finanziert die? https://t.co/G5F2L97OXr
— Jutta Ditfurth (@jutta_ditfurth) May 21, 2019
Wahl-O-Mat liefert keine Wahlempfehlung
Des Weiteren führt die bpb in ihrem Statement an, dass ihr Tool rein informativer Natur sei und keine Wahlempfehlungen gebe. Deshalb sei der Wahl-O-Mat so konzipiert, dass er die Nutzer dazu auffordert, bewusste Entscheidungen zu treffen. Dazu gehörte auch die Auswahl an Parteien, die der Nutzer für sich beschließt zu berücksichtigen. Für eine umfassende Auseinandersetzung mit allen Parteien biete die bpb mit ihrem Informationsangebot “Wer steht zur Wahl?“.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat sich unter anderem wohl deswegen gegen eine rein technische Änderung des Tools ausgesprochen. Die technische Machbarkeit war zuvor als Begründung für eine nicht durchführbare Änderung des Wahl-O-Mat angeführt worden, wofür sie im Netz ebenfalls kritisiert wurde. Nun führt die bpb an, dass die Frage nach einer technischen Änderung zu kurz gegriffen sei, da es viel mehr die “Grundkonzeption des Wahl-O-Mat als aktivierendes Informationsangebot” ginge.
Auch die Reaktionen von Twitter-Usern zum Gerichtsurteil vom 20.05. fallen teilweise negativ aus. Andererseits wird von Usern und anderen Kleinpartei-Anhängern auch die Begründung der bpb, dass die technische Umsetzung eine große Hürde sei, als stark überzeichnet angesehen.
https://twitter.com/VlkrDhr/status/1130760201500602369
https://twitter.com/evilestmav/status/1130764631700643840
Die Bundeszentrale betreibt den Wahl-O-Mat bereits seit 2002 und wurde in dieser Laufzeit insgesamt über 70 Millionen mal als Wahltool genutzt. Zu Beginn konnten die eigenen Positionen nur mit den Parteien abgeglichen werden, die ohnehin im Parlament vertreten waren oder in damals aktuellen Umfragen mehr als drei Prozent der Wählerstimmen erhielten. Erst ab der Europawahl 2009 waren alle zur Wahl zugelassenen Parteien im System des Wahl-O-Mat zu finden.
Die Zahl der Nutzer des Wahl-O-Mat ist seit 2002 sowohl zu Bundestags- als auch zu Europawahlen stetig gestiegen. Im Wahl-O-Mat können vom Nutzer 38 Thesen beantwortet werden, die zuvor von allen zugelassenen Parteien ebenfalls beantwortet wurden. Als Ergebnis erhält der Nutzer einen Zustimmungsgrad mit den von ihm ausgewählten Parteien in Prozent.
Solange der Wahl-O-Mat derzeit offline ist können interessierte User als Alternative dazu andere Wahlhilfe-Tools wie Vote-Match, Euromat oder VoteSwiper nutzen. Für eine Entscheidungshilfe kann das Tool Vote-Match genutzt werden, bei dem die eigenen Entscheidungen mit denen der Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) verglichen werden können. Beim Euromat können die eigenen Ansichten mit den Positionen der Europäischen Parteien gegenüber gestellt werden. Das Wahl-Tool VoteSwiper berücksichtigt die Positionen deutscher Parteien, betrieben wird das Tool von einer Berliner Werbeagentur.
Der Wahl-O-Mat für die kommende Landtagswahl in Bremen bleibt online. Das interaktive Wahltool zur Europawahl der bpb ist hingegen zurzeit offline (Stand: 21.05.19, 17:13 Uhr). Wie lange der Wahl-O-Mat nun endgültig offline bleibt ist noch nicht bekannt. Die bpb hofft aber darauf, dass er noch vor der Europawahl wieder online geht.
Beitragsbild: unsplash/Sara Kurfeß