Dating in der Zukunft: “Meine Großeltern kennen sich über Tinder”

Es ist „Zurück in die Zukunft“-Tag. In Teil II der Trilogie ist Marty heute vor 4 Jahren in der Zukunft, damals der 21. Oktober 2015, gelandet. In Teil I von „Zurück in die Zukunft“ reist der Protagonist in das Jahr 1955. Seine Eltern hatten sich damals auf der Straße kennengelernt und seine eigene Existenz gerät in Gefahr, als sich seine Mutter zufällig in Marty selbst verliebt. 1955 war das Internet noch nicht erfunden, von Dating-Apps fehlte jegliche Spur. Genau wie Martys Eltern haben sich auch unsere Großeltern auf der Straße, also im realen Leben kennengelernt. Aber wäre das auch der Fall gewesen, wenn es das Internet schon gegeben hätte?

Bei der Partnersuche spielt das Internet eine immer größere Rolle. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (bitkom) hat in diesem Jahr eine repräsentative Studie herausgebracht, die zeigt: Jeder Dritte Deutsche sucht die Liebe online. Doch wie soll es in Zukunft weitergehen? Und ist das wirklich ein aktueller Trend? Der 39-jährige Adebayo Hanson ist selbstständiger Beziehungscoach für Paare und Singles. Er hat sich mit dem Thema Dating beschäftigt.

Herr Hanson, glauben Sie unsere Großeltern hätten auch Tinder benutzt, wenn es das damals schon gegeben hätte? 

Naja, da muss man vielleicht zwischen Dorf und Stadt unterscheiden. Im Dorf: „Nein.“ Die Gesellschaft war so drauf: “Ich muss parieren”. Alle waren auf eine religiöse Art beeinflusst und da wäre es verpönt gewesen. Auch in der Stadt hätten sie Tinder wahrscheinlich nicht unbedingt benutzt: Damals war es einfach eine ganz andere Flirtkultur. Es ging nämlich noch um Eroberung. Die findet heute nicht mehr so statt. Und dazu hatte man damals auch noch ganz andere Werte. Zum Beispiel war es auch verpönt, mit zu vielen Leuten ins Bett zu steigen. Da hätte Tinder mit den Werten einfach nicht übereingestimmt. Ich denke nicht, dass unsere Großeltern Tinder benutzt hätten. Da war der Sicherheits-Faktor viel zu wichtig und die Menschen waren viel konservativer.

Wie hat sich das Flirt- und Dating-Verhalten heute im Vergleich zu damals bei unseren Großeltern verändert? 

Die Tendenz geht definitiv weg vom persönlichen Flirt. Da ist das Kassieren von Körben ein großes Thema. Bei einem geschriebenem Korb nach einem Match bei Tinder ist der Verlust nicht so groß wie bei einer persönlichen Konversation. Allerdings ist das Flirten und Dating nicht vergleichbar, denn Mimik und Gestik gibt’s beim Online-Dating nicht. 

Was denken sie darüber, das künstliche Intelligenz immer mehr beim Dating helfen soll? 

Das halte ich für extrem gefährlich. Wenn es nach mir ginge, sollte man alle Technik entsorgen. Einstein sagte schon: „Gib den Dummen Technik”. Meiner Meinung nach dient das Ganze nur der Manipulation, auch vor allem zu wirtschaftlichen Zwecken. Außerdem ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Wenn es irgendwann Flirt-Roboter gibt, dann wird die Menschheit faul und strengt sich nicht mehr an.  

Was ist der Reiz bei Tinder und anderen Dating-Apps? 

Die schnelle Verfügbarkeit, die Anonymität und generell hat es erst einmal geringe Nachteile. Bei 70 bis 90 Prozent der Nutzer ist das auch ein Selbstwert-Thema. Dating-Apps können helfen, das Selbstwertgefühl zu steigern. Wenn man in der Vergangenheit einen doofen Blick bekommen hat, dann reicht das meistens schon aus, um das Selbstwertgefühl zu senken. Wenn man im Gegenzug positive Kommentare bekommt, bessert sich häufig auch das eigene Bild. Das ist beim Matchen ganz genauso wie das Liken auf Instagram oder Facebook. Es ist quasi wie eine Droge oder eine Zigarette. Eigentlich ist das eine Negativspirale. Man muss etwas von außen hinzufügen, weil genau das in einem nicht vorhanden ist. In dem Fall sind es Emotionen, die fehlen und ersetzt werden müssen.  

Generell gilt unsere Generation nicht nur als die der Millennials, sondern auch als Generation Beziehungsunfähig. Woran liegt das denn Ihrer Meinung nach?

Die Welt wird immer oberflächlicher. Das hat sehr viel mit Werten zu tun. Es startet bei der eigenen Person: Wie kritikfähig bin ich, wie sehr setze ich mich mit mir selbst auseinander, wann finde ich den Plan in meinem Leben und wie sieht dieser aus. Das Leben ist schnell geworden. Schnell muss man einen Plan für sein Leben haben. Die Generation Beziehungsunfähig entsteht aus dieser Schnelllebigkeit. Junge Menschen beschäftigen sich viel zu wenig mit der Frage “Was will ich in einer Beziehung” und hüpfen dann von Beziehung zu Beziehung. Wenn jemand gut aussieht, dann nimmt man den oder die mit der Einstellung “Jetzt habe ich jemanden”. Dann guckt man nicht mehr nach links und nach rechts und verpasst eventuell auch Mr. Right.  

Benutzen Sie selbst denn auch Tinder oder haben es mal benutzt? 

Ja, ich habe es mir geholt, um zu schauen, wie es sich entwickelt. Mir ist vor allem aufgefallen, wie unterschiedlich es von Stadt zu Stadt ist. Ich bin viel unterwegs. In Dortmund zum Beispiel war es mit der App ziemlich schwierig, aber in Berlin und München blüht es richtig.  Generell mag ich es eigentlich nicht. Die Gespräche, die man dort führt, sind oft langweilig und verlaufen sich. Doch es ist eine gute Beschäftigung gegen Langeweile. Ich habe immer auf Glückstreffer gehofft, aber die gibt es nicht.  

Beitragsbild: Unsplash/ Pratik Gupta

 

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