Sonntagabend: Die Studenten werfen Netflix an. Doch was schauen? Bei der riesigen Auswahl an Filmen fällt die Entscheidung auch unserer Autorin schwer. Und nicht nur bei Netflix. Überall muss es immer mehr Auswahl geben. Das stresst. Ein Kommentar.
Zunächst überkommt mich immer Euphorie, wenn ich Netflix öffne. Ich kann alles haben! Das ist wie Shoppen gehen, ohne bezahlen zu müssen. Mal abgesehen von den monatlichen Kosten für das Abo natürlich.
In den USA gehören zurzeit 1.716 Serien und 4.321 Filme zum Angebot. In Österreich sind es immerhin 1.085 Serien und 2.657 Filme. Für Deutschland gibt es zwar keine genauen Zahlen, aber das Angebot dürfte ähnlich dem in Österreich sein. Ich soll mich also bei einer Auswahl von über 3.000 Titeln für den richtigen entscheiden. Beim Shoppen könnte ich drei Pullover gleichzeitig kaufen. Drei Filme zur selben Zeit schauen kann ich aber leider nicht. Aber irgendwo muss bei so einer riesigen Auswahl doch auch der perfekte Film für mich sein.
Allerdings stelle ich schnell fest: Nein! Ich brauche diese riesige Auswahl bei Netflix nicht, wenn ich schließlich so viel Zeit damit vergeude, überhaupt einen Film auszuwählen. Denn die Auswahl ist einfach viel zu groß, als das ich mich entscheiden könnte. Ich lese die Beschreibung und denk „Ja, vielleicht. Aber eigentlich so richtig perfekt ist es nicht.“ Und das bei jedem Film, den ich anklicke. Durch die große Auswahl fühle ich mich unter Druck gesetzt, den perfekten Film für mich finden zu müssen. Ich habe nicht wie beim Fernsehen drei, vielleicht vier gute Filme und ein paar Shows zur Auswahl, unter denen ich das am wenigsten schlechte Programm auswählen muss.
Angst vor der falschen Entscheidung
Dieses Phänomen nennt man auch Paradox of Choice. Das Buch des Psychologieprofessors Barry Schwartz ist an eine Studie aus dem Jahr 2000 angelehnt. Die Studie, die damals mit verschieden großen Sortimenten von Marmelade durchgeführt wurde, zeigt, dass Kunden bei einer zu großen Auswahl lieber gar keine Entscheidung treffen. Sie haben Angst davor, sich falsch zu entscheiden. Denn wenn sie ein minderwertiges Produkt wählen, sind sie selbst daran schuld. Also kaufen sie lieber gar nichts.
Netflix versucht, mir bei der Auswahl zu helfen, schlägt mir Filme mit fast 100 Prozent Übereinstimmungsrate vor. Alle Vorschläge finde ich schrecklich. Wie kommt Netflix auf diese Übereinstimmungsraten? Es wirkt, als würden die Filme einfach wahllos vorgeschlagen werden. Hört doch bitte auf, mich mit Vorschlägen zu bombardieren, die nichts mit meinem tatsächlichen Filmkonsum zu tun haben.
Große Auswahl stresst die Konsumenten
Ich bin frustriert von der viel zu großen Auswahl. 3.000 Titel zur Verfügung zu haben, macht es nicht einfacher, einen entspannten Filmabend zu genießen. Es macht es schwerer. Eine größere Auswahl stresst die Konsumenten.
Das lässt sich nicht nur bei Streaming-Diensten beobachten: Es gilt auch für alle anderen Bereiche unseres konsumorientierten Lebens, in dem wir immer nur von einer Anschaffung zur nächsten jagen und zwischendurch gestresst vor Schaufenstern stehen und uns fragen, ob dieser Pulli der richtige ist oder doch der, den es zwei Läden weiter gab.
Wir sind getrieben von der Werbung und der Auswahl, die überall auf uns einprasselt und uns einredet, wir müssten alles haben. Dreißig verschiedene Flaschen Ketchup stehen in meinem Rewe um die Ecke im Regal. Woher soll ich wissen, wo der Unterschied ist? Ich will doch einfach nur ganz normalen Ketchup.
Reduziert die Auswahl!
Es ist die Schwachsinnigkeit der Kultur, in der wir leben, wegen der wir denken sollen, eine Auswahl von drei wäre zu gering und nur mehr Konsum, mehr Auswahl, macht alles besser.
Für Unternehmen scheint das Konzept aufzugehen. Große Auswahl lockt viele Kunden an, weil sie sich, wie ich anfänglich bei Netflix, wie im Paradies mit unendlicher Auswahl fühlen. Ob sie tatsächlich kaufen, ist die andere Frage.
Netflix und Co. bräuchten sich gar nicht so viele Gedanken darüber machen, noch mehr Filme und Serien anzubieten. Klar, sich durch große Auswahl von der Konkurrenz abheben, verstehe ich schon. Aber wie wäre es denn mal mit weniger Auswahl und dafür besseren Serien? Überfrachtet uns doch bitte nicht ständig mit neuen Angeboten, die sowieso nicht alle geschaut werden. Reduziert die Auswahl!
Mir würdet ihr damit einen großen Gefallen tun. Ich musste nämlich mal wieder eine Freundin um Rat fragen. Wie jedes Mal schaue ich auf Empfehlung. Das enttäuscht mich, weil ich es nicht geschafft habe, mich selbst zu entscheiden. So kann ich den Film viel weniger genießen.
Bildquelle: Pixabay / Jade87
Hallo,
mir geht es oft genauso: Welchen Film schaut man sich am Abend an? Es gibt eine riesige Auswahl und man möchte aber die Zeit auch nicht mit einem schlechten Film vergeuden. Oder man hat mehrere zur Auswahl und kann sich nicht entscheiden.
Eine Reduktion der Inhalte ist aber eher nicht der richtige Weg, da ich genau deshalb Netflix und Co ausgewählt habe. Ich würde mir eher mehr Filter von den Anbietern wünschen um viel genauer einzuschränken:
Filme ähnlich wie XY, Thematik, Nischenfilm oder Hollywood, bekannte Schauspieler.
Ich denke damit könnte man sich einfacher oder schneller entscheiden.
Viele Grüße
Manuel