Zwei Mütter und „Dony“: Wenn eine Eizellenspende zum Kind verhilft

Anna* und Karla* wollten zusammen ein Kind bekommen. Für ihre Tochter Marie* musste das lesbische Paar Flüge, Zeit und Hormonbehandlungen auf sich nehmen. Am Ende kostete ihr Glück rund 20.000 Euro. Ein Interview über die Erfüllung des Kinderwunsches im Ausland.

Sophia: Wie ist bei euch der Kinderwunsch überhaupt entstanden?

Anna: Für mich war schon immer klar: Ich möchte Kinder bekommen. Bei meiner Frau war das anders. Karla fand Kinder toll, aber sie selbst konnte sich nicht vorstellen, schwanger zu sein. Die bekannte Eizellenspende passte deswegen auch so gut zu uns.

Wir beide konnten dadurch Mütter werden – nur auf zwei unterschiedlichen Wegen. Karla durch die Eizellenspende an mich und ich durch die daraus entstehende Schwangerschaft.

Das ist eine bekannte Eizellenspende
Bei einer bekannten Eizellenspende ist die Spenderin der Eizelle nicht anonym, sondern von Beginn an bekannt. Das bedeutet, die Spenderin und Empfängerin kennen sich.

Sophia: Gab es auch noch andere Möglichkeiten, die für euch in Betracht kamen?

Anna: Wir hatten drei Pläne. Plan A: Die bekannte Eizellenspende. Plan B: Eine künstliche Befruchtung meiner Eizellen. Plan C: Adoption. Wir haben auch zu Beginn abgesprochen, dass wir die bekannte Eizellenspende zweimal versuchen und es danach nicht weiter ausprobieren wollen. Aus finanziellen und psychischen Gründen natürlich.

Sophia: Wie schwierig war es dann schlussendlich, diesen „Plan A” umzusetzen?

 

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Anna: Zuerst erkundigten wir uns in Spanien. Allerdings haben wir uns gegen eine bekannte Eizellenspende in diesem Land entschieden. Dort bleiben die Samenspender nämlich anonym. Und wir wollten unserem Kind die Möglichkeit geben, den eigenen Vater kennenzulernen. Ich glaube, die Freiheit dazu ist wichtig.

Danach waren wir 2016 auf der Kinderwunschmesse in Berlin. Dort wurden wir beraten, sodass wir einen Kontakt zu einer Klinik in Wien bekommen haben und später dorthin geflogen sind.

So funktioniert die Eizellenspende
Einer Frau werden die befruchteten Eizellen einer anderen Frau eingesetzt. Die Genetik des Kindes stammt dann von der Spenderin. Die Empfängerin trägt hingegen das Kind aus. Das Kind hat also zwei biologische Mütter.

Sophia: Und wie ging es dann vor Ort weiter?

Anna: Unsere Ärztin begann sofort, von einer Insemination, also einer einfachen künstlichen Befruchtung meiner eigenen Eizellen, zu sprechen. Das geht aber auch hier in Deutschland. Wir waren ja extra für eine bekannte Eizellenspende nach Österreich geflogen. Die ist allerdings dort grundsätzlich verboten. Mit einer Ausnahme: Die Frau muss unfruchtbar sein, erst dann kann sie auf eine Eizellenspende zurückgreifen.

Sophia: Wie waren in diesem Moment eure Reaktionen darauf?

Anna: Ich bin sofort in Tränen ausgebrochen, für mich war klar: Genau wegen der bekannten Eizellenspende sind wir doch gerade hier. Und wir hatten auch vorher mit der Klinik E-Mails geschrieben. Zur Sicherheit haben wir trotzdem noch Untersuchungen in Österreich gemacht. Und dabei wurden sehr viele Zysten an meinen Eierstöcken festgestellt. Mit so einem Befund auf natürlichem Weg schwanger zu werden, ist eben sehr schwer. Deswegen ging am Ende die bekannte Eizellenspende doch.

Regulierung der Eizellenspende in der Europäischen Union
In den meisten Ländern der EU ist die Eizellenspende erlaubt oder zumindest geduldet. Viele konservative Länder liberalisieren aktuell ihre Gesetze, sodass auch homosexuelle Paare auf die künstliche Befruchtung zurückgreifen können. Die Anonymität der Spender und Spenderinnen ist allerdings in den Ländern unterschiedlich geschützt. 

Sophia: Wie oft musstet ihr für die bekannte Eizellenspende fliegen?

Anna: Das erste Mal waren wir im Mai 2018 in Wien. Da mussten die Zyklen von mir und Karla zuerst mithilfe einer Hormontherapie und Medikamenten aufeinander abgestimmt werden. Etwa vier Monate später sind wir dann wiedergekommen für den ersten Versuch. Der ist aber gescheitert und wir mussten ein drittes Mal fliegen.

Sophia: Welche Rolle soll der Samenspender in Maries Leben einnehmen?

Anna: Das ist schwierig. Es beginnt schon mit der Frage, wie wir Maries „Vater” nennen. Erzeuger und Spender klingen sehr distanziert und sachlich, Vater ist wiederum ein bisschen zu viel. Wir haben also lange überlegt, welcher Name passt. Und dann haben wir gesehen, dass Spender auf Englisch „Doner” heißt. So kamen wir auf den Namen „Dony” für den Spender.

Sophia: In Deutschland ist nicht nur die Eizellenspende an sich verboten, sondern auch die Beratung dazu. Inwiefern hat das euren Weg erschwert?

Anna: Das Thema ist ganz kritisch. Die Frauenärzte machen sich mit einer Beratung strafbar. Hier in Deutschland konnten wir uns nicht neutral informieren. Dazu muss ich aber sagen: Die Kinderwunschkliniken im Ausland machen das auch nicht unbedingt. Das höhere Risiko für eine Schwangerschaftsvergiftung wurde uns zum Beispiel verschwiegen.

Sophia: Hat euch auch eine einordnende und neutrale Stimme gefehlt?

Anna: Total! In der Kinderwunschklinik habe ich beim ersten Versuch auch nach der Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft gefragt. Und die meinten nur: Sie sind so jung. Was soll denn sein? Also haben die uns gar kein Gefühl dafür gegeben, dass es vielleicht auch nicht klappen könnte. Es war eher so: Geht nach Hause. Wir beglückwünschen euch dann in zehn Tagen. Und genau so war es dann ja nicht. Wir haben uns manchmal echt alleine gelassen gefühlt.

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Sophia: Wie hat eurer Umfeld auf die Art und Weise der Zeugung reagiert?

Anna: Meine Eltern und Schwiegereltern sind natürlich total ausgerastet. Sie haben sich riesig über ihr Enkelkind gefreut.

Ich habe mir aber auch häufig von anderen anhören müssen: „Warum denn so kompliziert? Gehe doch einfach in die Disko und dann auf der Toilette – zack, zack – dann bist du doch auch schwanger.“ Da habe ich mir gedacht: Denke doch erst mal darüber nach, was du gerade sagst. Frauen mit unfruchtbaren Männern werden auch nicht einfach in die Disko geschickt.

Sophia: Da ihr zwei Frauen seid, müsst ihr eurem Kind irgendwann sagen, wie es entstanden ist. Inwiefern ist das sogar eine Erleichterung?

Anna: Ich kenne eine Frau, die in Spanien eine künstliche Befruchtung mit fremden Eizellen durchführen lassen hat. Und ich fragte sie noch vor unserer Eizellenspende aus Interesse, ob sie ihrem Kind das später erzählt. Sie konnte es mir nicht beantworten.

Ich finde es ganz schlimm, wenn Kinder so etwas zu spät erfahren, also erst mit 18 Jahren. Mein Schwiegervater ist sehr kreativ. Ich plane, dass er für Marie ein kleines Bilderbuch anfertigen soll. Und so können wir dann unseren Weg zu ihr erklären. Vielleicht zuerst mit drei Bären oder drei Pinguinen.

Sophia: Es sind noch zwei befruchtete Eizellen von Karla eingefroren. Was ist das für ein Gefühl für euch?

Anna: Ich kann es nicht über das Herz bringen und sagen: Tut sie weg. Also probieren wir das auf jeden Fall noch mit den zwei Eizellen und lassen das Schicksal entscheiden. Ich fände es total verrückt, wenn es klappen würde. Das Geschwisterkind von Marie wäre zur gleichen Zeit unter dem Mikroskop entstanden, aber trotzdem ein, zwei Jahre jünger.

Sophia: Ist das auch ein Punkt, an dem man beginnt, kritisch über die Fortschritte in der Reproduktionsmedizin nachzudenken?

Anna: Manche Leute haben mich tatsächlich gefragt: Kann man auch sagen, ob es ein Mädchen oder Junge werden soll? Oder vielleicht die Augenfarbe? So etwas – finde ich – darf man nicht entscheiden. Das ist echt schwierig. Auf der einen Seite finde ich diese Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung super. Auf der anderen Seite ist es schon fast beängstigend, was alles machbar ist.

Sophia: Als Abschluss des Interviews machen wir eine kleine Zeitreise in die Zukunft. In drei Jahren wird Marie in den Kindergarten gehen. Wie glaubst du, reagieren die Kinder auf eure Familie?

Anna: Neulich hat mich eine Bekannte angesprochen. Sie hat einen Sohn, der fünf Jahre alt ist. Sie meinte zu mir, ich hätte sie in eine unangenehme Situation gebracht. Da habe ich natürlich nachgehakt und gefragt: Wieso? Sie sagte, jetzt müsse sie ihrem Sohn erklären, wie zwei Frauen ein Kind bekommen können. Ich habe dazu eine andere Meinung. Ich glaube, dass Kinder von alleine keine Vorurteile haben und eigentlich tolerant sind.

*die Namen sind von der Redaktion geändert.

Beitragsbild: Privat

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