Die Zukunft lässt sich nur gemeinsam gestalten

Vor der Zukunft kommt die Bürokratie

Einige Entscheidungen würde er jedoch der Künstlichen Intelligenz zutrauen – nach sehr reiflicher Prüfung: Autonom fahrende Autos mit sicherer Fußgängererkennung, Busse, die ihre Passagiere automatisiert und stets pünktlich befördern, könnten für den Informatiker irgendwann wirklich zur Realität werden. „Menschen halten sich nicht immer an Regeln, der Algorithmus schon. So könnten die Unfallzahlen sinken.“ Dennoch würde ein Hindernis bestehen bleiben: „Das Problem beim autonomen Fahren ist die Verantwortung. Wer trägt sie, wenn ein Unfall geschieht?“ Denn wer trägt die Schuld, wenn die Kontrolle an das Fahrzeug abgeben werden soll? So spaltet das Thema auch die Gesellschaft. Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte hat zu den Themen Autonomes Fahren, Elektromobilität und Connected Car 2019 eine Studie veröffentlicht, die verdeutlicht, dass die Deutschen in Hinblick auf Verkehrssicherheit und potentielle Hackerangriffe uneins sind, wie sie zum autonomen Fahren stehen. Besonders Sicherheitsbedenken stehen im Fokus – 72 Prozent der Befragten denken, dass selbstfahrende Autos unsicher seien. Auch das Verkehrsministerium tüftelt seit über zwei Jahren an einem Gesetzentwurf, der das automatisierte Fahren regeln soll.

Rein aus technologischer Sicht könnten schon bald sämtliche Autos autonom unterwegs sein. Doch die Hürden liegen neben der Gesetzgebung vor allem in der Gesellschaft, wie das Handelsblatt in einem Bericht über einen neuen Gesetzentwurf zum autonomen Fahren schreibt. Das Fahrvergnügen ginge mit einem Wust von Bürokratie, Regeln und Anforderungen einher, den die Halter zu schultern hätten. Diese sollten laut dem Medienbericht viel Verantwortung übernehmen und im Zweifel haften – sie müssen „alle 90 Tage eine Gesamtprüfung des Kraftfahrzeugs“ durchführen, heißt es in dem aufgeführten Gesetzentwurf. Das Ergebnis der Prüfung muss dem Medienbericht zufolge „dokumentiert und dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich elektronisch übermittelt werden“. Demnach muss der Halter darüber hinaus eine „Technische Aufsicht“ benennen. Sie muss während der Fahrt „für Fahrgäste und andere Verkehrsteilnehmer ansprechbar sein“. Deshalb glaubt auch Professor Trinitis, dass es noch eine ganze Weile dauern könnte, bis sich die Politik aber auch die Bevölkerung auf selbstfahrende Autos einlassen wird.

Der Mensch sollte die Entscheidungen treffen

Doch Künstliche Intelligenz könnte in der Zukunft nicht nur in unserem Liebesleben und im Verkehr eine größere Rolle spielen, sondern auch in der Medizin. Das bietet große Chancen laut Carsten Trinits: „Die Entscheidung sollte beim Menschen bleiben – als Assistenzsystem halte ich KI in der Medizin jedoch sinnvoll.“ Auch der Wille des Patienten sollte entscheidend sein, schließlich gehe es um den Menschen und nicht um Maschinen. Laut Carsten Trinitis sollten die Möglichkeiten doch mit Vorsicht genutzt werden und nicht alles, was machbar ist, getan werden. „Es ist wichtig zu wissen, welche Folgen Entscheidungen haben. Wenn ich etwas vielleicht verbessern möchte, muss ich auch wissen, dass das keine anderen negativen Folgen mit sich bringt.“

Gerade in Bezug auf genetische Modifikation rät der Professor zur Vorsicht und fordert klare Linien. Wenn Krankheiten eliminiert werden sollten, müssten alle Zusammenhänge klar sein. „Bei einem Computer weiß man, was passiert, wenn man ein Teil austauscht. Doch bei der Natur weiß ich nicht, was ich damit anrichte. Den Menschen haben wir nicht selbst erschaffen, wir kennen nicht alle Nebenwirkungen. Außerdem ist es langweilig, wenn Menschen alle gleich sind.“ Doch Gleichheit sei nicht in allen Belangen schlecht: „Die soziale Schere sollte sich schließen. Ein gleicher Lebensstandard täte der Menschheit sicher gut.“

Einen ethischen Leitfaden rund um Zukunftsfragen für Mediziner hält Trinitis für sinnvoll. Trotzdem würde so ein Regelwerk auch Probleme mit sich bringen: Dem Gesetzgeber fehle es an Fachinformationen. „Je komplexer die Materie ist, desto weniger Menschen kennen sich mit dem Thema aus. Und desto schwieriger ist es für die Entscheidungsträger, eine richtige Lösung zu treffen.“ Daher brauche es in der Politik Menschen, die sich gerade mit solchen Fachbereichen auskennen.

Eine von der EU-Kommission berufene unabhängige Expertengruppe für Künstliche Intelligenz hat 2019 ethische Leitlinien für die Entwicklung vertrauenswürdiger Künstlicher Intelligenz vorgelegt. Insgesamt gibt es 33 Anforderungen an KI, die uns Menschen zur Orientierung dienen. Diese sind jedoch nicht als starres Regelwerk zu verstehen. Feste Regeln hält Carsten Trinits ebenfalls für falsch, man sollte über die Richtigkeit von Dingen, der Ethik diskutieren. Und damit sollte man bereits während der Schulzeit anfangen.

Ein Beitrag von
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