Ali Can (26) aus Essen
Als ich Alltagsrassismus zum ersten Mal erlebte, wollte ich bei der obligatorischen Notenbesprechung mit meinem Lehrer über meine Schulnote sprechen. So wie es jeder einmal macht. Ich bekam nur zu hören: „Wir sind hier nicht auf einem türkischen Basar.“ Ich komme zwar aus der Türkei. Das berechtigt aber niemanden, diese Bemerkung zu äußern.
Solche Hürden, ausgelöst durch meine Herkunft, gab es auch in meinem Lehramtsstudium. Hürden, die mich verzweifeln ließen. Während eines Praktikums in einer Schule wurde ich rausgeschmissen, weil ich mich gegen einen rassistischen Lehrer gewehrt habe und für geflüchtete Schüler eingetreten bin. Der Schule waren damals der Lehrer und das eigene Image wichtiger. Und meine Uni wusste nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte, und ist nicht für mich eingetreten.
Durch diesen Vorfall habe ich erst so richtig gemerkt, dass Menschen meine Existenz ablehnen und dass da ein System dahinter ist, das es zulässt. Weil ich schwarze Haare habe und einen ausländischen Namen trage. Dinge, die mir mit der Geburt gegeben wurden. Solche Erfahrungen ändern mit der Zeit das eigene Verhalten und können einschüchtern.
Für mich ist es ein komplexes Thema.
Davon habe ich mich nicht unterkriegen lassen. Trotzdem habe ich mich für Respekt und Dialog eingesetzt. Ich habe die „Hotline für besorgte Bürger“ gegründet, bei der jeder mir seine Meinung äußern kann, vor allem Wähler der AfD und Pegida-Anhänger. Bei der Hotline sprechen sie dann mit Menschen, die einen Migrationshintergrund haben. Sie bietet den „besorgten Bürgern“ einen geschützten Rahmen, um ihre Gedanken mitzuteilen und zu reflektieren. Ich gehe auf Demos und leite in Essen das „VielRespektZentrum“.
Meine eigenen Rassismuserfahrungen habe ich außerdem in zwei Büchern niedergeschrieben. In einem Kapitel habe ich mich mit der Frage „Woher kommst du?“ auseinandergesetzt. Für mich ist es ein komplexes Thema. Die Frage kann einfach Teil des Kennenlernens sein, aber oft steckt unreflektierter, nicht beabsichtigter Alltagsrassismus dahinter. Die Frage ist für mich in Ordnung, wenn sie nicht sofort gestellt wird. Ganz wichtig ist es, dass die erste Antwort akzeptiert wird und nicht weiter nachgefragt wird. Aber letztlich geht es immer um den Kontext.
Es gibt auch Rückschläge im Kampf gegen den Alltagsrassismus und Rassismus: rechtsextreme Anschläge, ob in Halle oder Hanau. Ich war zwar nie direkt betroffen. Aber irgendwie schon mitgemeint. Es zeigt, dass da draußen immer noch Gewalttäter rumlaufen, die Menschenleben auslöschen wollen.
Ich finde, wir alle sollten lernen, solidarisch und empathisch zu sein für die Lebenswelt von Minderheiten und diskriminierten Menschen und uns gegen den Hass stellen. Jeder sollte seinen Beitrag gegen Rassismus leisten. Ob in der Familie, bei Freunden oder in der Kneipe.
Nadja Uamusse (25) aus Bonn
Ein Junge aus dem Kindergarten hat etwas über meine Hautfarbe gesagt. Ich weiß nicht mehr genau was. Es hat mich verletzt, da ich den Sinn hinter der Aussage nicht verstanden habe. Denn ich war erst sechs Jahre alt. Die einzige Frage, die mir damals im Kopf herumschwirrte, war: Warum?
Bei dieser Situation aus meiner Kindheit blieb es nicht. Auch heute wird über meine Hautfarbe gesprochen und sie mit Essen verglichen: Schokolade, Karamell, Cappuccino. Für mich ist das völlig normal. Seit ich von Siegen nach Bonn gezogen bin, habe ich es zum Glück nicht mehr in der Form erlebt. Der Alltagsrassismus ist aber da, etwa bei der Wohnungssuche. Als mein Freund und ich mit einem Vermieter telefonisch einen Besichtigungstermin ausgemacht hatten, gab es keine Probleme. Vor Ort durften wir uns die Wohnung dann nicht ansehen. Es lag an unserer Hautfarbe. Warum sonst war es auf einmal ein Problem, die Wohnung zu sehen?
Ich bin deswegen nicht verzweifelt. Ich stecke den Alltagsrassismus weg und habe mich daran gewöhnt. Das macht es nicht besser. In den vergangenen Jahren gab es viele Stunden, in denen ich geweint habe. Ich wollte mich an das europäische Bild anpassen und habe meine Haare geglättet. Mit zehn Jahren zum ersten Mal. Auch die Sonne habe ich eine Zeit lang gemieden. Bloß nicht dunkler werden.
Ich wünsche mir, dass es einfach normal ist, Schwarz zu sein.
Heute, mit 25 Jahren, stehe ich zu mir. Geholfen hat mir der Austausch mit meiner Familie und anderen, die Ähnliches erleben mussten. Social Media trug ebenfalls einen Teil dazu bei, da ich dort Menschen gesehen habe, die so sind wie ich. Schwarze müssen besser repräsentiert werden. Seien es Schwarze Lehrer, Ärzte oder Busfahrer. Und ein Schwarzer sollte eine Sendung moderieren, ohne dabei auf seine Hautfarbe reduziert zu werden. Ich wünsche mir, dass es einfach normal ist, Schwarz zu sein.