Kommentar: Twitters Vorgehen gegen Trump ist richtig!

Twitter geht gegen Tweets vor, die gegen die Richtlinien verstoßen und zu den Ausschreitungen in Washington in der vergangenen Woche geführt haben. Doch anstatt Lob zu bekommen, erntet das US-amerikanische Unternehmen dafür Kritik. Die Sperrung von Trumps Account ist angebracht! Ein Kommentar.

Jedes Soziale Netzwerk hat gewisse Richtlinien, an die sich die Nutzer*innen auch halten sollen. Wer gegen diese verstößt, dem drohen Konsequenzen. Eigentlich klar soweit und auf den ersten Blick würde auch kaum einer widersprechen. Doch wieso sorgt dann gerade die Sperrung von Donald Trumps Twitter-Account für so einen Wirbel und eröffnet Diskussionen? Weil er noch der Präsident der Vereinigten Staaten ist? Account-Sperrungen gab es ja auch schon vor seiner Zeit als Twitter-Star – also wieso gerade jetzt der Ruf nach Missachtung der Meinungsfreiheit?

Twitter, eine der bedeutendsten Kommunikationsplattformen, hat in den vergangenen Tagen Zehntausende Accounts gesperrt – darunter auch das des US-Präsidenten Donald Trump. Auch am Dienstag wurden weitere 70.000 Accounts von Twitter gesperrt, da sie QAnon-Content verbreitet und geteilt hatten.

Was ist QAnon?
QAnon ist eine Bewegung in den USA, die auf Verschwörungsmythen basiert. Diese drehen sich unter anderem auch um Präsident Donald Trump und unterstützen ihn. Eine dieser Verschwörungsmythen ist zum Beispiel, dass Trump einen geheimen Krieg gegen einen globalen linksradikalen Kult pädophiler Satanisten führe. Trump leugnet, von diesen Mythen zu wissen und stützt sich auf die Aussage, dass QAnon gegen Pädophilie ist und dies ja eine gute Sache sei.

Es hagelt Kritik

Eine der Randalier*innen, die das Kapitol in Washington gestürmt hatten, gehörte ebenfalls zu dieser Bewegung. Gut erkennbar mit seinem auffälligen Kopfschmuck aus Fell und Hörnern war er auf den Bildern zu sehen, die den Ansturm zeigten und durch die Medien gingen. Schon Anfang November hatte Twitter 10.000 QAnon-Konten gelöscht – doch da gab es so eine Diskussion nicht.

Nach der aktuellen Sperrung kam plötzlich die Frage auf, ob es denn in Ordnung sei, trotz Meinungsfreiheit Twitter-Konten einfach so sperren zu lassen. Auch viele Politiker äußerten sich kritisch, dass sich Twitter das Recht rausnehme, Accounts ohne externe Überprüfung zu löschen – etwa den des Noch-Präsidenten Donald Trump.

Sind Sperrungen ein Eingriff in die Meinungsfreiheit?

Auch Merkel sieht die Sperrung des Twitter-Accounts als einen Eingriff in die Meinungsfreiheit, der nur entlang des Gesetzes stattfinden dürfe. Betreiber von Social-Media-Plattformen seien nicht berechtigt, sowas zu beschließen. Eine Markierung oder Anmerkung an kritischen Posts sei da angemessener.

Grundgesetz Art. 5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Doch wie schon erwähnt, hat jede Plattform Richtlinien, die beachtet werden müssen. So auch Twitter. Wer gegen diese Richtlinien verstößt, dessen Konto darf mit Beschränkungen versehen werden und sogar gesperrt werden. Somit möchte Twitter unter anderem verhindern, dass Gewalt verbreitet oder zu gewalttätigen Taten aufgerufen wird. Dies zählt dann auch nicht mehr zur Meinungsäußerung.

Genau solche Accounts wurden nun von Twitter gelöscht. Sie teilten QAnon-Inhalte und die Tweets hatten das Potential dazu, Gewalt in der Realität auszulösen. Noch dazu gab es einige Accounts darunter, die den gleichen Urheber*in und somit ebenfalls gegen die Richtlinien verstoßen hatten.

Noch dazu muss gesagt werden, dass Twitter ein privates Unternehmen ist, das nicht den Anspruch der Medien erfüllen muss. Es hat keinen öffentlichen Auftrag, wie zum Beispiel der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) hierzulande. Würde Trump aus deren Programm verbannt werden, wäre die Kritik annehmbar, da er eine wichtige Person des öffentlichen Lebens ist und der ÖRR sowohl über die guten wie auch kritischen Seiten berichten muss.

Was hat Trump überhaupt getwittert?

Die Tweets sind durch die Sperrung nicht mehr einsehbar, doch laut diesem Liveticker hat Trump seine Anhänger*innen dazu aufgerufen, in Richtung Kapitol zu gehen, während das Wahlergebnis zertifiziert wurde. Daraufhin gab es aber nicht nur Demonstrationen, sondern eine Stürmung des Kapitols – mit Verletzten und Toten.

Doch Trump verurteilte diese Ausschreitungen nicht. Stattdessen twitterte er fleißig weiter und heizte die Situation somit auf. Einen Aufruf zum Rückzug gab es zwar. Dieser wurde aber mit den Worten “Wir lieben euch!” beendet. Daraufhin wurde er von Twitter für 12 Stunden gesperrt.

Reue oder Einsicht gab es auch danach nicht. Statt einer klaren Distanzierung von den Aufständen und den Verantwortlichen, machte Trump den Anhängern Mut. Er twitterte, dass seine “amerikanischen Patrioten auch in der Zukunft eine gigantische Stimme haben” würden und “in keiner Weise missachtet oder unfair behandelt werden” würden.

Trumps Account ist auf Twitter nicht mehr zu sehen. Screenshot: Jennifer Retslav

Das hatte Konsequenzen. Trumps Account wurde von Twitter dauerhaft gesperrt. Das “Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt” sei zu hoch. Dieser Meinung ist auch Jennifer Grygiel. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Expertin für soziale Medien sah Trumps Nutzung von Social Media und seine Verbreitung von Falschinformationen ebenfalls als Grund für die Geschehnisse in Washington.

Sperrung eine Sache des Staates?

Frankreichs Wirtschaftsminister konnte die Sperrung von Trumps Twitter-Account nicht nachvollziehen. Seiner Meinung nach darf eine solche Entscheidung keinem Privatunternehmen überlassen werden. Dies sei die Aufgabe des Staates und der Justiz.

Doch wenn man nun alle kritischen Accounts vom Staat und nicht mehr von Twitter überprüfen ließe, bekäme man das nicht hin – allein schon wenn man an die heutigen 70.000 Accountsperrungen denkt. Und war es nicht noch vergangenes Jahr, dass den Sozialen Medien nahgelegt wurde, sich doch bitte mehr gegen Hatespeech und Falschinformationen einzusetzen? Gerade Twitter hatte da einiges in seinen Richtlinien verändert. Doch anscheinend ist eine Sperrung dann doch wieder zu hart. Oder liegt es vielleicht eher am Amt des Gesperrten?

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament Manfred Weber (CSU) sprach sich gegen eine Kontrolle der Diskussion aus. “Amerikanische Big-Tech-Firmen” sollten nicht entscheiden dürfen, wie und ob Diskussionen von Politikern gehalten werden. Twitters Größe mag wohl ein Problem darstellen, da es eine große Reichweite hat und auch für viele ein Hauptkommunikationsmittel darstellt. Trotzdem muss man sich an die Richtlinien halten und Twitter darf auch im Rahmen seiner Community-Guidelines agieren. Noch ist das rechtlich nicht geregelt.

Haben Social-Media-Firmen zu viel Macht?

Nach Ansicht des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton haben Social-Media-Firmen zu viel Macht. Der Ansturm sei ein Beleg für die notwendige und stärkere Regulierung von Online-Netzwerken. Doch zugleich sagt er auch, dass ein Online-Netzwerk nicht das Recht haben sollte, den US-Präsidenten ohne jegliche Kontrolle sperren zu können. Aber sollte man bei Personen des öffentlichen Lebens andere Regeln aufstellen als bei Privatpersonen? Sollte es Sonderregelungen geben? Ein ganz klares Nein. Wäre Trump nicht der, der er ist, hätte sich bestimmt niemand über diese Accountsperre aufgeregt.

Auch Alexej Nawalny betitelte die Sperre als “inakzeptabler Akt der Zensur” und forderte mehr Transparenz. In einer Erklärung erläuterte die Plattform, warum sie die Accounts gelöscht hatte (darunter auch Trumps Account), und agierte somit transparent. Über eine willkürliche Löschung kann hier nicht die Rede sein. Immerhin hatte Trumps erste Sperre ein zeitliches Limit von 12 Stunden. Doch zu einer Gegendarstellung oder einer klaren Positionierung gegen die Demonstranten und die Ausschreitungen in Washington kam es ja schließlich nicht.

Twitter hat Verantwortung erkannt

Wäre Trumps Profil nicht bei den gesperrten Accounts dabei gewesen, würde die Diskussion um die Sperrungen sehr wahrscheinlich anders ablaufen. Sie würde sich dann wahrscheinlich eher darum drehen, dass Twitter endlich seine Verantwortung anerkannt hat, die das Unternehmen gegenüber solchen kritischen Tweets haben sollte.

Dass davon gleichzeitig auch der Account des US-amerikanischen Präsidenten betroffen ist und nicht nur die Accounts von Privatpersonen, hätte ja niemand ahnen können. Wahrscheinlich würde in dem Szenario Trumps Sperrung weder auffallen noch so heiß diskutiert werden, wie es jetzt im Moment der Fall ist. Die Sperrung war richtig!

Beitragsbild: MORAN/Unsplash.com

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