So kämpfen Einzelhändler*innen gegen Lieferprobleme

Die Lagerhalle des Fahrradgeschäfts Markgraf in Schwerte-Geisecke ist leer.

Leere Lagerhallen, volle Auftragsbücher: Weltweit gibt es in den unterschiedlichsten Branchen Probleme bei den Warenlieferungen. Diese Lieferengpässe nehmen auch in Deutschland zu und treffen das Weihnachtsgeschäft. Wir haben mit Händler*innen in Dortmund und Umgebung darüber gesprochen, mit welchen Herausforderungen sie kämpfen.

Die Lagerhalle des Fahrradgeschäfts Markgraf in Schwerte-Geisecke ist leer. Normalerweise füllen hier Kartons den gesamten Raum, jetzt stehen nur noch ein paar Kisten in der Ecke. Das ist der Rest, mehr Fahrradteile hat Markgraf nicht mehr auf Lager. „Wir haben großzügig im Vorhinein geordert“, sagt Thomas Linn, Geschäftsführer von Markgraf-Schwerte. Doch dieser Vorrat ist nun leer.

„Wir sind um jedes Rad froh, das aktuell geliefert wird“

Der Fahrradladen Markgraf Schwerte-Geisecke muss lange auf Ersatzteile warten.
Der Fahrradladen Markgraf muss lange auf Ersatzteile warten.

Markgraf ist wie so viele Fahrradgeschäfte seit Beginn der Pandemie von den weltweiten Lieferschwierigkeiten betroffen. Neue Fahrräder kommen nur vereinzelt nach langen Wartezeiten rein und manche Ersatzteile sind nur schwer zu bekommen. „Wir sind um jedes Rad froh, das aktuell geliefert wird“, beklagt Linn. Kund*innen müssen teilweise bis zu sechs Monate auf das Wunsch-Bike warten. Die Lieferdauer von Ersatzteilen beläuft sich auf bis zu 500 Tage.

Das Fahrrad ist ein globales Produkt. Funktioniert ein Glied in der Lieferkette nicht, kann das Fahrrad nicht fertiggestellt werden. Viele der kleineren Teile, wie Zahnkränze, Bremsscheiben und Federgabeln, werden in Asien hergestellt. Unter anderem in Malaysia, wo es vor kurzem noch einen Lockdown gab, weswegen sich nun die Produktion verzögert.

Gestiegene Nachfrage, knappe Container und fehlende Fachkräfte

Hinzu kommen eine stark gestiegene Nachfrage und Probleme beim Schiffshandel. Viele Firmen aus Europa haben keine eigenen Lagerhallen, sondern bestellen aus Asien bedarfsgenau ihre Ware. Doch diese stecken in Containerschiffen fest, die sich vor großen Häfen stauen. Container sind knapp – und die, die frei sind, sind nicht dort, wo sie gebraucht werden. Auch der Fachkräftemangel in der Logistikbranche, etwa bei Hafenmitarbeiter*innen und Lkw-Fahrer*innen, verschärft die Verzögerungen.

Linn und seine Mitarbeitenden gehen nach eigenen Angaben „sehr stark auf Risiko“. Sie bestellen die zwei- bis dreifache Menge an Ersatzteilen, um sie wieder auf Vorrat für die nächste Saison zu haben. Auch bis Weihnachten werden sich die Lieferengpässe nicht entspannen. Egal ob Kinderfahrrad oder E-Bike: Die Kund*innen müssen mit großen Verzögerungen rechnen. Zudem könnten wegen höherer Lieferkosten bald die Preise steigen. Eine Containerlieferung kostet inzwischen das 15-Fache wie vor der Pandemie, sagt Linn.

Die Onlinekataloge im Modehandel sind leer

Mützen sind knapp im Modeladen von Brigitta Pfeiffer in Dortmund-Aplerbeck.
Mützen sind knapp in Brigitta Pfeiffers Modeladen.

Brigitta Pfeiffer, Inhaberin des gleichnamigen Modeladens aus Dortmund-Aplerbeck, steht vor ähnlichen Schwierigkeiten. Die bestellten Winterjacken sind vier Wochen später als geplant angekommen. Ein ganzer Container mit Mützen und Handschuhen ist auf dem Weg verschwunden. „Ein Drittel meiner Order an Strickwaren ist nun weg“, berichtet Pfeiffer. Bislang hat sie noch genug Ware im Laden, doch sie empfiehlt ihren Kund*innen, sich schnell zu entscheiden. Einzelne Größen oder Modelle nachzubestellen, sei schwer. Die Onlinekataloge der Großhändler*innen sind leer. Es wird nur schleppend nachproduziert. Passt ein Kleidungsstück nicht oder wurde das letzte verkauft, gehen die Kund*innen leer aus.

„Ich bin das letzte Glied in der Lieferkette“, sagt die Modehändlerin. Gibt es Störungen in der Kette, kann sie darauf keinen Einfluss nehmen. Momentan sind Reißverschlüsse und Nähgarn knapp. Sie ist darauf angewiesen, was der Großhandel liefern kann – oder eben nicht. Die ersten Produkte sind bereits teurer geworden: Strumpfhosen, die bei ihr im Laden vorher 12 Euro kosteten, kosten jetzt 14 Euro. Sie denkt, dass nach und nach die Firmen die Preise erhöhen werden. Wie sich das auf das Weihnachtsgeschäft auswirkt, kann sie noch nicht abschätzen.

Lieferprobleme ziehen sich durch alle Branchen

Markus Kaluza vom Handelsverband Nordrhein-Westfalen kennt die Sorgen der Einzelhändler*innen, versichert aber: „Leere Regale wie in England wird es in Deutschland nicht geben – auch nicht zu Weihnachten.“ Trotzdem seien auch in Dortmund und Umgebung einige Branchen von Lieferschwierigkeiten betroffen – besonders Fahrradgeschäfte, Baumärkte und Elektronikläden. Die neue Playstation wird wohl schwer als Weihnachtsgeschenk zu bekommen sein. Auch Holz ist knapp und das macht der Möbel- und Papierindustrie zu schaffen. Einige Buchverlage überlegen sich daher gut, wie viele Exemplare sie drucken.

Als Folge schließt Kaluza steigende Preise in einigen Brachen nicht aus, wie in der Fahrradindustrie. Einige Händler*innen passen aber ihr Sortiment bereits auf die Materialknappheit an. In Textilläden hängen teilweise schon Ausweichprodukte.

Tipp: Frühzeitig Geschenke für Weihnachten kaufen

Wann sich die Lage bessert, ist unklar. Für die Fahrradbranche rechnet Thomas Linn erst 2023 mit einer Entspannung. Eins ist aber sicher: Geschenke wird es unter dem Weihnachtsbaum geben. Markus Kaluza empfiehlt jedoch: „Frühzeitig einkaufen lohnt sich.“ Statt des einen oder anderen Geschenks muss dieses Jahr jedoch ein Gutschein herhalten.

Fotos: Charlotte Groß-Hohnacker

Mehr von Charlotte Groß-Hohnacker
KURT – Das Magazin: Hungerstreik fürs Klima, Depressionen – Therapie mit Eseln
Junge Aktivist*innen demonstrieren in Berlin für strengere Maßnahmen beim Klimaschutz. Dabei setzen...
Mehr
0 replies on “So kämpfen Einzelhändler*innen gegen Lieferprobleme”