Topmodel Stefanie Giesinger spicht auf Instagram über ihre Periode und Promimagazine, Followerinnen und Marketingexpert*innen applaudieren. Was die Presse als Tabubruch feiert, ist maximal der erste Schritt. Denn Frauen müssen nicht nur mit Frauen über Menstruation sprechen – sondern besonders mit Männern. Ein Kommentar.
Natürlich hat Stefanie Giesinger eine weiße Hose an, als sie im Schulbus das erste Mal ihre Periode bekommt. Die Geschichte klingt wie der Albtraum eines jeden Teenie-Mädchens: Eine Freundin weist Stefanie auf die roten Flecken am Hintern hin. Das Oberteil ist zu kurz, um die Misere zu bedecken. Stefanie läuft nach Hause, strampelt die verschmierte Hose ab und weint.
Ein “Tabubruch”, der keiner ist
Jedes Mädchen hat schon mal unangenehme Situationen erlebt, weil ihre Gebährmutterschleimhaut entschieden hat, den Abgang zu machen – aber nicht jedes Mädchen spricht darüber. Stefanie Giesinger schon. Die Gewinnerin von “Germany’s Next Topmodel” hat mit den Modemarken About You und Nike eine Werbekampagne gestartet, in der sie über ihre Erfahrungen spricht – und natürlich, wie sie mit der Nike-App den Zyklus für ihr Training nutzt.
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Die Reaktionen sind durchweg positiv: In den Kommentaren freuen sich Nutzerinnen, dass über das Thema so offen gesprochen wird, und die Presse feiert das Video als Tabubruch. Ganz nach dem Motto: Endlich traut sich mal eine. Die Aktion ist sicher für viele Mädchen hilfreich. Ein Model, dass über die Probleme redet, mit denen man selbst gerade zu kämpfen hat? Das hilft, den eigenen Körper zu akzeptieren. Es ist toll, dass ein Thema Aufmerksamkeit bekommt, das sonst wenig Beachtung findet. Allerdings gibt es ein großes Problem: Mal wieder geht es nur um Frauen.
Männer wissen zu wenig über Menstruation
Ist es wirklich ein Tabubruch, wenn Frauen mit Frauen über ihre Periode reden? Das mag als Teenagerin ein erster Schritt sein. Und ja, Aufklärung über den weiblichen Zyklus ist wichtig. Aber eben nicht nur für Betroffene, sondern auch für den ganzen Rest der Gesellschaft, vor allem für Männer.
Als Frau mit einem Mann über die Periode zu reden, ist schwer. In einem Thread auf Twitter haben Nutzerinnen die Reaktionen ihrer Partner gesammelt: Von lustigem Unwissen bis Arschlochverhalten ist alles dabei.
Er, Student und schon Anfang 20, fragt: „Hä? Und wie kannst du noch Pipi machen, wenn Dein Tampon drin ist?“. True story 🙈
— Jenny Schmitz (@jen_schmitz) January 20, 2021
Worüber man auf Twitter schmunzeln kann, ist im echten Leben weitaus weniger witzig. Es fühlt sich beschissen an, wenn der eigene Partner einem sagt, dass man mit einer Binde aussehe, als trüge man eine Windel. Oder wenn ernste Themen wie PMS (Prämenstruelles Syndrom) mit einem genervten “Du bist so kacke drauf, hast du deine Tage oder was?” abgetan werden.
Einige Männer regen sich sogar regelrecht über das Thema auf, zum Beispiel wenn Frauen kostenlose Periodenartikel auf öffentlichen Toiletten fordern. “Voll unfair, dass Frauen was geschenkt bekommen!” Keine Sorge, liebe Männer: Viele Frauen würden euch sicher ihre Periode schenken, wenn sie könnten.
Wenn Frauen kostenlose Tampons fordern, dann fordere ich kostenlose Einwegrasierer und Rasierschaum für Männer. Wir können nichts für unseren Bartwuchs! (Und vielen Mittelstuflern täte eine Rasur auch ganz gut) 🤡
— Nick (@nickwerner_) December 27, 2020
Medien verbreiten Bild der unsichtbare Periode
Natürlich gibt es auch Frauen, die wenig über ihren Zyklus wissen, und Männer, die sich darüber informieren. Aber bei vielen Männern fehlt die Bereitschaft dazu. “Betrifft mich nicht, juckt mich nicht!” Dabei kommen auch Männer damit in Berührung: Sei es bei ihren Partnerinnen, bei ihren Töchtern – oder einfach bei jeder Frau, der sie im Alltag begegnen. Doch es gibt nicht genug gesellschaftlichen Druck für Männer, sich zu informieren. Denn auch in den Medien ist das Bild der Menstruation verzerrt.
Wer sich Werbung für Tampons oder Binden ansieht, könnte meinen, die Menstruation sei etwas völlig Sauberes. Blaue Flüssigkeit wird restlos von der neuesten Super-Saugstark-Binde aufgesogen und Tampons lassen sich perfekt in das Scheiden-Modell einführen. Frauen lachen, machen Sport oder halten bei der Arbeit selbstbewusst einen Vortrag. Die Botschaft: keine Periode zu sehen – kein Problem! Aber Blutflecken auf dem Laken, Heißhungerattacken und Bauchkrämpfe sieht man nicht. Was die Werbung als Menstruation verkauft, ist das, was gesellschaftlich erwünscht ist: Bluten ja, aber bitte behalt es für dich! Kein Wunder, dass Frauen sich schämen, wenn’s bei ihnen nicht so läuft.
Mit Mädchen reden reicht nicht
Unser Bild von Menstruation kann sich nur ändern, wenn wir ehrlicher werden. Auch Männer sollten wissen, wie der weibliche Körper funktioniert und warum Menstruation wichtig und gesund ist. Unsere Gesellschaft muss ein neues Bewusstsein für den weiblichen Körper entwickeln und ihn unterstützen: mit kostenlosen Hygieneartikeln und Rücksicht im Job. Wir müssen nicht nur bei Teenagerinnen Verständnis für Blutflecken oder schlechte Laune haben, sondern auch bei erwachsenen Frauen.
Aufklärung für Mädchen ist ein erster Schritt und dafür darf Stefanie Giesinger gerne auf Instagram Likes bekommen. Aber wer glaubt, man enttabuisiert Menstruation, indem man ein Herzchen unter einen Post setzt, ist noch weit vom Ziel entfernt.
Teaser- und Beitragsbild: unsplash.com/Monika Kozub, lizenziert nach CC.