Drachentänze und rote Lampions: Das chinesische Neujahrsfest

Das chinesische Neujahrsfest ist die wichtigste Feier in der Volksrepublik China. Von allen Ecken der Welt kommen für diesen Anlass zahlreiche Familienmitglieder zusammen. Schon zum zweiten Mal in Folge macht Corona allerdings vielen Menschen die Rückkehr in ihre Heimat unmöglich.

Shuchang He studiert aktuell in Bonn und kann deshalb nicht zu ihrer Familie reisen. Foto: privat

Eigentlich wäre Shuchang He gerade gerne ganz woanders. Nicht in ihrem kleinen WG-Zimmer, nicht in ihrer Studienstadt Bonn, sondern auf der anderen Seite der Welt. 8.000 Kilometer entfernt, um genau zu sein: in ihrer Heimatstadt Zoucheng, gelegen in der chinesischen Provinz Shandong.

Dann würde sie jetzt mit Mutter, Großmutter und Tanten traditionelle Dumplings zubereiten. Im Hintergrund würde wie jedes Jahr die Frühlingsfest-Gala im Fernsehen laufen, und gleich würde sie vielleicht noch mit ihren Cousinen und Cousins Computer spielen. Aber natürlich nur bis 24 Uhr. Dann wird sich schließlich gratuliert.

 

Shuchang He
Shuchang He ist 24 Jahre alt und kommt aus Zoucheng, einer Stadt im Westen der chinesischen Provinz Shandong. Seit September 2019 macht sie an der Universität Bonn ihren Master in “Chinesische Sprache und Translation”.

Die größte Feier des Jahres

Am Donnerstag (11.02.2021) beginnt Chunjie, das chinesische Neujahrs- beziehungsweise Frühlingsfest. Die Feier dauert 15 Tage und gilt als das wichtigste Event Chinas. Tatsächlich wird es aber auch unter anderem in Korea, Vietnam und Indonesien zelebriert. Insgesamt feiert in der kommenden Nacht etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung den Beginn eines neuen Jahres.

Das Fest gilt als “weltweit größte Völkerwanderung“: Mehrere Familiengenerationen treffen aufeinander, um gemeinsam die zurückliegenden Monate der harten Arbeit zu feiern und sich Glück und Erfolg für das neue Jahr zu wünschen.

Volle Tische, volle Dumplings, volle Münder

Auch im Haus der Hes sind es drei Generationen, die sich am Abend an den Esstisch drängen werden. Großeltern, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins: Insgesamt 15 bis 17 Personen trifft Shuchang normalerweise an diesem besonderen Tag. Die Kinder bekommen rote Umschläge mit Geld und die Jiǎozi, gefüllte Teigtaschen, kochen vor sich hin. “In Nordchina sind die Jiǎozi sehr, sehr wichtig”, erklärt Shuchang. “Wir essen das bei jedem Fest.”

Das unterscheidet sich je nach Region. In großen Metropolen wie Shanghai oder Peking ist es für gewöhnlich üblich, zusätzlich traditionelle Löwen- oder Drachentänze zu beobachten. Allen Gebieten ist jedoch gemeinsam: Straßen und Gassen sind mit roten Laternen geschmückt, Familien kommen zusammen, und alle freuen sich auf das Jahr des Büffels.

Der historische Hintergrund

Der Ursprung des Frühlingsfests liegt im chinesischen Mondkalender, wie Professor Dr. Ralph Kauz, Leiter der Abteilung für Sinologie an der Universität Bonn, gegenüber KURT erklärt. Der chinesische Kalender habe schon um 1045 vor unserer Zeitrechnung existiert. Demnach beginnt das Jahr am Neumond, der in der Regel zwischen dem 21. Januar und dem 20. Februar liegt.

In einem jährlichen Zyklus wechseln sich 12 Tierkreiszeichen ab, die das Jahr prägen. 2021 beginnt das Jahr des Büffels. Wer in diesem Jahreszyklus geboren wird, hat deshalb das chinesische Tierkreiszeichen des Büffels inne. Dieses soll etwas über den Charakter und die Eigenschaften des Menschen aussagen.

Chinesische Tierkreiszeichen
Tierkreiszeichen Geburtsjahre Bedeutung
Ratte 1936, 1948, 1960, 1972, 1984, 1996, 2008, 2020 Weisheit, Klugheit, Neugierde
Büffel 1937, 1949, 1961, 1973, 1985, 1997, 2009, 2021 Fleiß, Zuverlässigkeit, Ehrgeiz
Tiger 1938, 1950, 1962, 1974, 1986, 1998, 2010 Mut, Unberechenbarkeit, Sturheit
Hase 1939, 1951, 1963, 1975, 1987, 1999, 2011 Geduld, Wachsamkeit, Freundlichkeit
Drache 1940, 1952, 1964, 1976, 1988, 2000, 2012 Stärke, Mut, Selbstsicherheit
Schlange 1941, 1953, 1965, 1977, 1989, 2001, 2013 Intuition, Weisheit, Intelligenz
Pferd 1942, 1954, 1966, 1978, 1990, 2002, 2014 Vorausplanung, Schlagfertigkeit
Ziege 1943, 1955, 1967, 1979, 1991, 2003, 2015 Sanftmut, Kreativität, Mitgefühl
Affe 1944, 1956, 1968, 1980, 1992, 2004, 2016 Anpassungsfähigkeit, Raffinesse
Hahn 1945, 1957, 1969, 1981, 1993, 2005, 2017 Stolz, Fleiß, Mut
Hund 1946, 1958, 1970, 1982, 1994, 2006, 2018 Zuvorkommenheit, Besonnenheit
Schwein 1947, 1959, 1971, 1983, 1995, 2007, 2019 Einfühlsamkeit, Liebenswürdigkeit

Rund um das Neujahrsfest wurden zahlreiche Sagen und Mythen überliefert. Eine bekannte Legende handelt von einem Monster namens “Nian”: Einst soll es das ganze Jahr über im Meer geruht haben. Am Ende des Mondjahres soll es schließlich an Land gegangen sein, um Menschen und Tiere mit seinen scharfen Zähnen und Hörnern zu bedrohen.

Jedes Jahr sollen die Menschen vor dem Neujahrsfest in die Berge geflohen sein, um sich vor dem Monster zu verstecken. Eines Tages soll ein alter Mann ein Dorf besucht und den Menschen geraten haben, das Monster durch rote Farben, laute Geräusche und unbekannte Kreaturen zu zähmen. Seitdem feiern die Menschen an diesem Tag des Jahres “Guo Nian” – auf Deutsch so viel wie “den Nian bezwingen”.

Dieses Jahr ist alles anders…

Auch Shuchang würde gerne gemeinsam mit ihren Liebsten den Nian zähmen. Vorerst muss sie das aber digital tun: “Meine Familie hat mir schon Videos geschickt. Sie sind im Moment dabei, zusammen zu kochen. Natürlich wäre ich gerade auch gerne dort. Aber das geht nicht.”

So sieht der Esstisch der Familie He am Neujahrsfest aus. Foto: privat

Dabei wäre sie zu dieser Jahreszeit unter normalen Umständen schon längst nicht mehr in Deutschland. “Wenn Corona nicht gewesen wäre, wäre ich natürlich nach China geflogen”, erzählt die 24-Jährige. “Meine Kommilitonen und ich hatten letztes Jahr schon geplant, den Jahreswechsel in China zu verbringen.” Aber dann sei dort das Corona-Virus aufgetaucht, weshalb sie alle ihre Flugtickets stornieren mussten. Dieses Jahr dürfen Familien in chinesischen Regionen ohne Infektionsgeschehen zwar zusammenkommen – die Situation in Deutschland lässt eine Einreise aber nicht zu.

Trotzdem: Shuchang wird sich einen schönen Abend machen. Deshalb hat sie auch kaum Zeit für ein längeres Interview. Sie trifft sich mit einer Freundin, um gemeinsam zu essen und das Neujahr zu feiern. “Xīnnián kuàilè” sagt sie noch, kurz bevor sie auflegt – “frohes neues Jahr!”

Beitragsbild: unsplash.com/Red Morley Hewitt

Ein Beitrag von
Mehr von Sophia Klimpel
Bitte Nachmachen! – Eine kulinarische Reise nach Nepal
Die meisten verbringen wegen Corona viel Zeit in den eigenen vier Wänden: Home-Office,...
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert