Neues NRW-Versammlungsgesetz: Linke fürchten Einschränkungen

Das Land NRW plant ein neues Versammlungsgesetz. Modern und rechtssicher soll es sein. Polizeigewerkschaft und Landesregierung begrüßen den Entwurf – Kritiker*innen sehen dagegen eine Tendenz zu mehr Befugnissen für die Polizei. Aber was ist denn so kontrovers am Entwurf?

Ob Nazis, Antifa oder Coronaleugner*innen – wer demonstriert, muss sich ans Versammlungsgesetz halten. Und das könnte sich in NRW bald ändern. Die Landesregierung hat einen Entwurf in den Landtag eingebracht. In einer Pressemittelung beschreibt Innenminister Herbert Reul diesen Entwurf als modern und umfassend. Sein Ziel: „ein Gesetz, das zur heutigen Zeit und zu den Menschen passt.“

Eine unpassende Formulierung finden Kritiker*innen wie Medienanwalt Jasper Prigge. Er sieht in dem Entwurf ein Gesetz des Misstrauens. „Der Entwurf unterstellt ja letztlich, dass Versammlungen tendenziell gewalttätig wären“, sagt er. Zwar gebe es auch gute Vorschläge, wie etwa eine Kooperationspflicht der Polizei gegenüber Demoveranstaltenden. Das Negative überwiege allerdings.

Das Störungsverbot

So wäre es laut Gesetzesentwurf etwa verboten „(..) eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, diese zu behindern oder zu vereiteln.“ Kim Schmidt, Pressesprecherin der autonomen Antifa 170, kritisiert an diesem Störungsverbot besonders die unpräzise Formulierung: „Störungen werden in so einer diffusen Art beschrieben, dass selbst Rentner*innen mit Trillerpfeifen neben einer Nazi-Versammlung sich künftig damit strafbar machen könnten.“

Anwalt Jasper Prigge
Anwalt Jasper Prigge   (Foto: Kanzlei Prigge)

Der Entwurf sieht tatsächlich keine klare Definition des Begriffs Störung vor. Es gibt lediglich den Hinweis, dass das Ausmaß einer Störung für das Verbot unerheblich sei. Konkret bedeutet das: egal wie schwerwiegend eine Aktion ist – sobald sie stören soll, wird sie strafbar. Das gilt insbesondere auch für sogenannte „Blockadetrainings“. Solche Trainings wären auch ohne konkretes Ziel der Umsetzung unzulässig: „Die Vorbereitung oder Einübung von Störungshandlungen ist auch dann verboten, wenn ein konkretes Versammlungsgeschehen nicht absehbar ist.“, heißt es im Entwurf.

Innenminister Reul verteidigt dieses Vorgehen: „Es kann nicht sein, dass Störer üben dürfen, wie man andere am besten beim friedlichen Demonstrieren stört.“ Es hätten alle Teilnehmenden ein Recht auf Schutz und friedliche Versammlungen. Anwalt Prigge hält dagegen, dass Blockadetrainings laut einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW zulässig sind. Er glaubt, dass die Landesregierung dieses Urteil mit dem neuen Versammlungsgesetz aushebeln möchte. Das will man anders regeln“, sagt Prigge, „weil einem offensichtlich diese Blockaden von Nazigegnern, selbst wenn sie nach ihrem jetzigen Rechtsstand zulässig sind, nicht gefallen.“

Das Militanzverbot – Wird der Schwarze Block verboten?

Auch das Militanzverbot will die Landesregierung verschärfen. Laut Entwurf wäre in Zukunft das Tragen von Uniformen und ähnlichen gemeinschaftlichen Merkmalen verboten, sofern sie Gewaltbereitschaft vermitteln. Antifaschistische Gruppierungen sehen dadurch direkt den Schwarzen Block gefährdet. Bei dieser Demonstrationstaktik tragen die Teilnehmenden unauffällige schwarze Kleidung. So ist die Identifizierung einzelner Personen durch Polizeibeamt*innen oder Rechtsextremist*innen schwieriger.„Wann genau eine Versammlung ‘aggressiv oder provokant’ wirkt, entscheidet laut Entwurf die Polizei. Das lässt viel Spielraum, um Versammlungen willkürlich zu verbieten.“, kritisiert Kim Schmidt.

Beim schwarzen Block gehe es auch nicht nur um den Schutz vor Identifizierung, sagt Prigge, sondern auch um das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppe. Und für diese Zugehörigkeit könne man nicht strafrechtlich belangt werden. „Bei dem Versammlungsgesetz geht es darum, Gefahren abzuwehren. Wenn ich Gefahren abwehren will, muss ich an der Gefahr anknüpfen und nicht an der Zugehörigkeit bestimmter Personen zu einzelnen Gruppen.“, betont er.

Dr. Christos Katzidis, Sprecher des Arbeitskreises für Inneres der CDU-Landtagsfraktion, distanziert sich von einem generellen Verbot des Schwarzen Blocks als Demonstrationstaktik. „Gleichförmiges Auftreten, insbesondere durch Uniformen oder andere Kleidung, kann harmlos sein – dann ist es weiterhin erlaubt.“, betont er. Die Vorausetzung für ein Verbot sei ja die zusätzliche Einschüchterungswirkung, die durch Gewaltbereitschaft erzielt werde. Darüber entscheide im Einzelfall die Kreispolizeibehörde.

Für die Gewerkschaft der Polizei NRW ist die Formulierung des Militanzverbots klar genug. Pressesprecher Stefan Hegger argumentiert damit, das Neutralitätsgebot zu bewahren. „Solche Richtlinien sollten nicht nur bei rechtsradikaler Gesinnung gelten.“, sagt er. Auf die Frage, ob etwa auch Taktiken wie die Maleranzüge von Ende Gelände für ihn unter das Verbot fallen würden, antwortet er deutlich: „Bei der Formulierung habe ich klare Bilder im Kopf: Hooligans, Ende Gelände, Neonazis.“

Tendenz zu strikteren Auflagen

Das Militanzverbot und das Störungsverbot seien dabei nur die problematischen Aspekte, die in der Öffentlichkeit hauptsächlich diskutiert würden. Insgesamt auffällig im Entwurf sei auch die Tendenz zu stärkeren Einschränkungen und einem höherem Maß an Kontrolle, sagt Jasper Prigge. So sei etwa an etlichen Stellen der Versuch zu erkennen, striktere Auflagen durch die Polizei zu rechtfertigen. Der Entwurf unterliegt allerdings noch dem parlamentarischen Prozess und damit möglichen Änderungen. Ob das Versammlungsgesetz in dieser Form beschlossen wird, bleibt daher abzuwarten.

Zum Nachlesen: Versammlungsgesetz Entwurf

Teaser- und Beitragsbild: pixabay, lizenziert nach Pixabay Lizenz.

 

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