Wenn aus Tinder und Co. Blind-Dating wird

Liebe auf den ersten Blick – das klingt für uns alle nach einer Traumvorstellung. Dating Apps wie Tinder, Lovoo und Co. machen es aber möglich. Innerhalb weniger Sekunden sehen wir ein Bild, scannen es und entscheiden, ob es uns gefällt oder nicht. Wir wischen es nach links, wenn es uns nicht anspricht oder nach rechts, um ein Like zu geben. Für Maik ist es anders. Denn er kann die Bilder nicht sehen. Der 28-jährige Student ist seit seiner Geburt blind. Und trotzdem benutzt er Lovoo, Tinder und Co.

Dating über Umwege

120.000 blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen. So viele registrierte das statistische Bundesamt 2019 in Deutschland. 120.000 Menschen, die eine Sehkraft von gerade einmal fünf Prozent oder weniger besitzen. Einer der Betroffenen ist Maik. Eigentlich heißt Maik anders, möchte aber anonym bleiben. Bei der Geburt hatte er noch eine Sehkraft von fünf Prozent, doch auch die verschwand über die Zeit. Das hindert ihn aber nicht daran, seine Traumfrau über eines der Mainstream Dating-Portale zu suchen. Auch wenn er dabei anders vorgehen muss als die meisten anderen.

„Bei Tinder habe ich das Prinzip ‚Alles Liken, was geht‘ genutzt. Also ich habe alles nach rechts gewischt, weil ich keine visuelle Auswahlmöglichkeit hatte. Das heiß nicht, dass ich nicht anspruchsvoll war. Sondern das heißt eben, dass ich keine andere Wahl hatte als alles nach rechts zu swipen um dann zu gucken, wer chattet mit mir und wie chattet die Person mit mir?“

Bei Tinder hat Maik das Problem, dass in der Beschreibung meist nur der Instagram-Name oder sogar gar kein Text steht. Über Hobbys, Beruf und Charakter erfährt er dort nichts. Aus diesem Grund kann Maik nur mit dieser Methode herausfinden, ob ihm eine Person sympathisch ist. Allerdings ist er nicht nur bei Tinder unterwegs: Bei Lovoo geht er anders vor. Dort hilft ihm die Bedienungshilfe „VoiceOver“ von Apple. Das ist eine Funktion, die alle Texte vorliest, die auf dem Handydisplay stehen. Dazu gehören auch Daten wie Name, Alter und Info der Nutzer*innen auf Lovoo. Und auch die Chats werden mit der Funktion vorgelesen.

Es fehlt an Barrierefreiheit

Allein im Jahr 2018 haben insgesamt 8,8 Millionen Deutsche Online-Dating-Angebote genutzt. Dass darunter auch Menschen mit einer Behinderung sind, ist selbstverständlich. Und auch wenn es in Sachen Barrierefreiheit voran geht, reicht das noch lange nicht aus, findet Maik. Er sagt: „Ein Großteil der Apps sind mittlerweile halbwegs barrierefrei, aber ich glaube, das ist eher unbeabsichtigt“. Er sieht als Grund dafür die strengen Richtlinien und Anforderungen der Handyhersteller, um Apps veröffentlichen zu dürfen. Dabei geben die Dating-Portale an, für alle Menschen offen zu sein. Tinder erklärt zum Beispiel in einer Stellungnahme:

„Bei Tinder ist jeder willkommen, und wir bemühen uns um ein integratives Umfeld. Wir ermutigen unsere Mitglieder, authentisch zu sein und sich selbst treu zu bleiben. Letztendlich trifft jeder für sich selbst Entscheidungen, mit einem Swipe nach links oder rechts.“

Und trotzdem müssen Menschen mit einem Handicap wie Maik auf Hilfen zurückgreifen, die von externen Anbietern kommen – oder auf Verdacht hin- und herswipen. Denn Funktionen zum Vorlesen von Texten, eine Sprachsteuerung oder ähnliche Hilfen gibt es bei Tinder, Lovoo und Co. noch nicht. Lediglich Parship bietet die Nutzung eines eigenen Screenreaders an.

Alternativen nicht zufriedenstellend

Doch neben dem Mainstream gibt es auch noch andere Portale. Unter anderem auch Seiten, die extra für Menschen mit einer Behinderung gemacht sind. Die bekanntesten Beispiele: handicap-love.de und behindertendates.de. Diese Seiten haben eine Gemeinsamkeit: Sie basieren nicht auf dem Eindruck durch Bilder. Um sich anzumelden, müssen Nutzer*innen zuerst eine Art Steckbrief erstellen. Aufgrund dessen können andere dann entscheiden, ob einem eine Person sympathisch ist, oder nicht. Daraufhin folgt ein Feld, indem das jeweilige Handicap eingetragen wird. Zuletzt ist es auch noch möglich, sich auf einem Foto zu präsentieren. Für Maik hat dieses Konzept einen großen Vorteil:

„Bei Plattformen, die extra für Schwerbehinderte sind, ist es nicht so oberflächlich wie bei Tinder. Weil die Leute mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Die Seiten sind allerdings wirklich eine Niesche. Und ich weiß nicht, ob ich mir vorstellen könnte, mit jemandem zusammen zu sein, die beispielsweise nicht gehen kann. Das ist aber sehr behindertenspezifisch und jeder denkt da anders.“

Er könne sich aber vorstellen mit einer Frau zusammen zu sein, die auch sehbehindert ist. Aber darauf festlegen möchte er sich nicht. Daher ist er weiterhin auf Tinder, Lovoo und den anderen Mainstream-Apps unterwegs. Für Maik bedeutet das zwar mehr Aufwand, aber der ist es ihm wert.

Teaser- und Beitragsbild: Pixabay/amrothman, lizenziert nach CC

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