Uni nur online: Lohnt sich ein Umzug für Erstis überhaupt?

Die Uni läuft weiter ausschließlich digital und Studipartys gibt es auch nicht. Lohnt sich ein Umzug für die Erstis überhaupt?

Sich mit Kommiliton*innen anfreunden, die neue Stadt erkunden und im Hörsaal sitzen – so sieht der Semesterstart normalerweise aus. Für viele Erstsemester ist es deshalb selbstverständlich, für ihr Studium umzuziehen. Aber wie sinnvoll ist ein Umzug, wenn die Vorlesungen nur online stattfinden?

Dieses Semester ist definitiv anders, als wir es uns vorgestellt haben. Auch für Informatik-Ersti Jessi. Sie ist für ihr Studium an der FH Dortmund aus der Nähe von Bielefeld hergezogen: „Drei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln dauert ein Weg. Pendeln wäre gar nicht gegangen.“ Und schließlich hatten die Hochschulen ein Semester mit Teilpräsenz geplant – doch dann kam der zweite Shutdown.

Viele Vorteile des Umzugs fallen weg

„Ich war noch nie auf dem Campus“, stellt Jessi fest. Damit ist sie nicht allein: So gut wie kein Ersti war bisher dort. Mit dem Kennenlernen der Kommiliton*innen sieht es daher schlecht aus. Auch die Vorlesungen über Zoom sind kein Ersatz, denn „die Aufmerksamkeit ist dann eh auf den Prof gelenkt und die Leute sind online schüchterner“, sagt Jessi.

„Man kann nicht dasselbe Gefühl für Dortmund bekommen, wie man es im Normalfall bekommen würde.“

Und was ist mit dem Kennenlernen von Dortmund selbst? Wieder Fehlanzeige. Restaurants, Clubs und Geschäfte sind größtenteils geschlossen, Studipartys fallen aus. Deshalb finden Erstsemester wie Jessi an ihren neuen Wohnort kaum Anschluss. „Man kann nicht dasselbe Gefühl für Dortmund bekommen, wie man es im Normalfall bekommen würde“, sagt sie.

Ein Umzug ist stressig. Und die Vorteile – neue Freund*innen und die Stadt kennenlernen – fallen weg. Wieso sollten Erstis also überhaupt für ihr Studium umziehen?

Was spricht gegen Hotel Mama?

Wie der Unibetrieb weitergeht, bleibe unklar, sagt Christian von Coelln, Vorsitzender des Hochschulverbands NRW. Laut von Coeelln planen die meisten Unis, nach Corona wieder zum „Normalbetrieb zurückzukehren, angereichert mit digitalen Elementen“. Es ist gut möglich, dass etwa Vorlesungen weiter aufgezeichnet werden. Dann ist weniger Präsenz an der Uni nötig als bisher. Das spräche dafür, nicht umzuziehen.

Und in der Heimat zu bleiben, ist meist bequemer: Strom, Verträge, Einkaufen – all das können die Eltern übernehmen und man muss nicht erst eine bezahlbare Wohnung finden. Außerdem zögern Erstis das lästige Erwachsen-Werden noch etwas hinaus.

Genau das ist allerdings ein Punkt, der für einen Umzug spricht. Studierende werden selbstständiger, orientieren sich und lernen dazu. Für Jessi passt ein Umzug gut zu einem neuen Lebensabschnitt, der mit dem Studium ohnehin beginnt. Zu Hause zu bleiben, war für sie keine Option.

„Wieso sollte ich in Köln sein, wenn ich nicht muss?“

Viele Studierende sehen das anders, wie Karla. Sie studiert im dritten Semester mehrsprachige Kommunikation in Köln – verbringt aber die meiste Zeit in ihrer Heimat Aalen, nahe Stuttgart: „Wieso sollte ich in Köln sein, wenn ich nicht muss?“

Klara hat noch ihre Wohnung in Köln, aber momentan studiert sie lieber von ihrer Heimat Stuttgart aus.
Karla hat noch ihre Wohnung in Köln, aber momentan studiert sie lieber von ihrer Heimat aus. Foto: Privat

Das hat mehrere Gründe, und der wichtigste ist wohl die Angst, in Köln zu vereinsamen. Karla hat dort zwar Freund*innen und Kommiliton*innen, aber der Kontakt zu ihrer Familie in der Heimat sei einfach sicherer. „In Köln ist die Situation mit Corona nochmal ganz anders als bei uns auf dem Land“, sagt sie.

„Ich bin trotz allem froh, dass ich hergezogen bin“

Trotzdem hält sie die Verbindung zu ihrem Studienort aufrecht. Ihr Mietvertrag läuft weiter, sie facetimed regelmäßig mit ihren Mitbewohnern und fährt für die nächste Prüfungsphase auf jeden Fall zurück nach Köln. In einem Jahr muss sie ein Auslandssemester machen. Wenn die digitalen Vorlesungen erhalten bleiben, kehrt sie danach möglicherweise gar nicht nach Köln zurück, sondern schließt ihr Studium von der Heimat aus ab. Sicher ist aber nichts. Langfristig will und kann Karla nicht planen.

Ob Online-Vorlesungen oder nicht: Jessi bleibt auf jeden Fall in Dortmund wohnen. „Ich bin trotz allem froh, dass ich hergezogen bin“, sagt die 20-Jährige. Hier hat sie ihre Mitbewohner – so bleibt wenigstens ein bisschen was vom Studileben.

Wie ihr aus dem Online-Semester das Beste rausholt, könnt ihr hier lesen.

Teaser- und Beitragsbild: flickr.com/Jens-Olaf Walter, lizenziert nach CC.

Ein Beitrag von
Mehr von Josiane Speckenwirth
KURT – Das Magazin: Sommer am U, Nachhaltige Jagd und Müll in der Stadt
Immer mehr Menschen verzichten auf Fleisch. Ein Grund dafür ist die Massentierhaltung....
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert