Musliminnen und Muslime müssen den Ramadan auch dieses Jahr unter Corona-Bedigungen verbringen. Wie geht es ihnen damit? KURT hat zwei muslimische Studierende an einem typischen Ramadan-Tag begleitet. Eine Reportage.
Es ist halb vier in der Nacht. Draußen ist alles still. Während die Straßen noch schlafen, klingelt Omars Wecker. Für ihn und andere Muslime ist Sahur-Zeit. Sahur, das ist im islamischen Fastenmonat Ramadan die letzte Mahlzeit vor Anbruch der Morgendämmerung. Ab dann, in Deutschland ungefähr um 4.30 Uhr, wird er bis zum Sonnenuntergang um 21 Uhr weder essen noch trinken. Im trüben Schein der Küchenlampe schmiert sich Omar ein Stück von dem arabischen Fladenbrot, dass ihm für den ganzen Tag reichen muss. Er packt Gurken drauf und Käse. Allein sitzt er in seinem Wohnzimmer und trinkt dazu arabischen Tee.
Die Einsamkeit ist schwer zu ertragen
Er erinnert sich an die familiäre Stimmung zu Hause in Ägypten. „Sahur allein vorzubereiten – das ist schwer zu ertragen“, sagt der Machinenbau-Student. Der Fastenmonat ist für Muslime auf der ganzen Welt auch immer ein Monat der Gemeinschaft. In Deutschland gäbe es keine richtige Stimmung in Ramadan. Es sei alles anderes – besonders, da man in der Corona-Zeit ohnehin kaum jemanden treffen könne. „Ramadan kann man nie allein verbringen, vor allem ohne Familie und Freunde”, sagt Omar.
Draußen beginnt es langsam zu Dämmern. Omar schaut ein paar Sekunden aus dem Fenster – und macht sich dann bereit für das Morgengebet. Nach dem Gebet zieht er auch schon missmutig seine Schuhe an. Er muss zur Arbeit – neben seinem Studium arbeitet er Vollzeit in einem Lager in Kamen.
Hektisches Einkaufen am Nachmittag
Um 10 Uhr beginnt auch Mohammad zu arbeiten. Omars Mitbewohner studiert Bauingenieurwesen im Master an der Uni Bochum und arbeitet im Homeoffice für ein Ingenieurbüro in London. „Die Arbeit im Ramadan während des Fastens ist so hart”, sagt er, „man denkt, dass die Zeit überhaupt nicht vorangeht. Und irgendwann funktioniert das Gehirn nicht mehr richtig.“
Nach der Arbeit geht er einkaufen und besorgt Lebensmittel für den Iftar, das Fastenbrechen. Besonders in der Nordstadt gibt es viele arabische und türkische Läden. Es ist kurz vor 17 Uhr – während des Ramadans Hauptverkaufszeit. In der Hektik rennen und kaufen alle, bis die Bankkarte raucht – damit sie rechtzeitig um Viertel vor neun das Fasten brechen können. Während all dem zieht aus den Läden der Duft von Süßigkeiten und frisch gebackenem Brot auf die Straßen. Manche nennen Münsterstraße auch Araberstraße, da es dort diesen Hauch orientalischer Stimmung gibt.
In einem der vielen Läden kauft Mohammed Fladenbrot. Das Brot ist ganz frisch. Er berührt das Brot kurz und riecht tief mit geschlossenen Augen. „Das erinnert mich an meine Heimat und die Bäckerei in unserer Straße. Aber nichts ist wie zu Hause“, sagt er. In einem Supermarkt kauft er Hähnchenstücke und Kunafa. Kunafa ist eine levantinische warme Süßspeise aus einem besonderen Käse (Quark) Kadayif. An diesem Abend gibt es Hähnchen mit Kartoffeln. Das schnellste Gericht, um es vorzubereiten und zu kochen. „In meinem Heimatland habe ich selten gekocht. Und in der Fremde man muss ja lernen, alles allein zu erledigen“, sagt er. Das Essen brutzelt bald schon auf dem Herd, der Tisch ist halb gedeckt und sein Magen knurrt. Aber noch ist die Sonne nicht untergegangen.
Neue Aktion: Iftar-To-Go
Traditionell wird am Abend das Fasten im großen Kreis der Familie und Freunde oder in der Moschee gebrochen und durch gemeinsame Gebete begleitet – aufgrund der aktuellen Lage ist dies kaum möglich. Alternativ kann man auch zum gemeinsamen Fastenbrechen und Beten in die Moschee – besonders bei vielen Studenten und anderen Alleinlebenden ein beliebtes Angebot. Aber das ist in Corona-Zeiten ganz unmöglich. Um das zumindest teilweise zu ersetzen, bieten viele Moscheen zurzeit Iftar-To-Go an.
Das nimmt Omar gern an. Denn Zeit zum Einkaufen und Kochen hat er nach Feierabend und Heimfahrt kaum noch. Die Sonne geht schon langsam unter. Es gibt Reis mit Bohnen, Soße und ein paar Dattelstücke, dazu etwas Ayran.
Das Fasten allein zu brechen, das fällt sowohl Mohammad als auch Omar sehr schwer. „So eine psychische Belastung habe ich noch nie erlebt“, sagt Mohammad. Auch online zusammen mit der Familie in Ägypten das Fasten zu brechen, ist wegen der Zeitverschiebung sehr schwer. „Wenn sie das Fasten brechen, bin ich noch bei der Arbeit oder auf dem Weg nach Hause. Und wenn ich das Fasten breche, sind sie weg. Sogar im Gefängnis in Ägypten hatte ich so ein Gefühl nicht“, erzählt Omar, der nach Protesten gegen den Militärputsch 2013 für zwei Jahre inhaftiert war, „trotz aller Schwierigkeiten konnten wir wenigstens miteinander das Fasten brechen. Aber die Freiheit steht über allem“.