Die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund steht vor dem Aufstieg in die 3. Liga und RW Essen könnte das Nachsehen haben. Mal wieder klaut eine Zweitvertretung einem Traditionsverein den Startplatz im Profifußball. Statt der Reserveteams könnten deutlich attraktivere Klubs aufsteigen. KURT-Autor Till Neuhaus findet, Bundesliga-Amateure haben nichts im Profifußball zu suchen. Ein Kommentar.
Die DFB-Statuten benötigen eine Revolution – im Sinne der Traditionsvereine. Die 3. Liga ist in Deutschland momentan die höchste Spielklasse, in der die Bundesliga-Amateure antreten dürfen. Doch ist eine Zweitvertretung dort erst einmal angekommen, so spielt sie um die „goldene Ananas“. Obwohl die U23 des FC Bayern im vergangenen Jahr Drittligameister wurde, durften sie laut Regelwerk nicht in die zweite Bundesliga aufsteigen – und das ist auch richtig so.
Während kleinere Traditionsvereine in der 3. Liga um ihre Existenz kämpfen, fehlt den Reservemannschaften der Bundesligisten jede Ambition, im Profifußball überhaupt erfolgreich zu sein. Wofür spielt eine Reservemannschaft dann überhaupt? Am Ende spielt jeder Spieler für sich selbst. Aus Eigeninteresse und für seine eigene sportliche Zukunft. Sie alle wollen sich eigentlich nur für die erste Mannschaft ihres Vereins empfehlen. Der Erfolg der Mannschaft scheint erst einmal zweitrangig zu sein. Mit sportlichem Wettbewerb hat das nichts zu tun. Deshalb sollten Bundesliga-Amateure auch nicht in der 3. Liga starten.
Wettbewerbsvorteile auf allen Ebenen
Größere Vereine wie Borussia Dortmund oder der FC Bayern können massiv Einfluss auf die Stärke ihrer zweiten Mannschaft nehmen. Infrastrukturelle und personelle Vorteile verschaffen den großen Klubs enorme Wettbewerbsvorteile. Im Scouting-Bereich können die Großen auf ein breites und professionelles Netzwerk zurückgreifen, um ihre U23 zu verstärken. Das resultiert vor allem aus dem wirtschaftlichen Erfolg der Profimannschaft. Dieser erlaubt es auch den Managern der zweiten Mannschaften, bessere Spieler mit attraktiven Gehältern zu ködern.
Schon allein der Blick auf die Marktwerte der Regionalliga West verdeutlicht die Wettbewerbsvorteile der Reservemannschaften. Laut einer Statistik von „transfermarkt.de“, hat die U23 von Borussia Dortmund einen Kaderwert von 5,7 Millionen Euro. Das ist mehr als doppelt soviel wie bei den Traditionsvereinen Preußen Münster oder Alemannia Aachen. Mal tritt für den BVB eine Truppe mit ihrem eigenständigen Kader an. Aber manchmal schicken die Dortmunder auch Bundesligaprofis in die zweite Mannschaft, weil sie in einer unterklassigen Liga Spielpraxis sammeln sollen. So tauchte in dieser Saison Felix Passlack im Kader der Regionalligamannschaft auf. 2019 feierte die U23 sogar mit Profis wie Shinji Kagawa und Sebastian Rode einen deutlichen Sieg gegen RW Essen.
Fußball lebt durch seine Fans
Zudem sind Amateurteams, mal ungeachtet der Corona-Pandemie, wahrlich keine Zuschauermagneten. Während Traditionsvereine wie RW Essen oder Alemannia Aachen von tausenden Fans zu den Auswärtsspielen begleitet werden, sind es bei Amateurmannschaften wenn überhaupt nur ein paar hunderte. Bei einer zeitgleichen Spielansetzung der Profis ist es schließlich logisch, dass die erste Mannschaft die Zuschauermassen lockt – ganz zum Nachteil der Atmosphäre der 3. Liga. Und genau diese Atmosphäre zeichnet den Fußball aus. Denn der Fußball lebt durch seine Fans.
Der DFB muss aktiv werden
Dass Verantwortliche und Funktionäre der großen Vereine einen Nutzen in ihren Zweitvertretungen sehen, ist legitim. Nachwuchsspieler sollen sich auf hohem Niveau entwickeln, damit der Schritt in den Profifußball gelingt. Fakt ist, dass kein Verein nur wegen seiner Reputation oder Fanbasis aufsteigen sollte. Doch damit sich die 3. Liga nicht zur Liga für zweite Mannschaften entwickelt, bedarf es neue Lösungen und klare Regeln. Regeln, die im Sinne der Traditionsvereine und Fußballfans sind.
Und das ist kein unrealistischer Tagtraum von einem dieser Traditionsfans – sondern ein umsetzbarer Lösungsvorschlag. Das zeigt ein Blick nach England. Dortzulande spielen die Zweitvertretungen in der „Premier League 2“ gegeneinander. Talente großer Vereine könnten so weiterhin auf hohem Niveau Spielpraxis sammeln. Dadurch haben viele kleinere englische Traditionsvereine die Möglichkeit, wieder in die höheren Ligen aufzusteigen. Ein Modell, das auch in Deutschland funktionieren kann.
RW Essen, RW Oberhausen oder Alemannia Aachen sind nur einige wenige große Namen des deutschen Fußballs. Vereine mit einer jahrzehntelangen Tradition, zu denen unabhängig der Ligazugehörigkeit eine Menge Fans kommen. Viele dieser Klubs sind jedoch in der Versenkung verschwunden. Ohne Zweitvertretungen würden deutlich attraktivere Vereine ihren Weg zurück in den Profifußball finden. Und das wäre für die kleineren Klubs, die beteiligten Städte und für fast alle Fans ein großer Gewinn. Doch ob der DFB sich dieser Debatte zeitnah annimmt und Lösungen im Sinne des Fußballs forciert, ist wohl eher ein Wunschdenken. Denn dieser hat im Moment wieder einmal eigene Führungskonflikte zu lösen.
Wie die beteiligten Vereine zum Thema Reserveteams in der dritten Liga stehen, lest ihr hier. KURT-Autor Tim Geisemann hat mit dem RWE-Vorstandsvorsitzenden Marcus Uhlig und dem sportlichen Leiter der BVB-U23 gesprochen.
Beitragsbild: Magnus Terhorst