Diese Studi-Themen haben es in den Koalitionsvertrag geschafft

Ampel zeigt Grünes Licht

Die Ampel-Parteien SPD, FDP und die Grünen halten den Koalitionsvertrag in den Händen. Er umfasst 177 Seiten und eine Menge Versprechen. Die Parteispitzen haben am Mittwoch (24.11.) um 15 Uhr präsentiert, was in der Zeit der Koalitionsverhandlungen entstanden ist. Der Politikwissenschaftler Prof. Matthias Kortmann von der TU Dortmund hat im Gespräch mit KURT.digital gecheckt, welche Studi-Themen es in den Koalitionsvertrag geschafft haben.

KURT: Wie viel ist von den Wahlversprechen der Grünen, mit Blick auf das Thema Klima, noch hängengeblieben?

Kortmann: Naja, 100 Prozent jedenfalls nicht. Das war auch nicht anders zu erwarten. Ich glaube, es ist ausgeglichen. Es ist sowohl auf der Haben- als auch auf der Soll-Seite etwas zu verzeichnen. Es wurde das durchgesetzt, was mit den Partnern SPD und FDP durchzusetzen war. Wo die Grünen Abstriche machen mussten, ist vor allem der Bereich Verkehr. Da hat sich in weiten Teilen die FDP durchgesetzt. Das heißt, es gibt kein Tempolimit und es gibt auch kein Verbot des Verbrennungsmotors. Was es geben wird, ist der Kohleausstieg bis 2030, der idealerweise angestrebt wird. Das heißt, in dem Bereich können die Grünen auf jeden Fall darauf verweisen, dass sie Forderungen im Koalitionsvertrag auch durchgesetzt haben. Auch insofern, als dass sie sehr zentrale Ministerien für sich gewonnen haben, die im Bereich der Klimapolitik wichtig sind. Aber es sind doch eben auch zentrale Bereiche, in denen man sich nicht durchzusetzen konnte.

Das wurde in Sachen Klima beschlossen
Diese Themen gehören dazu: 15 Millionen Elektroautos bis 2030, 80% des Stroms aus erneuerbaren Energien ab 2030, Klima-Sofortprogramm, Kohleausstieg „idealerweise“ bis 2030, mehr Solarenergie auf Dächern und Ausbau der Windkraft.
Daraus ist nichts geworden
Unter anderem: Energiegeld, Tempolimit, Veto-Recht gegenüber Gesetzen mit klimaschädlicher Wirkung, verbindlicher Kohleausstieg bis 2030 und das Verbrennungsmotor-Verbot.

KURT: Wie sieht es mit dem Thema Steuern aus? Es soll ja keine Steuererhöhungen geben. Auf der anderen Seite sind die Maßnahmen zum Beispiel für den Klimaschutz sehr teuer. Wie schätzen Sie das ein? 

Kortmann: Das ist bisher ein großer Kritikpunkt an dem Vertrag. Das haben Sie eigentlich bei jedem Koalitionsvertrag, in dem immer viel versprochen wird und am Ende die Frage offen bleibt, wie das Ganze finanziert wird. Die Frage der Finanzierung wird von vielen Variablen abhängig sein. Es ist beispielsweise davon abhängig, wie gut die Wirtschaft in den nächsten vier Jahren läuft, wie schnell wir aus der Pandemie herauskommen, wie viel Geld sozusagen übrig ist an Steuermitteln, die der Staat investieren kann. Das bleibt also abzuwarten.

KURT: Es wird kein Digitalisierungsministerium geben. Was hat sich im Bereich der Digitalisierung ergeben?

Kortmann: Das Problem mit dem Digitalisierungsministerium wäre gewesen, dass es sehr schwer ist, da konkrete Kompetenzen festzulegen. Insofern ist es vielleicht auch etwas unterbelichtet im Koalitionsvertrag und es sind eher vage Ankündigungen. Wenn man aber über Digitalisierung spricht, dann geht es eben auch um sehr konkrete Maßnahmen, die so konkret sind, dass man sie im Koalitionsvertrag nicht unbedingt aufnehmen würde. Insgesamt ist es zwischen den Parteien ja unstrittig, dass man die Digitalisierung gerne möchte. Deshalb neigt man dazu, eher vage zu bleiben, weil man das Gefühl hat,  sich nicht auf konkrete Formeln verständigen zu müssen. Das ist aus Sicht vieler junger Wähler sicher etwas unzufriedenstellend.

Mehr zum Digitalisierungsministerium
In der vergangenen Legislaturperiode gab es bereits das “Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur”. Für die kommende Regierung war ein eigenes Digitalisierungsministerium im Gespräch. Daraus ist aber nichts geworden.

KURT: Die Cannabis-Legalisierung ist vor der Wahl sehr kontrovers diskutiert worden. Warum haben die Parteien die Legalisierung trotzdem schon festgeschrieben?

Kortmann: Das ist wieder eines der Themen, in denen sich die Parteien einig waren. Diese Einigkeit beruht durchaus auch auf der Einschätzung von Fachleuten, die eine staatlich kontrollierte Abgabe befürworten. Sie argumentieren, dass selbst dann, wenn man Cannabis für problematisch hält, die Illegalisierung nicht sinnvoll ist, weil Cannabis ja augenscheinlich trotzdem konsumiert wird. Gleichzeitig hat die gesellschaftliche Akzeptanz einer Legalisierung in den letzten Jahren zugenommen. Die Präferenzen der drei Ampel-Parteien in dieser Frage haben nun also dazu geführt, dass man sich auf eine Legalisierung geeinigt hat.

KURT: Was hat Sie bei der Verteilung der Ministerien überrascht?

Kortmann: Was den Zuschnitt der Ministerien angeht, ist vieles von dem erwartbar gewesen. Gerade, dass das Finanzministerium an die FDP ging. Ich denke, dass man sonst von Seiten der FDP diese Koalition nicht gemacht hätte. Ein bisschen überraschend finde ich vielleicht, dass das Verkehrsministerium bei der FDP gelandet ist, weil sich die Grünen das Thema im Wahlkampf sehr auf die Fahne geschrieben haben. Aber man muss eben auch sehen, dass sich die FDP in der Verkehrspolitik inhaltlich in den Verhandlungen in weiten Teilen durchsetzen konnte. Deswegen hat es auch aus Sicht der Grünen Sinn ergeben, das Amt der FDP zu überlassen. Bei den anderen Ministerien bin ich weniger überrascht.

Ministerien der Grünen
Wirtschafts- und Klimaministerium (Robert Habeck)
Außenministerium (Annalena Baerbock)
Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium (Cem Özdemir)
Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Anne Spiegel)
Ministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Steffi Lemke)
Ministerien der FDP
Finanzministerium (Christian Lindner)
Justizministerium (Marco Buschmann)
Ministerium für Verkehr und Digitales (Volker Wissing)
Ministerium für Bildung und Forschung (Bettina Stark-Watzinger)
Ministerien der SPD
Innen- und Heimatministerium
Ministerium für Arbeit und Soziales
Verteidigungsministerium
Gesundheitsministerium
Ministerium für Bauen
Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
*Red. Anm.: Bis zum Redaktionsschluss am 26.11. hat die SPD noch keine Ministerkandidat*innen vorgestellt.
KURT: Für welche Partei wird es nun am schwierigsten, diesen Vertrag abzusegnen?

Kortmann: Es wird für die Grünen am schwierigsten werden. Einfach deswegen, weil man im Wahlkampf mit anderen Erwartungen gestartet ist. Man hat auch bis heute vielleicht noch nicht das Wahlergebnis verdaut, nur Dritter geworden zu sein. Die Möglichkeit war ja nie so günstig für die Grünen wie in diesem Wahljahr angesichts der Klimakrise, die nun auch als solche anerkannt wird. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von sichtbaren Auswirkungen, wie den Unwettern im vergangenen Sommer. Der Wahlkampf hat sich dann für die Grünen aber anders entwickelt, als erhofft. Für sie wird es also am schwierigsten werden, zumal sie ja auch die Basis befragen werden. Ich rechne dennoch mit einer einigermaßen deutlichen Zustimmung, weil es dann doch die Erkenntnis geben wird, dass mehr als das Ergebnis mit den beiden Partnern nicht durchzusetzen war. Ich glaube, dass es auf den Parteitagen von SPD und FDP eine deutliche Zustimmung geben wird.

 

Beitragsbild: Pixabay / flutie8211

 

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