Biokohle für Ghana: Wie Isaac Asirifi den Hunger bekämpfen will

In Westafrika leiden viele Menschen Hunger. Der Ghanaer Doktorand Isaac Asirifi will helfen. Er fand heraus, dass sich Ernteerträge durch Biokohle verbessern lassen. Im Interview spricht der 32-Jährige über seinen akademischen Werdegang, die Theorie und Praxis seiner Forschung an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und warum ihm die Arbeit in der Landwirtschaft lange Zeit gar nicht gefiel.

Isaac, wie kommt es, dass du dich dem Problem der Nahrungsmittelversorgung in Ghana widmest?

Ich bin der Sohn eines Bauern aus Nkawkaw, einer Kleinstadt im Zentrum Ghanas. Meine Familie ist nicht reich. Als einziger Sohn musste ich schon in meiner Kindheit auf den Feldern helfen. Dass ich mich später mal in der Landwirtschaft engagieren würde, wurde mir also quasi in die Wiege gelegt. In der Großstadt Tamale im Norden von Ghana habe ich dann Agrartechnik studiert und mich auf Biotechnik spezialisiert. Bis ich nach Bochum kommen konnte, um hier meinen Master und nun auch meinen Doktor zu machen, war es ein langer Weg. Aber wenn du hart arbeitest, vertrauenswürdig bist und ehrlich mit den Menschen umgehst, dann kannst du alles schaffen. Das ist mein Lebensmotto.

Also hat dich der Ackerbau schon als Kind fasziniert?

Nein, tatsächlich hat mir die Arbeit gar keinen Spaß gemacht. Das Leben als Bauer sehen die meisten Menschen in Ghana als eine Art Strafe an. In Ghana ist kaum eine Farm mit Technik ausgestattet. Man läuft erst einmal mehrere Stunden bis zu den Feldern, um dann harte und schweißtreibende Arbeit zu verrichten. Am wenigsten mochte ich es, Ziegen zu hüten. Darin war ich immer ziemlich schlecht, und manchmal ist auch eine Ziege unter meiner Aufsicht gestorben. Sehr zum Ärger meines Vaters.

Wie kommt es, dass du trotzdem Agrartechnologie studiert hast?

In Ghana arbeiten circa 60 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Aber eigentlich möchte jeder gerne einen anderen Beruf haben. Drei meiner Schwestern sind zum Beispiel Lehrerinnen geworden. Auch ich wollte als Kind später mal eine andere Arbeit haben. Mein Wunsch war es, Doktor zu werden und deshalb habe ich viel gelernt, um immer gute Noten zu schreiben. Als ich dann aber studieren konnte, habe ich mich trotzdem für ein Studienfach mit Agrarbezug entschieden. Weil ich es als meine Verantwortung sehe, den Menschen in Ghana zu helfen. Das kann ich eben am besten in der Landwirtschaft. Mein Ziel ist es, dass die Menschen sich mit ausreichend Lebensmitteln versorgen können und so der Armut entkommen.

Mittlerweile machst du deinen Doktor am Lehrstuhl für Bodenkunde und Bodenökologie an der Ruhr-Universität Bochum. Wie ist es dazu gekommen?

Tatsächlich hat das alles mit einer schicksalhaften Begegnung zu tun. Nachdem ich den theoretischen Teil meines Bachelors an der Universität Tamale absolviert hatte, habe ich für ein Jahr im Labor der Universität geforscht. Dort habe ich Steffen Werner kennengelernt, einen deutschen Geologen, der heute beim Geologischen Dienst Nordrhein-Westfalen arbeitet. Er hat mir empfohlen, mich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für ein Stipendium zu bewerben. Das hat geklappt und so bin ich hier.

Wie genau hast du Steffen Werner kennengelernt?

Steffen fiel mir auf, weil er hektisch durch das Labor lief und so wirkte, als bräuchte er Hilfe. Ich habe ihn dann einfach angesprochen und ihm gezeigt, wie die Laborgeräte in Tamale funktionieren. In Ghana sind Arbeitsräume ganz anders ausgestattet als hier in Deutschland. Hier ist alles im besten Zustand, in Ghana waren die meisten Geräte veraltet oder beschädigt. Mit einem Rütteln hier und einem Klopfen da, haben sie dann aber doch meisten funktioniert. Das steht natürlich in keiner Gebrauchsanweisung, deshalb habe ich Steffen alles gezeigt. Er war so dankbar für meine Hilfe, dass er mir eine Stelle als Forschungsassistent angeboten hat. So konnte ich an einem Projekt mitarbeiten, welches das Ziel hatte, die Ressourceneffizienz in afrikanischen Ländern zu steigern.

Was hast du bei diesem Projekt genau erforscht?

Wir wollten herausfinden, wie sich die Bodenqualität in drei Vegetationszonen in Ghana verbessern lässt, um so den Ertrag der Bauern zu steigern. Dafür haben wir Bodenproben genommen in der Küstensavanne im Südosten des Landes, im Laubmischwald im Landesinneren und in der Guinea-Savanne in Norden, wo es nur einmal pro Jahr regnet. Das Ergebnis: Die Böden sind viel zu sauer, wodurch sich keine essenziellen Mikroorganismen im Boden ansiedeln können, die die Fruchtbarkeit steigern. Im Laufe der Untersuchungen haben wir ein effektives und kostengünstiges Mittel gefunden, welches dieses Problem lösen kann: Biokohle.

In allen drei Vegetationszonen muss Isaac den Effekt der Biokohle auf das Pflanzenwachstum testen.

Warum ist Biokohle so geeignet?

Bringt man sie in die obersten 15 bis 20 Zentimeter des Ackerbodens ein, so lässt sich der Ertrag um rund 20 Prozent steigern. Das liegt daran, dass sie den Säuregehalt des Bodens reduziert. In den vielen kleinen Hohlräumen können die Mikroorganismen gedeihen. Das Beste an der Biokohle ist, dass sie gleich vor Ort von den Bauern erzeugt werden kann. Denn dafür muss man nur Pflanzenmaterial unter Sauerstoffarmut verbrennen. Dafür sind keine aufwendigen oder teuren Apparate notwendig und das Pflanzenmaterial liegt den Bauern in Form von Ernteabfällen sowieso schon vor.

Was passiert denn bisher mit diesen Ernteabfällen?

Die Ernteabfälle werden in Ghana in der Regel unter freiem Himmel einfach verbrannt, dadurch wird jede Menge CO2 freigesetzt, was schlecht fürs Klima ist. Bei der Methode zur Herstellung von Biokohle wird dieses CO2 im Boden gebunden. Es handelt sich also um ein klassisches Win-Win-Szenario für Klima und Mensch.

Dieses Projekt wurde ja mittlerweile beendet. Was erforschst du jetzt?

Im Grunde genommen führe ich die Bodenuntersuchungen weiter. Ziel ist es, nun zu klären, ob der Effekt der Biokohle auf die Bodenqualität und somit den Ernteertrag nachhaltig ist. In Bochum forsche ich dazu tiefergehend mit aufwändigeren Analysetechniken. Dabei habe ich herausgefunden, dass die Wirkung der Biokohle nach dem ersten Jahr abnimmt. Mischt man aber Asche hinzu, so bleibt die Wirkung auf die Mikroorganismen im Boden länger erhalten. Außerdem wird es so noch günstiger für die Bauern, denn Asche lässt sich in Ghana überall finden. Circa 80 Prozent aller ghanaischen Familien kochen nämlich auf Holz- oder Kohlefeuern, wodurch Asche als Abfallprodukt entsteht.

Mit gewöhnlicher Asche vermischt ist die Biokohle noch effektiver.

Gibt es schon Pläne, wie deine Forschungsergebnisse in die Tat umgesetzt werden sollen?

Ja, dafür plane ich Anwendungshinweise, Zielgruppendiskussionen und Workshops vor Ort. Letztendlich muss man den Bauern die Ergebnisse zeigen. Sonst bleiben sie misstrauisch. Erzählt man ihnen nur davon, werden sie einem nicht glauben, deshalb muss ich ihnen unbedingt alles zeigen. Für mich steht fest, dass ich nach der Doktorarbeit nach Ghana zurückkehre, um meine Forschungsergebnisse dort anzuwenden.

Wie war es denn für dich nach Deutschland zu kommen?

Die Umstellung war anfangs nicht ganz einfach. Natürlich vermisse ich meine Familie, meine Freunde und die vielen traditionellen Feste in Ghana. Nichtsdestotrotz kann ich mich hier über nichts beschweren. Die Menschen sind sehr freundlich zu mir, besonders das Team an der RUB. Der größte Kulturschock für mich war, dass mein Professor bei seinem Vornamen genannt werden möchte. In Ghana sind Titel sehr wichtig und es gilt als respektlos, einen Professor ohne seinen Titel anzusprechen. Bis heute habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich Professor Marschner nur Bernd nenne.

Am besten an Deutschland gefällt mir, dass die Universitäten ihren Studierenden so viele Mittel zur Verfügung stellen. Man muss nur gut erklären können, wofür man welche Geräte oder Ressourcen braucht, und die Universität stellt sie einem bereit. In Ghana wäre das undenkbar und das ist wirklich ein großes Problem. Denn dort gibt es viele schlaue Köpfe, die aber leider nicht die Mittel bekommen, um ihre Forschung umsetzen zu können.

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