Das kostbare Rot in uns: Was Blutspenden so relevant macht

Blutspenden tun nur die wenigsten – zu wenige. Und das obwohl Blutkonserven eine enorm wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung spielen. Aber für welche Patientengruppen sind sie relevant? Und warum ist der Blutmangel so dramatisch?

Hierfür werden die Blutspenden anteilmäßig verwendet. Grafik: Anna Bolten

Vielseitig relevant

Ob ein schwerer Autounfall, eine Herz-OP oder etwa eine Geburt mit starken Nachblutungen – meist sind es solche blutigen Szenarien, die vermuten lassen, dass Blutkonserven zum Einsatz kommen. „Das ist aber nur eine TV-Verkläre“, weiß Marc Raschke, Leiter der Unternehmenskommunikation des Klinikum Dortmunds. „Auf die Gesamtmenge bezogen, sind Unfälle nur ein kleiner Teil, wo wir tatsächlich Bluttransfusionen gebrauchen.“

Für OPs sieht es ähnlich aus: Abgesehen von schweren Operationen am Bauch oder an Blutgefäßen verlaufen sie in der Regel blutarm, wie Raschke weiß. „Bei Operationen, die eine höhere Wahrscheinlichkeit als zehn Prozent für eine Blutung haben, müssen die Chirurgen Konserven in petto halten. Ganz oft geben sie die Konserven dann aber zurück, weil sie nicht gebraucht wurden“, weiß Chefärztin und Institutsleitung der Labormedizin Dr. Kathrin Schmolke vom St. Johannes Hospital in Dortmund.

Nicht in jeder Operationen werden Blutspenden benötigt, weiß Dr. Kathrin Schmolke vom St. Johannes Hospital in Dortmund. Bild: Dr. Kathrin Schmolke

Tatsächlich spielt gespendetes Blut besonders bei Erkrankungen mit chronischem Blutverlust eine größere Rolle. So zum Beispiel als häufige Begleiterscheinung bei Krebs. Laut Deutschem Roten Kreuz (DRK) werden etwa 19 Prozent der Blutspenden für Patient:innen mit Krebserkrankungen genutzt. Fast ebenso relevant sind Blutkonserven bei Herz- sowie Magen- und Darmerkrankungen. Erst daraufhin folgen laut DRK die Verletzungen durch Unfälle mit einem Anteil von zwölf Prozent und schließlich mit noch kleineren Anteilen Erkrankungen an Nieren, Leber und Knochen sowie Krankheiten des Blutes und Komplikationen bei Geburten.

Was die Wenigsten wissen: „Frühchen müssen, wenn sie auf die Welt kommen, relativ regelmäßig Blut abgenommen bekommen. Aber so viel Blut haben die manchmal gar nicht im Körper, deshalb bekommen selbst sie schon mal eine Bluttransfusion“, berichtet Raschke. „Das ist dann in der Regel nicht viel mehr als ein Schnapsglas voll.“

 

Wie kommt das Blut von der Blutspende zu den Patient:innen?
Haben die Spender:innen den Blutbeutel vollgemacht, wird zunächst eine Blutprobe davon im Labor auf ansteckende Krankheiten gecheckt: Erst wenn aus dem Labor grünes Licht kommt, darf die Konserve benutzt werden.

Zunächst füllen die Spender:innen je einen dieser Beutel mit Vollblut.
Bild: Anna Bolten

Dazu wird sie in einer Zentrifuge bei 3500 Umdrehungen pro Minute geschleudert, sodass sich durch die entstehenden Fliehkräfte das sogenannte Blutplasma, die weißen Blutkörperchen (Thrombozyten) und die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) voneinander trennen. Daraufhin kommt der Blutbeutel in eine Art Presse, die die Blutbestandteile unter Druck gleichmäßig aus dem Beutel presst und so das gelbgefärbte Blutplasma in einen andere Blutkonserve kommt als die Erythrozyten und Thrombozyten. Letztere machen einen so geringen Anteil aus, dass gleich vier bis sechs Spenden dieser zusammen in einen Beutel kommen. Das Konzentrat aus roten Blutkörperchen wird zuletzt noch einmal gefiltert.

Daraufhin folgt der Transport der Blutbestandteile in die sogenannten Blutdepots, wie es eins im Labor von Dr. Kathrin Schmolke im St. Johannes Hospital Dortmund gibt. Die Beutel mit den Blutbestandteilen werden vor Ort in die elektronische Datenbank aufgenommen und schließlich in Kühlboxen gelagert. „Die Erythrozytenkonzentrate werden dabei nach Blutgruppen getrennt einsortiert und auf Auffälligkeiten untersucht wie Schäden, Farbveränderungen oder Klumpen“, erklärt Dr. Schmolke.

Bevor dann Patient:innen auf Station eine Blutkonserve bekommen, führen Schmolke und ihre Mitarbeitenden eine sogenannte Kreuzprobe im Labor durch. Diese entscheidet vor jeder Bluttransfusion, welche Blutkonserve aus dem Bestand zum Blut der Empfänger passt. Dazu wird im Labor eine Blutprobe der Patient:innen auf die Blutgruppen A, B, AB oder 0 und den Rhesusfaktors überprüft. Letzterer gibt an, ob spezielle Eiweiße auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen vorhanden sind (positiv) oder nicht (negativ).

Für die Kreuzprobe werden die Erythrozyten der Spender:innen mit dem Blutserum vom Empfänger gemischt. Wenn es dabei zu einer Verklumpung der roten Blutkörperchen kommt, ist das Spenderblut für diesen Empfänger nicht geeignet – und es muss weiter getestet werden bis die passende Blutkonserve gefunden wurde und schließlich zu den Patient:innen gebracht werden darf.

Rotes Gold ist Mangelware

Blutspenden sind Mangelware.
Bild: Anna Bolten

Dass Blut unabdingbar in der medizinischen Versorgung ist, ist bekannt. Das Problem: Es herrscht Blutmangel. Von den 30 Prozent der Menschen in Deutschland, die spenden könnten, tun es lediglich drei. Und die Anzahl der Spender:innen nimmt laufend ab: „Dass weniger gespendet wird, liegt an der Alterspyramide. Man darf in der Regel bis 65 Jahren spenden, aber es sind nicht genug die nachkommen“, erklärt Kathrin Schmolke. Außerdem kommt ein Großteil der Bevölkerung jetzt in das Alter, in dem sie Blut brauchen, weil wir beispielhaft zunehmend Krebspatient:innen haben, beschreibt Raschke.

Besonders kritisch ist die Lage um Blut der Blutgruppe null negativ. Dieses sogenannte Universalblut ist das einzige, von dem beinahe jede:r eine Transfusion erhalten kann – es ist universell verträglich. Deshalb wird es in Notfällen unverzichtbar, wenn keine Zeit für eine Kreuzprobe bleibt. Das Nullblut haben aber nur sechs Prozent der Spender:innen in Deutschland, mahnt Dr. Schmolke. „In der Klinik brauchen sie jedoch tendenziell eher 60 Prozent.” Diese Not erlebt Schmolke regelmäßig: “Erst letzte Woche war in der Blutbank in unserem Depot die Schublade mit null negativem Blut leer, bis auf unseren Sonderposten. Da wird einem schon ein bisschen mulmig.”

Keine Alternative aus dem Labor

Dr. Christian Temme vom Uniklinkum Essen weiß um den Mangel an Alternativem zum menschlichen Blut. Bild: Dr. Christian Temme

Und es existiert kein Plan B: „Es gibt aktuell kein kommerziellen Sauerstoffträger, der Blut ersetzt“, betont Dr. Christian Temme, Oberarzt für Transfusionsmedizin am Uniklinikum Essen.

Das liegt vor allem an der komplexen Zusammensetzung und Vielzahl an Funktionen des menschlichen Blutes: So sind zum Beispiel „die roten Blutkörperchen unter anderem für den Sauerstofftransport zuständig“, erklärt Dr. Uwe Cassens, Institutsleiter für Transfusionsmedizin am Klinikum Dortmund. Das Blutplasma transportiert hingegen etwa Abfallstoffe.

Bereits diese Beispiele zeigen: „Künstliches Blut herzustellen, ist im Volksmund gesagt wahrscheinlich eine Nummer zu groß“, mutmaßt Cassens. So wie auch künstliche Organen längst nicht so funktionsfähig sind wie die menschlichen. „Nieren, Herzen und Blut können wir einfach nicht so gut wie der Körper“, führt der Transfusionsmediziner fort.

Erste Ansätze für künstliche Sauerstoffträger gibt es zwar zum Beispiel in Frankreich, wo Forschende Algen getestet haben, die roten Blutfarbstoff produzieren. Bisher funktioniert das aber nur in kleinen Mengen und noch nicht keimfrei, erinnert Dr. Cassens.

Hinzu kommt, dass künstliches Blut als Arzneiprodukt gilt und aufwändige Studien durchlaufen muss, erklärt der Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuz West Stephan David Küpper. „Forscher müssen zweierlei erreichen: Erstens zeigen, dass das Arzneimittel nicht schadet und zweitens nachweisen, dass es hilft“, beschreibt Dr. Cassens. „Die künstlichen Sauerstoffträger, die ich kenne, haben den ersten Schritt schon nicht geschafft.“

Mut zur Blutspende

Studierende können zum Beispiel beim Klinikum Dortmund oder beim Deutschen Roten Kreuz, das mit seinem Blutspendemobil manchmal auch auf dem Campus steht, Blut spenden gehen.
Bild: Anna Bolten

Spenden bleibt also aktuell die einzige Möglichkeit, Patient:innen mit Blut zu versorgen. Der Vorteil für die Spender:innen: Bei Blutspenden werden die Blutwerte kontrolliert. „Spender sind die am besten überwachte Bevölkerungsgruppe überhaupt“, bemerkt Dr. Kathrin Schmolke.

„Ich weiß, dass es Mut kostet, aber wenn man als spendetauglich befunden wird, dann finde ich, sollte man unbedingt diese Chance nutzen, der Gesellschaft nützlich zu sein“, führt Schmolke aus. „Denn zu spenden ist relativ einfach, kostet nicht viel Zeit – und spätestens, wenn man selbst oder Angehörige eine Blutspende benötigen, weiß man es zu schätzen. Denn das verändert den Blick auf das kostbare Medikament Blut.”

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Titelbild: Anna Bolten 

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