Zwangsstörung – So kann die psychische Erkrankung aussehen

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Zählen, Händewaschen oder schnell nochmal den Herd kontrollieren, bevor man das Haus verlässt – Was für viele Menschen alltäglich erscheint, ist für andere eine unvermeidbare Handlung. Menschen mit einer Zwangsstörung müssen bestimmte Verhaltensweisen immer wiederholen. Das kann teilweise nach außen hin nicht sichtbar sein.

Angst vor den eigenen Gedanken? Ein innerer Drang bestimmte Inhalte zu denken und Widerstand gegen diesen zu leisten – Das kann eine Zwangsstörung sein. Betroffene erkennen an, dass der Inhalt ihrer Gedanken und Handlungen sinnlos ist und können sich auch von diesen distanzieren. Trotzdem sind sie durch die Zwänge teilweise stark im Alltag eingeschränkt.

Privatdozent (PD) Dr. med. Andreas Wahl-Kordon, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (Foto: HOSCHKE & CONSORTEN / Felix Groteloh)

Bei einer Zwangsstörung leidet man entweder unter Zwangsgedanken, Zwangshandlungen oder beidem. Zwangsgedanken sind immer wiederkehrende und anhaltende Gedanken, die als aufdringlich und ungewollt empfunden werden. Betroffene stellen sich beispielsweise Gefahrensituationen vor, die häufig Angst und großes Unbehagen hervorrufen. Zwangshandlungen hingegen sind die Reaktion auf die aggressiven Zwangsgedanken.

Betroffene sehen sich gezwungen, Zwangshandlungen durchzuführen, um gefürchteten Ereignissen vorzubeugen. Dabei kann es sich um wiederholende Verhaltensweisen wie Händewaschen oder Ordnen handeln. Aber auch mentale Handlungen wie Beten oder Zählen sind Zwangshandlungen.

Privatdozent (PD) Dr. Andreas Wahl-Kordon ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Schwarzwald. Er konzentriert sich unter anderem auf die Versorgungs- und Psychotherapieforschung von Zwangsstörungen. Er sagt, häufig handle es sich bei Betroffenen um sehr friedliebende Menschen, bei denen die Zwangsgedanken meist komplett gegen das eigene Wertesystem sprechen. Fast jeder kenne solch aufdringliche Gedanken – Menschen mit einer Zwangsstörung würden diese jedoch ganz anders bewerten.

Viele Menschen kontrollieren doch noch einmal, ob der Herd wirklich aus ist. Ist das schon zwanghaft? PD. Dr. Wahl-Kordon erklärt, ein Anhaltspunkt liege bei mindestens einer Stunde Beschäftigung mit Zwängen pro Tag.

„Menschen mit einer Zwangsstörung setzen alles daran, diese Situation zu vermeiden […]. Sie gehen teilweise nicht mehr alleine aus dem Haus“

Symptomatik und Folgen einer Zwangsstörung

Neben unangenehmen und intensiven Zwangsgedanken sind Angst, Anspannung, Verzweiflung und Unruhe sowie Zweifel an der Richtigkeit von Handlungen weitere Symptome. Meist verleugnen Betroffene diese aufgrund von Schamgefühl und nicht selten ergibt sich auch eine depressive Symptomatik.

Typische Themen von Zwangsgedanken können Aggression, Religion, Sexualität, Krankheit oder Vergiftung sowie Ordnung und Streben nach Symmetrie sein. Die Art der Zwangssymptome kann sich über die Zeit jedoch verändern.

Laut der S3-Leitlinie Zwangsstörungen erleiden etwa ein bis drei Prozent der gesamten Bevölkerung einmal im Leben eine solche Krankheit. Dabei ist der Verlauf meist chronisch. Dennoch ergibt sich bei frühzeitiger Behandlung oftmals eine gute Prognose.

Das durchschnittliche Ersterkrankungsalter liegt bei 20 Jahren, wobei für Männer die Erkrankung häufig schon in der Kindheit beginnt. Bestimmte Lebensereignisse, wie eine Schwangerschaft, Tode von Angehörigen oder sexuelle Probleme, lassen sich bei etwa 50 bis 70 Prozent der Betroffenen im Vorfeld der Erkrankung ausfindig machen.

Eine Zwangsstörung kann für die erkrankten Personen schwerwiegende Folgen haben. Neben der Einschränkung des Alltags, können Betroffene sich auch aus ihrem sozialen Umfeld zurückziehen und weitere psychische Erkrankungen entwickeln. Eine frühe Diagnose und geeignete Therapie sind daher unbedingt notwendig.

Hier bekommst du Hilfe

Erste Anlaufstelle ist immer der Hausarzt oder die Hausärztin. Sollte man jedoch sofortige Hilfe benötigen, kann auch die Telefonseelsorge (Tel. 0800 1110111 oder 0800 1110222) zur Seite stehen.

Beitragsbild: Canva / siriwannapatphotos

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1 Kommentare

  1. says: Marie Busch

    Meine Cousine leidet glaub ich an einer Zwangsstörung. Da ich selten mit diesem Thema zu tun hatte, ist es gut zu wissen, wie diese aussehen können. Ich hoffe, dass ich ihr helfen werden kann.

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