„Ich habe einfach angefangen, zu nähen.“

Über 20.000 Instagram-Fans, mehrere Kollektionen im Jahr und eine Ausstellung bei der Fashion Week. Die Marke Unvain Studios hat in der deutschen Modeszene Fuß gefasst. Was dafür nötig war, verrät Gründer Robert Friedrichs im Interview.

Man sieht Robert Friedrichs direkt an, dass er in Berlin wohnt. Beim Zoom-Interview trägt er einen schwarzen Blazer, darunter ein dunkelgrünes, verwaschenes Tanktop. Von der Brust wandert ein abstraktes Tattoo bis an den Hals hinauf. Es wirkt wie das Ornament an einem gotischen Kirchentor. Darüber eine Kette mit zwei kegelförmigen Anhängern. Der Ring an seinem rechten Ohr sieht aus wie eine silberne Büroklammer. Seine Haare trägt er blondiert und im Buzzcut. Es ist ein Erscheinungsbild, mit dem er auffällt – zumindest außerhalb der Hauptstadt.

In Berlin gründete er 2020 seine Modemarke Unvain Studios. Nebenbei erstellt er Youtube-Videos zum Thema Mode, hat dort mittlerweile über 14.000 Abonnenten. Design hat er nicht studiert. Das ist heutzutage auch nicht mehr notwendig. Über Websites wie createfashionbrand.com produzieren professionelle Fabriken die Designs der Quereinsteiger. Preise und Mindestabnahmen sind dabei einsteigerfreundlich. Sich auf dem Modemarkt zu etablieren, ist leichter geworden. Doch nur, weil jede*r Modemacher*in sein kann, heißt das nicht, dass der Weg zum Fashionolymp ein leichter ist. Im Interview erzählt Robert Friedrichs, wie er es trotzdem geschafft hat.

Wann hast du angefangen, dich mit Mode zu beschäftigen?

Mode spielt schon sehr lange eine Rolle in meinem Leben. Ich habe schon mit 15 oder 16 extrem darauf geachtet, wie ich nach außen wahrgenommen werde. Zu der Zeit habe ich auch schon erste Designs gemacht und auf T-Shirts gedruckt. Die Leidenschaft ist zwischenzeitlich aber auch wieder verloren gegangen.

Wolltest du schon damals eine eigene Marke gründen?

Das ist tatsächlich zufällig entstanden. Während Corona habe ich Mode wieder neu für mich entdeckt und dann einfach angefangen zu nähen. Und weil es damals nicht die Schnitte gab, die ich gerne gehabt hätte, habe ich mir meine ersten Hoodies, Sweatpants und T-Shirts gemacht. Meine Mum hat mir das ein bisschen beigebracht. Und so kam die Faszination für Mode wieder. Du arbeitest den ganzen Tag an einem Piece, also an einem Kleidungsstück, und am Ende hast du wirklich etwas in der Hand, was du anziehen und benutzen kannst. Ich habe auch ein paar Hoodies an meine Freunde verkauft und die haben dann gesagt „Du müsstest das eigentlich verkaufen.“ Das habe ich einfach gemacht. An dem Punkt war schon klar, dass ich eine Marke gründen will. Das war ein Impuls. Davor habe ich nie großartig darüber nachgedacht.

Zu der Zeit hast du auch deinen Youtube-Channel gestartet. Wie kam es dazu?

Viele kennen mich vor allem von YouTube und denken, dass ich auch damit angefangen und dann erst die Brand gestartet habe. Aber eigentlich war es umgekehrt. Ich habe mir gedacht, ich brauche Reichweite, um meine Pieces zu verkaufen. Und deshalb habe ich mit Youtube angefangen. Zu der Zeit war Corona noch sehr präsent und so bin ich wieder in Kontakt mit Leuten gekommen, selbst wenn es nur online war. Außerdem hatte ich einfach Lust darauf.

Gab es denn irgendetwas, was du auf YouTube anders machen wolltest als andere Mode-Youtuber*innen?

Ich wollte auf jeden Fall ein paar neue Formate reinbringen. Ich habe zum Beispiel „Was trägt Berlin?“ gemacht. Hier in Berlin gibt es fast keine anderen Fashion Youtuber, obwohl das eine der Fashion-Hauptstädte ist. Deswegen fand ich es total interessant, den ganzen Street Style ein bisschen einzufangen, weil Berliner ja schon irgendwie einen anderen Stil haben als der Rest von Deutschland.

Du bist in Rostock aufgewachsen. Das klingt nach einem starken Kontrast zu Berlin.

Ja, Rostock hat auf jeden Fall nicht viel mit Mode zu tun. (lacht) Jeder kennt jeden und redet richtig viel über den anderen. Das ist irgendwie voll der komische Vibe, wenn man sich ein bisschen ausleben möchte. Dann bin ich nach Berlin gekommen und auf einmal ist es jedem egal, was du trägst und was du machst. Das ist ein völlig neues Gefühl von Freiheit gewesen.

Um noch einmal auf deine Anfänge zurückzukommen: Du hast deine erste Kollektion sehr früh veröffentlicht. Zwischen deinem ersten Video und dem ersten Drop von Unvain Studios lagen vielleicht ein paar Monate. Warum ging das so schnell?

Ich hatte die Brand schon ein halbes Jahr, bevor ich überhaupt mit YouTube angefangen habe. Da war die Kollektion schon fertig. Das heißt, sie musste raus. Und das waren schon 650 bis 700 Pieces. Da habe ich viel Geld reingesteckt. Ich musste releasen und habe zu dem Zeitpunkt einfach versucht, so viel Reichweite wie möglich aufzubauen. Möglichst viele Videos auf YouTube zu posten. Ich glaube beim ersten Drop hatte ich nur 1500 oder 2000 Abonnenten. Richtig crazy war dann, dass nach dem ersten Tag schon 400 Pieces weg waren. YouTube hat eine große Macht.

Warum ist das so?

Ich habe das Gefühl, dass die Leute dich durch die Videos auch als Person kennenlernen. Das kannst du gar nicht mit Instagram vergleichen. Das ist eine ganz andere Connection. Wenn du mit 1500 Abonnenten auf Instagram deine Kollektion droppst, kannst du glücklich sein, wenn du vielleicht 30 bis 40 Teile verkaufst. Mit YouTube anzufangen war auf jeden Fall einer der wichtigsten Schritte.

Glaubst du, YouTube ist ein Muss, wenn man mit seiner eigenen Brand Erfolg haben will?

Ein Muss ist es nicht. Man sieht viele Brands, die es auch so schaffen. Aber wenn du schneller Erfolg haben willst, ist klar, dass du vorher ein bisschen Reichweite brauchst, damit die Leute dich überhaupt auf dem Schirm haben. Und auf anderen Wegen Werbung zu machen, ist schon echt teuer. Zum Beispiel wenn du Popup Stores aufmachst oder Events veranstaltest. Da erleichtert Youtube den Start einfach. Es kostet im Endeffekt gar nichts. Die Videos kannst du mit dem Handy aufnehmen.

Apropos Events: Du hast auf der Berliner Fashion Week ausgestellt. Wie war das?

Sehr spannend. Eigentlich war eine Show bei der Fashion Week geplant. Das hat leider nicht funktioniert. Ich habe tatsächlich ein bisschen unterschätzt, wie viel Aufwand das ist. Man denkt, man macht das einfach, aber es ist sehr, sehr, sehr viel Arbeit und Geld, das da drinsteckt. Und das alles nur für zehn Minuten. Das ist schon verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Wir haben die Kollektion stattdessen in einem Popup gezeigt, bei dem man die Pieces dann zum ersten Mal sehen und auch kaufen konnte. Die Leute haben das super aufgenommen. Nebenbei gab es auch eine Ausstellung im Berliner Salon, wo ich auch zwei Looks von mir präsentiert habe. Da waren viele Presseleute, zu denen ich vorher gar keine Connections hatte. Die Fashion Week war auf jeden Fall erfolgreich, aber auch extrem anstrengend.

Also ganz schön viel Aufmerksamkeit. Hast du damit gerechnet, als du die Brand gestartet hast?

Überhaupt nicht. Ich bin da total naiv rangegangen. Ich hatte einfach Bock, Klamotten zu machen, die ich gerne hätte. Es ist schön, wenn jemand kauft, aber ich hätte niemals erwartet, dass es in dieser Zeit so groß wird. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich überhaupt davon leben kann. Ich zahle mir auch erst seit ein paar Monaten selbst etwas aus. Das zu realisieren war schon krass. Dass das jetzt mein Job ist.

Machst du immer noch alles allein?

Ich habe schon immer gerne Sachen ausgelagert, aber mir nie Leute dazu geholt. Meine Mum macht zum Beispiel meine Buchhaltung und meine Steuern. Sie macht schon seit 20 Jahren Buchhaltung, also passt das perfekt. Dann habe ich seit kurzem ein externes Lager mit Kundensupport. Das hatte ich vorher alles selbst gemacht. Mittlerweile kümmere ich mich nur um organisatorische Sachen, aber vor allem um den kreativen Part. Also neue Kollektionen, Shootings und alles drumherum.

Hast du bei den ersten Kollektionen alles selbst genäht?

Ja, für die erste Kollektion habe ich die Samples, die Beispielstücke, allein genäht. Die fertigen Pieces wurden dann bei einer Produktion in Istanbul hergestellt. Mittlerweile ist das Sampling auch komplett ausgelagert. Ich erstelle von hier aus die Produktionsdateien, die mein Schneider in Istanbul dann umsetzt. Nicht nur weil es so entspannter für mich ist. Mittlerweile sind die Sachen zu kompliziert. Damals habe ich nur Hoodies und Sweatpants gemacht. Das konnte ich auch allein. Aber bei den neueren Sachen sind zum Beispiel auch Mäntel dabei. Oder Bomberjacken mit mehreren Layern. Da brauchst du jemanden, der das schon 10 bis 20 Jahre macht, um das umzusetzen.

Wie sieht denn der Designprozess bei dir aus?

Das ist total unterschiedlich. Die Inspiration kommt bei mir von allen möglichen Dingen. Aber generell versuche ich mir immer Situationen vorzustellen, in denen man das Piece gerne anziehen würde. Die besten Pieces sind die, bei denen man sofort eine Situation im Kopf hat. Bei mir kommt die Inspiration oft, wenn ich selbst in so einer Situation bin. Dann denke ich mir: „Dieses Piece würde jetzt so einen geilen Vibe kreieren, so ein gutes Gefühl in mir auslösen.“ Ich glaube allgemein, dass die beste Kunst irgendetwas in dir auslöst. Deswegen ist es gut, Sachen aus dem Gefühl heraus zu machen.

Hast du ein Beispiel?

Wir hatten jetzt dieses Paisley-Hemd mit Stick. Da stelle ich mir vor: „Du gehst in einer warmen Sommernacht mit Kollegen in einem feinen Lokal was essen oder trinken.“ Oder in der Aftermath-Kollektion gab es einen Blazer mit einer abnehmbaren Weste. Da habe ich daran gedacht, dass man auf einer richtig schicken Afterparty in einer Villa ist.

Hast du Vorbilder in der Modewelt?

Ich bin großer Fan davon, wenn man es heutzutage noch schafft, eine neue Ästhetik zu etablieren. Zum Beispiel Kiko Kostadinov. Das ist zwar eigentlich nicht so mein Ding, aber ich finde es krass zu sehen, wenn jemand etwas Neues macht.

Wen würdest du gern mal in einem Unvain Studios Piece sehen?

Ich bin ein großer Fan von TheWeeknd. Seine Musik inspiriert mich und meine Designs extrem. Ihn in einem Unvain Piece zu sehen wäre für mich das krasseste, was passieren könnte. Dann könnte ich aufhören.

 

Beitragsbild: Robert Friedrichs

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