Nach dem Karnevalsauftakt ist die Empörung in der Bevölkerung wieder groß: Schwerverletzte und Sexualdelikte machen die Schlagzeilen. Doch das ist kein Grund, den Karneval als Ganzes unter Generalverdacht zu stellen! In Köln hat sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr erheblich gebessert. Ein Kommentar.
Als leidenschaftliche Karnevalistin gehört es sich, am 11. November den Auftakt der fünften Jahreszeit gebührend zu feiern. Für mich geht es also in die Heimat im Westmünsterland, um als Mitglied der Funkengarde auf der Bühne zu stehen und auf das neue Prinzenpaar anzustoßen. Währenddessen bereiten sich meine Freunde in Dortmund und viele andere Karnevalisten auf einen Tag Feierei in Köln vor. In der Karnevalshochburg schlechthin feierten am Sonntag zehntausende Jecken ausgelassen.
Umso ärgerlicher (und für mich als humorvolle Karnevalistin manchmal auch ein bisschen lustig) sind die Tweets von Menschen, die sich über die feiernden Karnevalisten aufregen:
06:00 Uhr:
Auf der Straße sind mir die ersten angetrunkenen Lappenclowns begegnet, die mich “Bützen” wollten….
Ich geh kurz in Sagrotan baden!#Karneval 🤢 pic.twitter.com/hcYGVrY5g2
— Mr. Fernsehgarten ™ 📺 (@Selleman) 11. November 2018
11.11.1918 Compiègne:
Die Hölle von Verdun endet.11.11.2018:
Die Hölle von Verdumm beginnt.#Karneval— alf frommer (@siegstyle) 11. November 2018
Ich kann Menschen die #Karneval feiern einfach nicht ernstnehmen.
— Hannchen (@Hannchen1997) 11. November 2018
Ich verstehe, dass Karneval nicht für jeden etwas ist, und akzeptiere es auch, wenn Leute sagen: “An Karneval bleibe ich lieber zu Hause.” Aber mal ehrlich: Muss man seinen Frust über die eigene Karnevalsunlust überall verbreiten und den Karnevalisten damit das Gefühl geben, sie wären minderbemittelt, weil sie sich verkleiden, fröhlich sind und Karneval feiern? Das nervt total! Akzeptiert Karneval doch einfach als Volksfest!
Trotzdem kann uns natürlich niemand die Lust am Karneval nehmen. Wir Jecken haben unseren Spaß, und wenn sich jemand dazu entscheidet, lieber zu Hause vor dem Computer zu sitzen und rumzumotzen, wie blöd Karneval doch ist – nicht unser Problem!
Schreckliche Zwischenfälle
Was natürlich schon ein Problem ist und uns Jecken sehr traurig stimmt, sind die vielen Unfälle, die an solchen Tagen wie dem Elften im Elften passieren, und häufig mit übermäßigem Alkoholkonsum im Zusammenhang stehen. So fiel ein 25-Jähriger aus einer Dachgeschosswohnung in den Innenhof und zog sich lebensgefährliche Verletzungen zu. Ebenfalls schwer verletzt wurde ein 22-Jähriger, der auf ein Gerüst geklettert war und hinunterstürzte. Ein 51-Jähriger Mann ist am Sonntagabend von einem Zug erfasst worden. Ob er vorher Karneval feiern war, ist noch unklar.
Unentschuldbar, beunruhigend und traurig sind auch die Anzeigen von sexueller Belästigung und einer Vergewaltigung in der Nähe des Doms. Hätten diese Sexualdelikte nicht stattgefunden, wenn niemand den Sessionauftakt gefeiert hätte? Vielleicht. Allerdings können Übergriffe leider überall und zu jeder Tageszeit passieren. So oder so: Die Täter sollten mit aller Härte bestraft werden.
Friedlich trotz Alkoholkonsum
In Bezug auf den Alkoholkonsum muss man einfach sagen: Alkohol gehört zum Karneval dazu wie Ketchup und Mayo zur Pommes. Wahrscheinlich begünstigt Karneval das Sinken der Hemmschwelle für übermäßigen Alkoholkonsum. Trotzdem kann das traditionsreiche Fest für daraus resultierende tragische Vorfälle nicht verantwortlich gemacht werden. Denn: Jeder ist selbst für seinen Alkoholkonsum und seine Taten verantwortlich. Das gilt an Karneval so sehr wie an jedem anderen Tag auch. Und seien wir mal ehrlich: So gut wie jeder hat in seinem Leben mal einen über den Durst getrunken. Das kann an jedem Fest passieren. Ob auf dem Geburtstag des besten Freundes, bei der Hochzeit der großen Schwester, auf der eigenen WG-Party, oder eben an Karneval.
Außerdem gab es auch eine positive Entwicklung: Die im letzen Jahr stark beklagten Sauf-Exzesse und gesichteten Schnapsleichen in Köln sind zurückgegangen. Auch die Alarmierung von Rettungskräften sank um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt ist der Karnevalsauftakt in Köln viel friedlicher verlaufen und auch in den großen und kleinen Karnevalshochburgen in Deutschland war die Stimmung bestens.
Hoffentlich kann der 11.11. in den Großstädten eines Tages vollkommen friedlich verlaufen. Aber bis das passiert, lasst uns die Karnevalszeit so schön wie möglich gestalten und Spaß haben. An alle Hater da draußen: Ihr seid selbst Schuld, wenn ihr keinen Karneval feiern möchtet! Aber habt ihr es überhaupt schon einmal richtig versucht? Ich kenne niemanden, der bei mir im Dorf Karneval gefeiert hat, und nicht begeistert war. Also, springt doch einfach Mal über euren Schatten. Ihr werdet euch wundern, wie viel Gutes dadurch passieren kann.
In diesem Sinne: Helau, Alaaf und Festo!
Beitragsbild: Komitee Kölner Karneval