(Falsch) geparkt, gescannt und geschnappt

Warnblinker an: Die Grünen haben im Dortmunder Stadtrat vorgeschlagen, ein Auto einzusetzen, das Falschparker*innen scannt. Unser Autor hat Bedenken: Folgen womöglich weitere Maschinen, die uns im Alltag überwachen? Eine Glosse ohne angezogene Handbremse.

Eine dunkle, unförmige Silhouette rollt um die Ecke. Ein Koloss aus Blech und einer großen Kamera. Scannend bahnt er sich den Weg durch die enge Straße. Das Scheinwerferlicht trifft mein angsterfülltes Gesicht. Der Kühlergrill grinst mich an. Die Kamera auf dem Dach fixiert die Umgebung und erfüllt mich mit Unbehagen. Dieses Auto, das schon in meiner Vorstellung mehr beobachtet als mir lieb ist, könnte bald durch Dortmund fahren: Es scannt falsch geparkte Autos.

Während das Auto über den Asphalt schleicht, steht ausgerechnet mein Wagen ein paar Zentimeter zu weit vom Bordstein entfernt und – zack! – schon werde ich als Falschparker entlarvt. Genauso ist es in den Niederlanden einer Hausärztin ergangen, die in der Eile kein Ticket gezogen hatte. Auch der ältere Herr, der in zweiter Reihe parkt, um seine Einkäufe ins Haus zu schleppen, hat nun vermutlich das Nachsehen. Dann leuchten die Scheinwerfer des Autos vor Genugtuung auf und die Ordnungswidrigkeiten werden in Sekundenschnelle ins System eingetragen. Effizient, mit kühler Haube und keinem Funken Rücksicht.

Die Idee, ein scannendes Auto auf Dortmunds Straßen loszulassen, stammt aus einem Antrag der Grünen an die Stadt Dortmund. Sie wollen so Unfällen vorbeugen, die durch Falschparken entstehen. Tatsächlich passiert jeder vierte Fußgänger- und jeder siebte Fahrradunfall innerorts aufgrund falsch geparkter Fahrzeuge. So lautet das Ergebnis einer Studie von Unfallforscher*innen, die der Verband der Deutschen Versicherungswirtschaft 2020 herausgegeben hat.

Abgesehen davon wollen die Grünen Geld sparen: Ein scannendes Auto arbeitet nämlich schneller als die Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes. Dass die Straßen damit stärker kontrolliert werden als zuvor, soll die Bürger*innen abschrecken und dazu bewegen, das Auto gleich stehen zu lassen und ein anderes Verkehrsmittel zu nutzen. Erhalte ich für mein falschgeparktes Rad dann auch einen Strafzettel?

Ich verstehe das Anliegen der Grünen ja, aber müssen dafür Maschinen eingesetzt werden? Auf der Straße in dieser Form beobachtet zu werden, bereitet mir Unbehagen: Auch, wenn ich nur für kurze Zeit und weil es gerade nicht anders geht, im Parkverbot stehe, werde ich bestraft. Außerdem wundert es mich, dass ausgerechnet die Grünen mit dieser Idee auf dem Rücksitz vorfahren. Die Partei hat sich doch immer gegen Überwachung und für Datenschutzrechte stark gemacht. Jedenfalls hatte ich diese Position mal in einer Hinterkammer meines Gehirns geparkt. Anscheinend falsch – bekomme ich dafür jetzt auch ein Bußgeld?

Dass die Grünen mit ihrem Vorschlag Erfolg haben, ist wahrscheinlich: Seit November 2021 kann die Stadt an Falschparker*innen nämlich noch mehr Geld verdienen als bislang. Wer sein Auto im Halte- oder Parkverbot abstellt, muss dem Bußgeldkatalog zufolge statt 15 Euro nun 25 Euro zahlen. Steht das Auto dort länger als eine Stunde und behindert andere Verkehrsteilnehmende, werden es 50 Euro.

Die Idee, Falschparker*innen mit einem Auto zu scannen, will die Stadt Dortmund zunächst in einem Pilotprojekt testen. Die Rechtslage ist nämlich nicht eindeutig und es müssen verfassungs- sowie datenschutzrechtliche Probleme beantwortet werden. Schon der Einsatz der Kamera kollidiert mit Fragen des Grundrechts und des Rechts zur informationellen Selbstbestimmung. Wer möchte in der Öffentlichkeit schon überwacht werden? Vor allem, wenn die dafür eingesetzte Technik so unausgereift ist. Das zeigt uns ein Blick übers Lenkrad nach Dänemark, Frankreich oder in die Niederlande: Dort sind die scannenden Autos bereits auf den Straßen und sorgen für empörtes Hupen, da sie viele Verkehrsteilnehmende zu Unrecht erfassen. Doof gelaufen! Mit einem Auto können Betroffene immerhin schlecht diskutieren. Wenn das Straßenverkehrsrecht und die Landesgesetze bei uns jedoch angepasst werden, könnten die scannenden Autos demnächst auch hier eingesetzt werden.

Eine Fahrt nach Singapur macht deutlich, wie umfangreich der öffentliche Raum überwacht werden kann. Während wir in Dortmund darüber diskutieren, ob und wie das Scannen von Falschparker*innen möglich werden kann, werden in Singapur Roboter getestet, die das Fehlverhalten von Menschen auf der Straße sanktionieren. Spätestens jetzt mache ich eine Vollbremsung! Die Menschen in Singapur sind ja gläserner als die Windschutzscheibe meines Autos. Eine 360-Grad-Kamera scannt dort alle, die beispielsweise pöbeln, in verbotenen Zonen rauchen oder ihr Rad falsch parken. Wird Singapur Dortmunds neues Vorbild?

Ähnlich wie der penetrante Geruch eines Duftbaums den Innenraum meines Autos, erfüllt mich die Vorstellung eines scannenden Autos auf den Straßen mit Wehmut und Angst. Wehmut, weil das Zwischenmenschliche verloren geht. Anders als die Mitarbeiter*innen des Ordnungsamts kann das Auto kein Auge (oder einen Scheinwerfer) zudrücken, wenn ich beim Falschparken erwischt werde und ich versuche, die Situation in einem Gespräch zu klären. Angst, weil auf die scannenden Autos womöglich Roboter wie in Singapur folgen könnten. Die Befürworter*innen der Technik, die zum Einsatz kommt, würden mir an dieser Stelle wahrscheinlich raten, meine Bedenken in den Kofferraum zu packen und damit wegzufahren. Aber, wo kann ich denn dann mal eben halten, um meine Sorgen vor einer Ära voller Überwachung abzuladen, ohne erneut ein Knöllchen zu kassieren?

Illustration: Leon Hüttel

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