Sag mal Prof, wie viel arbeiten ist eigentlich gesund?

  1. Mann sitzt an einem Schreibtisch mit dem Kopf auf dem Tisch und einer Tasse Kaffee in der Hand.

Regelmäßig fragen wir hier die, die uns im Hörsaal die Welt erklären: unsere Professor*innen und Doktorand*innen. Können sie uns wohl auch alltägliche Fragen beantworten? Sag mal Prof, wie viel arbeiten ist eigentlich gesund? Dieses Mal antwortet Professor Dr. Marcel Kern. An der Ruhr-Universität Bochum hat er die Juniorprofessur für Angewandte Psychologie in Arbeit und Gesundheit.

Eine Stundenzahl, ab wann die Arbeit zu viel wird, lässt sich schwer festsetzen. Wer zwölf Stunden arbeitet, dem fehlt zwangsläufig der Feierabend. Es gibt trotzdem Menschen, die zwölf Stunden arbeiten und in allen Untersuchungen kerngesund sind. Andere sind hingegen schon nach sechs Stunden sehr belastet.

Um trotzdem die Frage zu beantworten, wie viel arbeiten für uns gesund ist, ist es wichtig, sich zu fragen, warum wir überhaupt arbeiten. Früher stand der finanzielle Anreiz im Fokus. Das hat sich in den vergangenen 50 Jahren gewandelt. Inzwischen ist Arbeit ein sinnstiftender Teil unseres Lebens, der zur Selbstverwirklichung beiträgt. Arbeit gibt unserem Tag zudem eine Struktur und ist für viele Menschen soziale Unterstützung.

Portrait Marcel Kern
Marcel Kern ist Juniorprofessor an der Fakultät für Psychologie der RUB. Foto: Privat

Die Arbeit kann aber zu viel werden. Daten zeigen, dass die Arbeitsmenge, die wir bewältigen müssen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Zu hohe Arbeitslast, Zeitdruck und Überforderung wirken sich negativ aus: Je mehr wir uns diesen Stressfaktoren aussetzen, desto eher erleiden wir langfristige Konsequenzen. Dazu gehören psychosomatische Beschwerden, emotionale Erschöpfung oder depressive Symptome.

Kurzfristig kann uns Zeitdruck allerdings zu Höchstleistungen bringen. Wenn wir auf ein wichtiges Ziel hinarbeiten, erfüllt es uns mit Stolz, wenn wir dieses erreichen. Dann bauen sich die Stressreaktionen schneller wieder ab. So können wir von einem gewissen Maß an Stress profitieren.

Stress entsteht, wenn wir das Gefühl haben, Anforderungen aus der Umwelt mit unseren aktuellen Leistungsvoraussetzungen nicht bewältigen zu können. Dann stellt der Körper mehr Energie bereit, um die Aufgabe zu bewältigen. Dieses System können wir täglich beanspruchen. Wichtig ist nur, dass wir abends in den Ursprungszustand zurückkommen. Um die bereitgestellte Energie wieder abzubauen, hilft es, sich nach der Arbeit zu bewegen. Denn während der Arbeit bauen wir diese Energie meist nicht durch körperliche Anstrengung ab. Dafür kann abends ein 15- bis 20-minütiger zügiger Spaziergang ausreichen. Wichtig ist, dass wir uns dann mit Sachen beschäftigen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben.

Studien zeigen, dass es wichtiger ist, sich täglich und am Wochenende zu erholen, als im Urlaub. Wer einmal Überstunden macht, der muss sich noch nicht direkt sorgen, doch wenn wir langfristig abends nicht wieder in den Ursprungszustand zurückkehren, kann es gefährlich werden. Das macht sich dadurch bemerkbar, dass wir gereizt sind, mürrisch reagieren und das Gefühl haben, keine Freund*innen mehr treffen zu können. Ein weiteres Indiz ist, wenn wir morgens aufwachen und uns nicht erholt fühlen, weil die Arbeit uns auch in der Nacht gedanklich beschäftigt hat.

Beitragsbild: Nubelson Fernandes / unsplash

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