Was passiert jetzt nach dem Jamaika-Aus?

Nach dem aus von Jamaika ist es ungewiss, wie es politisch in Deutschland weitergeht.

Nach dem Ende der Jamaika-Sondierungsgespräche herrscht Ratlosigkeit bei den Politikern in Berlin. Was kommt jetzt? Neuwahlen? Große Koalition? Minderheitsregierung? Oder sogar Kenia? Die Möglichkeiten sind vielseitig – eine Einigung scheint vorerst nicht absehbar. Wir geben Euch einen Überblick über die verschiedenen Optionen.

Neuwahlen

Eine erneute Bundestagswahl ist derzeit am wahrscheinlichsten. Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte in dieser Woche, dass die Verantwortung dafür beim Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier liege. Sie selbst wäre bereit, bei Neuwahlen wieder als Spitzenkandidatin der CDU anzutreten.

Auch die SPD sieht Neuwahlen eher gelassen entgegen. Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles sagte gegenüber dem ZDF: “Wir scheuen diese Option nicht.”

Bei den Grünen plant die Doppelspitze aus Katrin Göring-Eckhardt und Cem Özdemir wieder anzutreten. Özdemir wolle nichts verändern “was sehr erfolgreich war”. Die FDP um Parteichef Christian Lindner hat ebenfalls “keine Angst vor Neuwahlen”.  Ähnliche Töne gibt es von Seiten der AfD. Man vertraue auf die eigene Stärke.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellt sich gegen den parteiübergreifenden Trend zu Neuwahlen. Er appellierte an die Parteien das von den Wählern erteilte Mandat zur Regierungsbildung anzunehmen.  In dieser Woche traf sich Steinmeier mit allen beteiligten Akteuren, um eine Lösung zu finden. Am Mittwoch (22.11.) steht noch das Gespräch mit SPD-Parteichef Martin Schulz an.

Kurt meint: Wahrscheinlich

Neuwahlen: so funktioniert's
In welchem Fall es zu Neuwahlen kommen darf, ist im Grundgesetz geregelt. Es sieht eine Neuwahl im Falle einer gescheiterten Kanzler(innen)wahl als eine Möglichkeit vor. Bedeutet: Angela Merkel müsste sich zunächst in drei Wahlgängen der Wahl als Bundeskanzlerin im Bundestag stellen. In den ersten zwei Wahlgängen bräuchte sie eine absolute Mehrheit. Das ist mindestens eine Stimme mehr als 50% der Stimmen im Bundestag. Da CDU/CSU diese Mehrheit nicht haben, könnte es zum dritten Wahlgang kommen. Hier reicht Merkel dann theoretisch eine relative Mehrheit, das heißt die meisten Stimmen unter den Kandidaten. Dann kann der Bundespräsident selbst entscheiden, ob er Merkel ins Amt beruft. Tut er dies nicht, muss es innerhalb von 60 Tagen zu Neuwahlen kommen.

Minderheitsregierung

Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. Eine Lösung, die zunehmend an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Eine Regierung unter der Führung von Angela Merkel, die sich nur mit Stimmen der Opposition Mehrheiten im Bundestag organisieren könnte. SPD Partei-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel hält das nicht für unmöglich: “Das ist eine Frage, die in Gesprächen auch erörtert werden muss”, sagte er dem ZDF-Morgenmagazin.

Merkel selbst ist einer solchen Variante unter ihrer Führung “sehr skeptisch” gegenüber eingestellt. Da Bundespräsident Steinmeier bislang jedoch streng gegen Neuwahlen ist, könnten Merkel und die CDU/CSU ihre bisherige Meinung vielleicht noch ändern. Denkbar wäre auch eine Minderheitsregierung auf Zeit. Neuwahlen könnten dann beispielsweise in zwei Jahren stattfinden.

Kurt meint: Eher unwahrscheinlich

Minderheitsregierung: so funktioniert's
Nach einer Bundestagswahl bildet sich im Normalfall eine Regierung mit den Stimmen einer Koalition aus Parteien, die zusammen eine Mehrheit im Bundestag haben. Die Wahl 2017 ist allerdings alles andere als “normal”. Bleibt es dabei, dass sich die Parteien nicht einigen können, könnte die CDU/CSU auch eine Minderheitsregierung stellen. Dafür müsste Angela Merkel entweder mit den Stimmen anderer Parteien zur Kanzlerin gewählt werden, oder nach dem dritten Wahlgang von Bundespräsident Steinmeier ernannt werden. Die CDU/CSU könnte dann zwar regieren, müsste sich aber für jede Abstimmung im Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen anderer Parteien organisieren. Gelingt das nicht, ist die Regierung mehr oder weniger handlungsunfähig.
 

Wie denken die Studierenden an der TU Dortmund über Neuwahlen und eine Minderheitsregierung? Wir haben uns auf dem Campus umgehört:

Große Koalition

Merkel würde gerne, die SPD auf keinen Fall. Das ist seit der Bundestagswahl vom 24.09.2017 bekannt. An der Haltung der Sozialdemokraten hat sich zumindest an der Parteispitze nichts geändert. “Die große Koalition ist an die Wand gefahren”, betonte Parteichef Martin Schulz im heute-journal. Man stehe nach wie vor nicht zu Verfügung. Ob das persönliche Gespräch mit dem Bundespräsidenten an dieser Haltung etwas ändert, bleibt abzuwarten. Der Glaubwürdigkeit der Partei würde ein Kurswechsel allerdings extrem schaden.

Dennoch gibt es innerhalb der SPD zunehmend Widerspruch. Man sei nicht gewählt worden, um es sich auf der Oppositionsbank gemütlich zu machen, meinen einige. Laut Informationen von BILD.de soll sogar der amtierende Vizekanzler Sigmar Gabriel eine Große Koalition Neuwahlen vorziehen.

Kurt meint: Unwahrscheinlich

Kenia-Koalition

Ein gewagter Blick über den Tellerrand: “Kenia” wäre eine Koalition aus CDU/CSU, SPD und Grünen. Benannt nach den Farben der kenianischen Flagge schwarz, rot, grün. Eigentlich nicht nötig für eine Mehrheit im Bundestag. Da die SPD eine Große Koalition jedoch strikt ablehnt, könnte “Kenia” ein Kompromiss sein bei dem alle Beteiligten ihr Gesicht wahren.

Die SPD müsste nicht von ihrem “GroKo-Veto” abrücken und würde sich nicht der Regierungsverantwortung entziehen. Merkel hätte eine Regierung gefunden und die Grünen könnten politisch mitgestalten. Neuwahlen wären damit auch verhindert. In Sachsen-Anhalt gibt es bereits seit 2016 eine schwarz-rot-grüne Landesregierung – allerdings mit mäßigem Erfolg.

Kurt meint: Kurios, aber nicht undenkbar

Beitrags- und Teaserbild: pixabay.com/tvjoern, lizensiert nach CC.

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