Die Emoji-Welt wird vielseitiger. Mit dem neuesten Update im März gibt es zahlreiche neue Emojis, die Menschen mit Behinderung zeigen sollen. Dies sorgt für breite Zustimmung, dennoch gibt es vereinzelt Bedenken.
Wie Unicode nun bekannt gegeben hat, wird es ab März ungefähr 60 neue und mehrere hundert überarbeitete Emojis geben. Teil davon sind auch die langersehnten Emojis, die Menschen mit Behinderung darstellen. Zur Auswahl stehen dann unter anderem elektrische Rollstühle, Beinprothesen, ein Ohr mit Hörgerät und Symbole in Gebärdensprache. Ein Update, welches für einige Sprachwissenschaftler und Aktivisten schon lange überfällig war.
Viele Nachrichten werden mittlerweile mit Emojis versendet und spielen in der täglichen Kommunikation eine tragende Rolle. Aus diesem Grund ist es für Michel Arriens eine logische Konsequenz, dass sie die gesamte Gesellschaft abbilden müssen. Arriens ist Aktivist und Social Media Manager bei Change.org. Er selbst ist kleinwüchsig und kann nur eingeschränkt laufen, weswegen er immer mit seinem Roller unterwegs ist. “Wie sollen sich behinderte Menschen als gleichwertiger Teil der Gesellschaft fühlen, wenn sie in allen Bereichen des Lebens unterrepräsentiert sind und ihre Bedürfnisse deshalb immer weniger Aufmerksamkeit bekommen als die der nichtbehinderten Bevölkerung? Vielfältige Emojis sind ein wichtiger und richtiger Schritt in eine inklusive Gesellschaft”, so Arriens.
Diversität durch Emojis darzustellen ist nicht so einfach
Und was sagt die Sprachwissenschaft? Anatol Stefanowitsch lehrt an der Freien Universität Berlin und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Verwendung von Emojis, vor allem in den sozialen Netzwerken. Er kann sich nicht erklären, warum die Entwicklung von diesen neuen Emojis so lange gedauert hat. Menschen mit Behinderungen hätten sich sehr dafür eingesetzt, in der Gesellschaft ein stärkeres Bewusstsein für sich zu schaffen. Es ist zu vermuten, dass das Unicode-Konsortium lange verunsichert war, wie sie diese Emojis am besten umsetzen, ohne dabei öffentlich in die Kritik zu geraten.
Probleme bei dem Versuch, die Emoji-Auswahl vielfältiger zu gestalten, treten regelmäßig auf. Die Gefahr besteht für Stefanowitsch bei der Ausdifferenzierung des Zeichensatzes. Sobald neue Emojis eingeführt werden, müssten diese jeweils mit allen Haut- und Haarfarben zur Auswahl stehen, um niemanden zu benachteiligen. Er befürwortet deshalb zwar die Erweiterung des Emoji-Zeichensatzes, da es wichtig sei, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen in den Emojis wiederfinden. Mit der Auswahl, die zurzeit besteht, erweist sich dies aber als schwierig. Es ist laut Stefanowitsch so gut wie unmöglich, alle menschlichen Eigenschaften in Emojis darzustellen, da die verschiedenen Emojis nicht miteinander kombinierbar sind. Dazu nennt Stefanowitsch folgendes Beispiel: Ein Rollstuhlfahrer, der Lehrer ist, muss sich trotz des neuen Updates entscheiden, ob er sich als Lehrer oder Rollstuhlfahrer darstellt. Beides geht nicht.
Die Emojis können auf verschiedene Weise benutzt werden – positiv wie negativ
Ein weiteres Problem ist, dass die neuen Emojis möglicherweise für Diskriminierung oder Beleidigung verwendet werden. Für Alexander Ahrens von der Interessenvertretung Selbstbestimmtes Leben besteht die Gefahr, dass die Emojis ähnlich wie das Wort “behindert” im negativen Zusammenhang verwendet werden. Laut Sprachwissenschaftler Stefanowitsch ist Ähnliches auch schon bei den Emojis mit dunkler Haut aufgetreten. “Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das auch bei den Emojis mit Behinderung passiert. In welchem Ausmaß ist fraglich. So könnte es sein, dass die Emojis dann anstelle der Beleidigung “Du Spast” verwendet werden”, so Stefanowitsch.
Laut Ahrens ist vor allem der Kontext entscheidend, in dem die Emojis benutzt werden. Für Menschen, die sich zum Beispiel nur schwer sprachlich ausdrücken können, wird die Erweiterung der Emojis ein großer Vorteil sein, so Ahrens. Michel Arriens geht noch einen Schritt weiter. “Für einen Menschen, der sich sein Leben lang anhören muss, dass es nur wenige mit seiner Behinderung gibt und deshalb Cafés, Kinos oder Restaurants nicht barrierefrei sind, ist das ein seltener Moment von Normalität, wenn er sein Smartphone in die Hand nehmen kann, um seinen Freund/innen zu schreiben, was er denkt. Ohne Kompromisse.”
🆕 📲 New: Apple has submitted a proposal to Unicode for accessibility emojis including people in wheelchairs, service dogs, and prosthetic limbs. If approved, they'll be on phones next year https://t.co/ic87QRkDpj pic.twitter.com/d7NISQR0me
— Emojipedia (@Emojipedia) March 23, 2018
Welche Emojis braucht man eigentlich noch und welche vielleicht nicht? Diese Diskussion hätte Stefanowitsch zufolge vermieden werden können, indem Emojis gar nicht erst als Menschen dargestellt worden wären. Er hält die ursprünglichen Smileys für sinnvoller, da sie Eigenschaften neutral darstellen. So hätte beispielsweise jeder Lehrer auf dieser Welt, unabhängig von seiner Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder körperlichen Einschränkungen dieses Emoji verwenden können und sich mit einem Smiley repräsentiert gefühlt. Nun braucht es Millionen von Emojis, um theoretisch alle Eigenschaften, die ein Lehrer oder eine Lehrerin haben kann, zu berücksichtigen.
Aber dafür ist es längst zu spät. Da wir bereits angefangen haben, Emojis als Personen darzustellen, können wir jetzt auch nicht mehr damit aufhören. Aus diesem Grund ist die Einführung der Emojis, die Menschen mit Behinderungen zeigen, ein wichtiger Schritt, auch wenn damit noch längst nicht alle Personengruppen repräsentiert werden. Wem nach dem neuen Update immer noch spezielle Emojis fehlen, die er oder sie als besonders wichtig empfindet, kann dem Unicode-Konsortium einfach seinen Vorschlag zusenden. Vielleicht ist das Emoji ja dann beim nächsten Update dabei.