Kommentar: Warum ein bedingungsloses Grundeinkommen unsere Gesellschaft verändern würde

Ein bedingungsloses Grundeinkommen hätte weitreichende Folgen für die Gesellschaft.

Einfach so jeden Monat Geld bekommen – ohne etwas dafür tun zu müssen. Das ist die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Seit langem diskutieren Politiker über dieses Konzept. Eine Einführung wäre ein großes soziales Experiment. Ein Kommentar.

Für die einen ist ein bedingungsloses Grundeinkommen die einzige Möglichkeit mit Jobverlusten durch die Digitalisierung umzugehen, für andere ein Freifahrtschein fürs Nichtstun. So oder so, klar ist: Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde unsere Gesellschaft grundlegend verändern und das in den verschiedensten Bereichen.

In der Arbeitswelt

Viele Befürworter des Grundeinkommens befürchten, dass durch die Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze wegfallen. Viele befürchten eine hohe Arbeitslosigkeit und sehen eine Absicherung wie das bedingungslose Grundeinkommen als einzige oder beste Möglichkeit, diese Jobverluste zu kompensieren.

Eine weitere These: Die Menschen wären abgesichert. Das würde ihnen die Möglichkeit geben, das zu tun, worin sie wirklich gut sind, was sie wirklich tun wollen – ohne zuerst auf das Geld zu achten. Es gäbe vermutlich weniger Druck, einen vermeidlich sicheren Beruf zu wählen, der ein gesichertes Einkommen bietet.

Stattdessen könnte die Absicherung Innovation fördern und Menschen zum Gründen ihres eigenen Unternehmens und zum Entwickeln neuer Produkte ermutigen. Schon jetzt gibt es Förderungen für Gründer, um das zu ermöglichen. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen hätten mehr Menschen diese Möglichkeit. Ohne bürokratische und zeitliche Hürden, die Gründer im Normalfall überwinden müssen.

Kritiker eines bedingungslosen Grundeinkommens befürchten zum Teil, dass Jobs, die schon jetzt unbeliebt sind und unter Fachkräftemangel leiden, wie die Alten- oder Krankenpflege, noch unattraktiver werden könnten. Es müssten andere Wege gefunden werden, um die Berufe attraktiver zu machen – Geld allein wäre nicht die Hauptmotivation.

Skeptiker des Grundeinkommens kritisieren, dass es Menschen eben auch die Möglichkeit gibt, nicht zu arbeiten – ob man das nun will oder nicht. Kern des Konzeptes ist eben die Bedingungslosigkeit. Menschen können sich dann auch entscheiden, nicht zu arbeiten.

Auch Verhaltensökonom und Wirtschaftsethiker Prof. Dr. Enste sieht die Bedingungslosigkeit kritisch. Er bezweifelt, dass Menschen bereit wären, Unbekannten ohne jede Bedingung etwas von ihrem eigenen erwirtschafteten Geld abzugeben.

Im Studium

Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte auch Studierenden helfen. Studierende wären dann nicht mehr auf die Unterstützung ihrer Familie oder auf Nebenjobs angewiesen und müssten nicht mit einem BAföG-Schuldenberg ins Berufsleben starten.

Mit 1.000 Euro müssten Studierende auch keine Jobs mehr anzunehmen, die nichts mit ihrem künftigen Beruf zu tun haben, nur um Geld zu verdienen. Sie hätten die Möglichkeit, in einem Bereich zu arbeiten, in dem sie am meisten für ihren künftigen Beruf lernen, Erfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen können. Oder sie hätten die Freiheit, sich eben auch dazu zu entscheiden, sich voll und ganz auf ihr Studium zu konzentrieren.

In der Gesellschaft

Die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens könnte auch gesellschaftlich einige Veränderungen mit sich bringen. Denn ein Grundeinkommen müsste auch irgendwie finanziert werden, zum Beispiel durch höhere Steuern oder andere Abgaben. Die hätten dann eben alle zu zahlen. Die Menschen müssten also bereit sein, einen Teil ihres verdienten Einkommens abzugeben – ohne eine Gegenleistung dafür verlangen zu können. Bedingungslos eben.

Das kann funktionieren: Wenn man akzeptiert, dass Bedingungslosigkeit eben auch bedeutet, dass die Menschen mit dem Einkommen machen können, was sie wollen – oder eben auch lassen können. Oder darauf vertraut, dass alle Menschen arbeiten wollen, dass das Grundeinkommen sie vielleicht sogar ermutigt, ein Unternehmen zu gründen oder ehrenamtlich zu arbeiten. Wenn die Menschen nicht mehr gezwungen sind, arbeiten zu gehen, sondern sich bewusst dazu entscheiden, könnte Arbeit auch eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Das kann aber auch schief gehen: Wenn ein Teil weiter arbeiten geht und nicht damit einverstanden ist, dass ein anderer Teil das möglicherweise nicht tut. Dann würde dieses System nicht lange funktionieren.

Eine weitere gesellschaftliche Veränderung: Die häufig kritisierte Bedürftigkeitsprüfung, die Hartz IV-Empfängern regelmäßig bevorsteht, würde wegfallen. Denn ein bedingungsloses Grundeinkommen würde eben jeder bekommen: vom Arbeitssuchenden bis hin zum Einkommensmillionär.

Für die Gesundheit

Befürworter des Grundeinkommens sehen auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Dadurch, dass die Menschen weniger Stress hätten, weniger Existenzängste, würden Krankheiten wie Burn-out und Depressionen weniger häufig. Maheba Goedeke Tort vom Verein „MeinGrundeinkommen“ könnte sich vorstellen, dass sich durch ein bedingungsloses Grundeinkommen gerade die mentale Gesundheit verbessern würde.

Inzwischen gibt es diverse Konzepte für ein Grundeinkommen, nur eben kaum ein ganz und gar bedingungsloses. Eine Grundsicherung, wie von Grünen-Politiker Robert Habeck vorgeschlagen, bei Hatz IV durch ein System ersetzt werden soll, das weniger auf Sanktionen als auf Anreize setzt; ein solidarisches Grundeinkommen, wie es bald in Berlin getestet werden soll (dort sollen rund 1000 geförderte Arbeitsplätze entstehen) oder ein emanzipatorisches Grundeinkommen, wie es die Linke will, bei dem sozialer Ausgleich und die emanzipatorischen Effekte im Mittelpunkt stehen.

Kein bisher durchgeführtes Experiment konnte ganz und gar ein bedingungsloses Grundeinkommen simulieren. Denn es bekommt immer nur eine kleine Gruppe ein Grundeinkommen, nie die gesamte Gesellschaft.

Welches Konzept auch immer sich am Ende durchsetzen sollte: es würde unseren Alltag stark verändern. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre eben mehr als ein Geldgewinn für ein paar Menschen, es hätte viel mehr soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Die Arbeitswelt würde sich grundlegend verändern. Auch gesellschaftlich würde einiges anders.

Ob sich die Dinge nun zum Guten oder zum Schlechten verändern würde, lässt sich kaum sagen. Das Grundeinkommen ist ein gesellschaftliches Experiment mit offenem Ausgang.

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2 Kommentare

  1. says: Mohammad saad

    Das ist schlechte Idee für alle Menschen
    Man muss arbeiten, bevor er das Geld bekommt.
    Aber ich wünsche, dass ich das Geld bekomme

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