Jusos und Junge Union: Kann man die Rente retten?

In Berlin streitet die Groko um Entscheidungen, die bestimmen, wie wir in Zukunft leben werden. Was sagen die jungen Mitglieder der Parteien zu den Streitthemen? KURT hat zwei junge Dortmunder Politikerinnen an einen Tisch voller Themen gesetzt.

Wie lange kann man das Rentenniveau garantieren? Wie kann man Altersarmut verhindern? Braucht es eine Grundrente? Fragen, die auch junge Menschen beschäftigen. Denn auch sie werden früher oder später in die Rentenkasse einzahlen und vor allem irgendwann auch selbst auf eine Rente angewiesen sein.

Die Ideen von Arbeitsminister Hubertus Heil sollen die Situation derer verbessern, die jetzt Rente bekommen. Heil möchte eine Grundrente – also einen Zuschlag zur Rente, der sich aus Steuern finanziert und maximal bei 447 Euro im Monat liegt, ohne Bedürftigkeitsprüfung. Bekommen sollen diese Grundrente Geringverdiener, die 35 Jahre eingezahlt haben und Zeit mit Kindererziehung oder Pflegetätigkeit verbracht haben.

Die Union kritisiert: Zu teuer und zu wenig zielgenau. Darauf, dass es eine Grundrente geben soll, haben die Parteien sich im Koalitionsvertrag aber schon geeinigt.

Was haltet ihr von der Grundrente?

Sarah: Ich bin da als junger Mensch zwiegespalten. Es ist nicht so, dass man es den Leuten nicht gönnen würde, wenn sie Jahre lang gearbeitet haben. Von mir aus können sie gerne alle zehntausend Euro im Monat bekommen – wenn das Geld da wäre. Dieses ganze Rentensystem – allein aufgrund der Rentenformel, aufgrund des demografischen Faktors – wird irgendwie erodieren.

Was ist die Rentenformel?

Monatliche Rente = Entgeldpunkte x Zugangsfaktor x aktueller Rentenwert x Rentenartfaktor

  • Entgeltpunkte: Jedes Jahr wird der eigene monatliche Verdienst mit dem durchschnittlichen Verdienst aller Rentenversicherten verglichen. Genau einen Entgeldpunkt bekommt jemand, der genau so viel verdient, wie der Durchschnitt.
  • Zugangsfaktor: Ändert sich bei vorzeitigem oder verspätetem Renteneintritt.
  • Aktueller Rentenwert: Wert, der einem Entgeldpunkt entspricht. Wird anhand der aktuellen wirtschaftichen Situation berechnet.
  • Rentenartfaktor: Ändert sich je nach Art der Rente, z.B. Altersrente, Waisenrente, Erziehungsrente usw.

Sarah: Wenn es nicht sogar schon erodiert ist. Da fragt man sich schon, wofür man jetzt gerade einzahlt, wenn immer wieder irgendwelche neuen Löcher gestopft werden. Es muss mal langsam ein Systemwechsel her. Wenn wir immer neue Minirenten einführen, für irgendeine Gruppe, die irgendwo benachteiligt ist, schafft man auf der anderen Seite zehn neue Ungerechtigkeiten… Daher bin ich mit der Grundrente nicht so zufrieden. Zumal niemand so richtig weiß, wie teuer das wirklich wird. Berechnungen von Hubertus Heil sagen rund fünf Milliarden, unsere Fraktion hat das auch mal nachgerechnet und kam bei sieben oder acht raus.

Sarah Beckhoff

  • Kreisvorsitzende der Jungen Union Dortmund
  • 24 Jahre alt
  • studiert VWL
  • Seit 10 Jahren bei der JU
Indra Paas
  • Kreisvorsitzende der Jusos Dortmund
  • 26 Jahre alt
  • Sozialarbeiterin
  • Seit 10 Jahren bei den Jusos

Die Grundrente selbst steht zumindest aber auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Diskutiert wird in Berlin gerade, ob es eine Prüfung der Bedürftigkeit geben soll.  

Indra: Das ist immer ein ganz schwieriges Thema mit Menschen. Wenn man mit Sozialhilfebedürftigen spricht, ist es für sie oft ein ganz großes Problem, sich „nackig“ zu machen. Zum Beispiel bei Menschen, die Erziehungszeiten hatten oder schlicht nicht so viel verdient haben, dass es ausreicht – obwohl sie alles getan haben, um nicht in diese Situation im Alter zu kommen. Wenn dann auf einmal der Partner stirbt oder so, steht man vor einem riesigen Problem. Und die Frage ist wirklich: Wie schafft man es, dass Menschen, ohne sich diskriminiert zu fühlen, eine Grundrente bekommen können? Das wird zu klären sein. Da muss man das Konzept abwarten.

Sarah: Für mich ist klar, dass es da eine Bedürftigkeitsprüfung geben muss, weil auf der anderen Seite Menschen stehen, die in die Rentenkasse einzahlen. Wenn ich was daraus bekommen möchte, muss ich auch sagen, was ich habe oder nicht habe. Das ist nicht diskriminierend, sondern selbstverständlich.

Indra: Ich würde mich einfach darüber freuen, wenn Menschen so viel verdienen würden, dass sie nicht um ihre Rente bangen müssten. Das hat man in der Vergangenheit einfach zu wenig berücksichtigt und das müssen wir jetzt ausbaden. So ist das einfach. Und ganz ehrlich: Ich kann auch einfach keine Rentnerin mehr sehen, die Flaschen sammelt. Das bricht mir auf eine ganz üble Art und Weise das Herz. Das darf es einfach nicht geben.

Leider ist das schon heute Realität. Was denkt ihr, wie die Rente unserer Generation mal aussehen wird?

Sarah: Ich glaube, das Einzige, was man machen kann, ist privat vorsorgen. Das kann natürlich nicht jeder. Aber da muss man halt auch als Berufsanfänger schon dran denken, weil man sich auf den Staat in der Hinsicht nicht verlassen kann.

Was sollte denn getan werden, damit man sich auch in dieser Hinsicht auf den Staat  verlassen kann?

Sarah: Meiner Meinung nach muss mal an die Rentenformel rangegangen werden. Die wurde geschaffen, als die Gesellschaft demografisch noch anders aussah. Die Leute leben heute länger und bekommen weniger Kinder. Und da ist für mich klar, dass das System so nicht funktionieren kann. Deswegen mache ich mich als junger Mensch stark, dass da nicht noch mehr Geld reingepumpt wird. Ich bin auch gegen die Mütterrente, obwohl meine Partei dafür war und ich auch weiß, dass viele Frauen deswegen CDU gewählt haben. Ich sehe aber, dass – keine Ahnung, wann ich mal in Rente gehe, mit 80 oder so – nichts mehr davon übrig bleibt.

Indra: Ich glaube, wenn wir uns nicht über einen ernsthaften Kurswechsel in unserem Rentensystem unterhalten – und zwar ernsthaft, dass wir vom Umlagesystem weggehen – dann wird für uns nichts mehr übrig sein.

Sarah: Nö.

Indra: Das ist die ganz realistische Zukunftsperspektive. Und da müssen wir uns jetzt drüber unterhalten. Jetzt, wie wir hier sitzen, müssen wir dafür kämpfen, dass das anders wird. Denn das sind Prozesse, die dauern lange, das sind politische Kämpfe, die da ausgetragen werden – Grundrente ist auf jeden Fall wichtig, aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie unsere Rente im Alter aussehen wird. Die Gruppe derer, die Grundrente bekommen würden, wird ja tendenziell größer. Ich glaube, der einzige perspektivische Wechsel ist, dass wir weg vom Umlagesystem gehen und – das will Sarah nicht hören – hin zu einem steuerfinanzierten System.

Was unterscheidet Umlagesystem von steuerfinanziertem System?
  • Umlagesystem: Die berufstätigen Beitragszahler zahlen in die Rentenversicherung ein. Das Geld bleibt dort aber nicht liegen bis die Beitragszahler selbst in Rente gehen, sondern finanziert die Bezüge der aktuellen Rentenbezieher. Damit bekommen die Beitragszahler den Anspruch, später von der nächsten Generation ihre eigene Rente finanziert zu bekommen.
  • Steuerfinanziertes Rentensystem: Statt aus Geldern der aktuellen Beitragszahler würden die Rentenbezüge aus Steuermitteln bezahlt. Auch die Grundrente soll so finanziert werden und  jedem Bürger im Alter zustehen, unabhängig davon, was die Person vorher eingezahlt hat.

Sarah:  Ja, das ist halt immer ein Fass ohne Boden.

Indra: Klar, es ist teuer.

Sarah: Aber das Problem ist generell immer: Politiker, egal welcher Partei, denken nur in Legislaturperioden. Auch das Konzept der Koalition geht ja nur bis 2030 oder so. Also genau, bis die ganzen Babyboomer in Rente gehen. Das ist natürlich nicht weit vorausgedacht, aber da möchte sich eben keiner dran verbrennen und deswegen schiebt man es. Wenn man von Wahl zu Wahl denkt, und zu jeder Wahl mal so ein kleines Bonbon gibt – Mütterrente, Grundrente – hofft man sich als Partei, so über die Runden zu retten. Aber das ist nicht verantwortungsvoll für die junge Generation.

Warum sagst du, ein steuerfinanziertes System ist „ein Fass ohne Boden“?

Sarah: Wenn man weggeht von den Umlagen, habe ich quasi auch keine Verbindung mehr zwischen den jetzigen Einzahlern und denen, die jetzt die Rente bekommen. Ich finde, es ist schon was dran, wenn man sagt, das hält die jüngere und die ältere Generation zusammen, wie ein Kitt in der Gesellschaft. Aber auch, weil ein steuerfinanziertes System in dieser ganzen Umverteilungsspirale drin wäre. Dann kann ich sagen: „Nö, wir geben jetzt 10 Prozent weniger für Bildung und machen dafür 10 Prozent mehr für Renten.“ Da ist, meiner Meinung nach, kein Bezug mehr zur Arbeit und zu sozialversicherungspflichtigen Jobs da. Das lehne ich ab. Da kann ich theoretisch einen Systemwechsel nach dem anderen machen: Am Ende gibt es dann gar kein System mehr.

Beitragsbilder: Pia Stenner

Video: Pia Stenner und Madlen Gerick

Das war der zweite Teil unserer fünfteiligen GroKo-Serie. In dem kommenden Wochen werden wir an dieser Stelle jeden Samstag ein weiteres Streitthema der Regierungsparteien thematisieren. Das war bereits dran: 

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