Am 4. April 2019 feiert die NATO ihr 70-jähriges Bestehen. Schon im Vorfeld war klar: Entspannt Geburtstag feiern ist nicht. Es brodelt gewaltig im Bündnis, und immer wieder entstehen neue Konflikte.
Einen Festakt in Washington D.C., wo der Nordatlantikpakt vor 70 Jahren unterschrieben wurde, gibt es natürlich trotz Spannungen. Aber die Feier wird überschattet von Schuldzuweisungen innerhalb der Organisation und Konflikten zwischen Mitgliedsländern. In der vergangenen Zeit kommen sogar Zweifel auf, ob man sich im Ernstfall aufeinander verlassen kann.
Warum gibt es die NATO?
Nach den Schrecken der beiden Weltkriege bildete sich das Bedürfnis nach multilateralen Bündnissen, um den instabilen Frieden abzusichern. Bereits kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurden daher die Vereinten Nationen gegründet. Jedoch traten bald Spannungen zwischen den großen Mächten auf, insbesondere den USA und der UdSSR. Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs begannen daher Verhandlungen zwischen europäischen Staaten und den USA, was im Falle eines Angriffs seitens des Ostblocks geschehen würde.
Als Antwort erstand der Nordatlatikvertrag (englisch: North Atlanic Treaty, daher die Abkürzung NATO für North Atlantic Treaty Organization). Unterzeichnet haben ihn am 4. April 1949 neun europäische Staaten sowie Kanada und die Vereinigten Staaten, in Kraft trat er am 24. August 1949. Die Bundesrepublik Deutschland trat 1955 bei. Inzwischen hat sich die Mitgliederzahl mehr als verdoppelt, 29 Staaten sind es 2019.
Was sind die Ziele der NATO?
Die NATO ist vor allem ein militärisches Bündnis, oberstes Ziel ist daher die Sicherheit ihrer Mitglieder. Artikel 5 des Nordatlantikvertrags besagt, dass ein Angriff auf ein NATO-Land ein Angriff auf alle sei: ein sogenannter „Bündnisfall“. Die Charta der Vereinten Nationen steckt enge Grenzen, wann militärische Operationen gerechtfertigt sind. Zur Selbstverteidigung ist ein Land jedoch immer berechtigt.
Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.
- auf das Gebiet eines dieser Staaten in Europa oder Nordamerika, auf die algerischen Departements Frankreichs1, auf das Gebiet der Türkei oder auf die der Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses;
- auf die Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge einer der Parteien, wenn sie sich in oder über diesen Gebieten oder irgendeinem anderen europäischen Gebiet, in dem eine der Parteien bei Inkrafttreten des Vertrags eine Besatzung unterhält oder wenn sie sich im Mittelmeer oder im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses befinden.
1 Am 16. Januar 1963 stellte der Rat fest, daß die Bestimmungen des Nordatlantikvertrags betreffend die ehemaligen algerischen Departements Frankreichs mit Wirkung vom 3. Juli 1962 gegenstandslos geworden sind.
Was sind die aktuellen Probleme?
2002 haben sich die NATO-Staaten zusammen als Ziel gesetzt, jeweils zwei Prozent ihres Bruttoinlandprodukts für Verteidigung auszugeben. Durch die Stärkung der nationalen Armeen soll indirekt auch die NATO gestärkt werden. Momentan erfüllen aber nur sieben der 29 Staaten das Zwei-Prozent-Ziel: Neben den USA und Großbritannien noch Estland, Griechenland, Lettland, Litauen und Polen. Das ärgert vor allem US-Präsident Trump. Der poltert immer wieder, dass die USA viel zu zahlen und andere Mitglieder viel zu wenig. Deutschland gab im Jahr 2018 nur 1,24 Prozent aus, auch in den nächsten Jahren ist kein dauerhafter Anstieg geplant.
67,7 Milliarden. Das wäre die Summe, die Deutschland in Verteidigung investieren müsste, wenn es dem Zwei-Prozent-Ziel nachkommen würde. Das sind rund 25 Milliarden Euro mehr, als 2019 im Haushalt dafür eingeplant sind. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), hält das nicht für realistisch. Dafür müsse die Bundeswehr viel größer aufgestellt sein, als sie es heute sei, erklärte er 2018 in einem Interview mit dem Deutschland-Funk. Er wäre froh, wenn die Bundeswehr das können würde, was sie auf dem Papier können soll – der Zustand des deutschen Heers ist aber eine andere Geschichte.
Als wäre das noch nicht genug Spannung, hat die Trump-Regierung in der vergangenen Zeit Zweifel aufkommen lassen, ob die USA im Bündnisfall überhaupt eingreifen würden. „Und selbst wenn sie es tun, die Zweifel, die aufgekommen sind, haben wie Säure gewirkt“, sagte der Politikwissenschaftler und NATO-Experte Markus Kaim am Donnerstag im SWR. Und aktuell bahnt sich ein neuer Streit zwischen der Türkei und den USA an: Die Türkei hat ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft, die USA haben daraufhin die Lieferung von amerikanischen Kampfjets gestoppt. Schon hat sich die Lage hochgeschaukelt, beide Seiten messen verbal ihre Kräfte.
Auch in der Bevölkerung ist die Zustimmung zur NATO gesunken. Befragungen des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigen außerdem, dass die Zustimmung der Bevölkerung zur NATO in den einzelnen Mitgliedsländern stark variiert.
Beitragsbild: „Doorstep statement by the NATO Secretary General“ by NATO North Atlantic Treaty Organization, CC BY-NC-ND 2.0, Artikelbild: „Signing NATO Treaty in Washington, 4 April 1949, UK“ by NATO North Atlantic Treaty Organization, CC BY-NC-ND 2.0.