Jeden Freitag gehen Schülerinnen und Schüler für mehr Klimaschutz auf die Straße, auch in Dortmund. Wissenschaftler haben sich längst mit den Demonstranten solidarisiert, und für diesen Samstag hat die Dortmunder Ortsgruppe von “Parents for Future” zu ihrer ersten Demonstration aufgerufen. Doch wo bleiben die Studenten?
“Wenn ich das wüsste… !”, sagt Jonas Neubürger vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der TU Dortmund. Seiner Erfahrung nach ist es generell “schwierig, Studenten für Demonstrationen zu begeistern”, selbst bei Themen, die sie direkt betreffen: zum Beispiel das neue Hochschulgesetz, gegen das der AStA mobil zu machen versucht. Auf seiner Facebookseite hat der AStA zur Teilnahme an der weltweiten Klima-Demonstration aufgerufen und Jonas Neubürger mit einem Kollegen hingeschickt:
Die benachbarte Fachhochschule sei jede Woche dabei, sagt Jonas Neubürger. Er kann sich vorstellen, dass einige Studenten bei den “Fridays for Future”-Demonstrationen dabei sind, aber nicht als solche wahrgenommen werden. Einige seien aber auch unpolitisch – das sehe man auch an den Hochschulwahlen. Bei der letzten Wahl des Studierendenparlaments gab es eine Wahlbeteiligung von knapp acht Prozent.
Seit kurzem steht das Sozialteam des AStA mit den Zuständigen für die Dortmunder Fridays for Future in Verbindung. Sozialreferentin Nadine Kappmeier sagte KURT: “Wir haben auch darüber gesprochen, Aktionen an der Uni durchzuführen, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren und vielleicht auch zum Mitmachen anzuregen.” Genauere Pläne gebe es aber noch nicht.
Studenten fehlt die Zeit
“Die wichtigste Ressource bei politischem Engagement ist Zeit – und die ist stark eingeschränkt”, sagt Dr. Simon Teune, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung. Durch das verschulte Studium hätten Studenten nicht unbedingt die Zeit, demonstrieren zu gehen. Außerdem stelle sich bei Studierendenstreiks eine wichtige Frage: “Wen bestreiken wir denn eigentlich, uns selbst?”
Studenten spielten bei den Fridays for Future aber durchaus eine tragende Rolle, sagt Teune. “Sie treten aber nicht auf als studentische Gruppe, sondern als klimapolitische Gruppe.” Man nehme die Fridays for Future vor allem als Schüleraktion wahr, die Studenten seien aber nicht alle unpolitisch, manche nur unsichtbar. Dass sich neue Gruppen wie die Parents for Future bilden, die sich übrigens auch an Menschen ohne Kinder richten, versteht Teune. Eltern könnten oft nicht freitagmorgens demonstrieren, sagt er, und die Gruppen könnten sich ja trotzdem koordinieren.
https://twitter.com/futurefridaysDO/status/1116695723045793794
Einen Zwischenerfolg können die Demonstranten laut Teune schon verbuchen: Sie haben die Aufmerksamkeit auf das Thema Klimaschutz gelenkt. Jetzt sei es nötig, den Druck auf die Politik auch von anderer Seite zu erhöhen. Außerdem brauche es ein Angebot an politisierte Schüler, die auch dann weitermachen wollen, wenn die Fridays for Future zusammenfallen. Der Forscher sagt: “Proteste in Serie werden irgendwann immer kleiner.”
Bewussterer Lebensstil gegen den Klimawandel
An der TU Dortmund können einige Studenten mit dem Begriff “Fridays for Future” gar nichts anfangen. “Ich bin in dem Thema nicht so involviert”, sagt die 22-jährige Lisa. Für Fabian war es “nie eine Option”, an den Demonstrationen teilzunehmen, Gregor findet es “cool, was die da machen”, hat sich aber noch nicht näher informiert. In der Uni selbst wird man nicht mit der Nase darauf gestoßen: Am Schwarzen Brett in der Emil-Figge-Straße 50 hängt nur ein kleiner Flyer der Parents for Future, ganz unten und halb von anderen Aushängen verdeckt. Viele Studenten finden nicht die Zeit, demonstrieren zu gehen. Informatikstudent Omar sitzt an seiner Bachelorarbeit, andere wollen sich auf ihre Seminare konzentrieren oder müssen arbeiten – Teunes These hat sich bei unserer Umfrage auf dem Campus bestätigt.
Die wichtigste Ressource bei politischem Engagement ist Zeit – und die ist stark eingeschränkt.
Dr. Simon Teune
“Man kann auch samstags demonstrieren, wenn man was wichtig findet”, sagt Melissa. Die angehende Grundschullehrerin findet, man könne auch selbst einiges fürs Klima tun: Sie achte auf ihr Leben und kaufe zum Beispiel in einem Unverpackt-Laden ein. Auch andere Studenten bemühen sich, ihren Lebensstil umweltfreundlich zu gestalten, und fahren wenig mit dem Auto, versuchen, ihren Stromverbrauch zu reduzieren und mit weniger Müll auszukommen – und zwar auch viele von den Studenten, die keine Lust haben, jemals bei den Fridays for Future auf die Straße zu gehen.
Beitragsbild: Mika Baumeister