Amerika am Tag der Wahl – eine Studentin vor Ort erzählt

Am Tag der Präsidentschaftswahl ist in Amerika vieles ungewiss. Die Bekanntgabe der Ergebnisse wird mit Spannung erwartet. Im ganzen Land werden Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Viele rechnen mit Protesten. Maja Gunz, eine deutsche Studentin, ist in New York und berichtet von ihren Eindrücken.

Amerikas Bevölkerung wählt heute ihren neuen Präsidenten. Die Lage im Land ist angespannt, die Bevölkerung gespalten und die Situation ernst. Bereits im Vorfeld der Wahl kam es immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Anhänger*innen des demokratischen Kandidaten Joe Biden und des Republikaners Donald Trump.

Am Freitag etwa hatten Fans von Trump einen Bus der Wahl-Kampagne von Biden abgefangen. Der Bus befand sich auf dem Weg zu einem Wahlkampf-Event in der Nähe von Austin im Bundesstaat Texas. Die Veranstaltung musste daraufhin aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Auch nach der Wahl wird mit Ausschreitungen gerechnet. Besonders bei einem engen Wahlverlauf drohen Proteste der Anhänger*innen aus den beiden verfeindeten Lagern.

Maja (19) studiert seit August in New York. Foto: privat

“Die Atmosphäre hier ist extrem angespannt. Man erwartet eher gewalttätige Ausschreitungen, wenn Biden gewinnt”, erzählt Maja Gunz, eine deutsche Studentin in New York. Sie ist in Düsseldorf zur Schule gegangen und hat 2019 ihr Abitur gemacht. Über ein Stipendium bekam sie einen Studienplatz in den USA. Seit Ende August studiert sie Chemie an der Fordham University.

Angst vor Protesten

In vielen amerikanischen  Städten werden derzeit Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Restaurant-, Hotel- und Ladenbesitzer*innen verbarrikadieren ihre Türen und Schaufenster. In New York riegelt die Polizei das Gebiet rund um den Trump Tower ab.

Auch die Fordham University trifft Sicherheitsvorkehrungen für die nächsten Tage. Den Studierenden wird empfohlen, die Stadt in den kommenden Tagen zu meiden. “Unsere Uni überlegt noch, die Tore zu schließen. Dann dürften wir den Campus nicht mehr verlassen und niemand Fremdes den Campus betreten”, sagt Maja. Die Angst vor Auseinandersetzungen in der Stadt zwischen Biden- und Trump-Anhänger*innen ist groß.

Die große Spaltung im Land fällt Maja auch an ihrer Uni auf: “Alle Leute, mit denen ich befreundet bin, sind pro Biden, aber es gibt hier auf dem Campus auf jeden Fall auch Leute, die für Trump wählen – und das sind nicht gerade wenige. Es gibt hier wirklich nur diese beiden Extreme.” Das führe mitunter auch zu unangenehmen Begegnungen in der Uni: “Wenn du hier Leute das erste Mal triffst, ist die Wahl natürlich das große Gesprächsthema. Aber die eigene Position zu äußern, ist gar nicht so einfach. Man beäugt sich gegenseitig und wenn man merkt, dass die Person eine andere Meinung hat als man selbst, geht man sich aus dem Weg.”

Ein interessanter Aspekt am Rande: Donald Trump studierte selbst von 1964-1966 für zwei Jahre an der Fordham University Wirtschaftswissenschaften und wechselte dann an die University of Pennsylvania. “Auf die politische Ausrichtung der Uni und der Studierenden hat diese Tatsache aber keine Auswirkung”, erzählt Maja. “Ich habe den Eindruck, die meisten Trump-Wähler an der Uni kommen aus eher konservativen Elternhäusern und wählen das, was ihre Eltern wählen. Trotzdem würde ich sagen, dass hier an der Universität mehr Leute für Biden stimmen.”

Amerikas Jugend wird politischer

Die Wahlen sind aktuell natürlich das große Thema an der Uni. “Viele Professoren bieten uns an, über die Wahlen zu reden, uns zu helfen und psychologisch zu unterstützen. In meinem Soziologie-Kurs machen wir gerade auch nichts anderes, als über die Wahl zu reden”, berichtet Maja. Es mache den Anschein, als würde sich die junge Bevölkerung wieder mehr für Politik interessieren.

Das spiegelt sich auch in Zahlen wider. Laut einem Bericht des Havard Institute of Politics gaben 63 Prozent der 2.026 Befragten zwischen 18 und 29 Jahren an, in diesem Jahr wählen zu gehen. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren es noch unter 50 Prozent. Die Millennials (22 bis 37 Jahre) bilden mit rund 88 Millionen Menschen die größte Wähler*innengruppe und könnten bei der Wahl in diesem Jahr deshalb eine entscheidende Rolle spielen.

Der Havard-Umfrage zufolge hat Biden bei den Jungen einen Vorsprung. Die Hälfte der Befragten gab an, Biden zu wählen. Rund ein Viertel möchte für Trump stimmen. Gesundheitsvorsorge und Bildung sind besonders wichtige Themen für junge Wähler*innen. Die Corona-Krise hat auch das Thema Wirtschaft in den Vordergrund gerückt. Der Arbeitsmarkt in den USA leidet stark unter der Pandemie. Viele haben deshalb Angst vor einer ungewissen beruflichen Zukunft.

So funktioniert die US-Präsidentschaftswahl

Jedem Bundesstaat wird abhängig von seiner Fläche und der Bevölkerungszahl eine bestimmte Anzahl an Wahlmännern zugeordnet. Der Kandidat, der die meisten Stimmen der Menschen in dem Bundesstaat bekommt, erhält dadurch alle Wahlmännerstimmen des Staates.

Um die Wahl zu gewinnen, muss die absolute Mehrheit erreichet werden. Dafür werden 270 von 538 Wahlleuten benötigt. Entschieden wird die Wahl meistens in den sogenannten Swing States. Das sind die Staaten, in denen es traditionell im Vorhinein keine feste Mehrheit gibt und die Stimmen besonders umkämpft sind.

Unsicherheit und Ungewissheit

Solche Kettenbriefe machen heute über die Sozialen Medien die Runde. Foto: privat

Unsicherheit ist aktuell das Gebot der Stunde in Amerika. In den sozialen Netzwerken machen zahlreiche Kettenbriefe die Runde, in denen vor Aufständen gewarnt wird. “Es ist alles so ungewiss. Keiner weiß, wann wir die Wahlergebnisse bekommen werden. Wir wissen nicht, was nach der Wahl passieren wird, ob sich Trump eventuell weigern wird, das Wahlergebnis anzunehmen und was sonst so passiert”, erzählt Maja.

Der Zeitpunkt, wann das Wahlergebnis feststeht, könnte sich in diesem Jahr tatsächlich um einige Stunden oder sogar Tage verschieben. Grund dafür ist die hohe Zahl an Briefwähler*innen. Fällt das Ergebnis relativ deutlich aus, ist am Mittwoch zwischen 5 Uhr und 9 Uhr deutscher Zeit mit einem Ergebnis zu rechnen. Vor allem bei einem engen Ausgang der Wahl sind die Briefwähler*innen entscheidend. Und das sind in diesem Jahr mit über 90 Millionen so viele wie noch nie. Die Auswertung könnte sich dann über mehrere Tage hinziehen – und mit ihr die Unsicherheit und Angst.

Maja selbst darf in Amerika nicht wählen, trotzdem beschäftigen sie die nächsten Tage sehr: “Ich habe Respekt vor den nächsten Tagen. Das ist ein komisches Gefühl, weil keiner weiß, was passieren wird.”

Beitragsbild: unsplash.com/Element5 Digital

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