Kommentar: Her mit der grünen Welle für Radfahrer!

Radfahrer werden systematisch ausgebremst: mit Ampelschaltungen, die auf Autofahrer ausgelegt sind, und Ampeln, die nur auf Knopfdruck grün werden. Die Verkehrswende wird so nicht gelingen. Ein Kommentar.

Ich fahre gerne mit dem Rad. Egal, wie spät ich aus dem Haus komme, mein Fahrrad verpasse ich nie. Aber je länger ich in Dortmund lebe, desto mehr denke ich, dass unsere Stadt nur begrenzt fahrradfreundlich ist. Auf dem Weg in die Innenstadt gibt es größere Hindernisse als den Umstand, dass Dortmund nun doch ein bisschen hügeliger ist als mein heimatlicher Niederrhein. Nein, Quell unendlichen Ärgers für mich, vor allem bei schlechtem Wetter, sind Ampeln, die nur auf Knopfdruck grün werden.

250 Fußgängerampeln gibt es in Dortmund. Sie alle sind mit Tastern ausgerüstet. „Bei vielen Kreuzungsanlagen werden einzelne Furten nur auf Anforderung freigegeben. Die Anzahl der betroffenen Furten und betroffenen Kreuzungsanlagen ist nicht bekannt“, antwortet die Stadt auf Anfrage. Genau quantifizierbar ist das Problem also nicht, aber was sich zeigt: Es interessiert offenbar auch niemanden.

Dabei ist jede rote Ampel für Radfahrer ein Zwang, abzubremsen und damit all aufgebaute Bewegungsenergie in den Wind zu schießen, nur um kurz darauf (oder nicht ganz so kurz darauf) wieder Energie zum Anfahren aufwenden zu müssen. Wenn die Ampel aus keinem guten Grund rot bleibt, sondern nur, weil ich nicht schon vor meiner Ankunft an selbiger auf den Knopf gedrückt habe – was physikalisch unmöglich ist – dann ist das ärgerlich. Die Hagelkörner, die bei schlechtem Wetter ungebremst meinen Körper treffen, sind dann nur noch die Kirsche auf der Torte.

Die Sache mit der Sicherheit

Kurz: Solche Ampeln sind Radfahrerfallen und ein Zeichen dafür, dass Dortmund eine Stadt der Autofahrer ist. Denn wenn Fußgänger und Radfahrer erst den Knopf drücken müssen, gehen sie zu Anfang der Grünphase über die Straße – am Ende der Grünphase ist das nur möglich, wenn ein anderer Fußgänger oder Radfahrer schon auf den Knopf gedrückt hat, und das rechtzeitig. Die Autofahrer profitieren: Nach dem ersten Rutsch an Fußgängern ist die Straße für Abbieger häufig frei. Sie müssen weniger auf die anderen Verkehrsteilnehmer achten, weil die Ampel uns auf die nächste Grünphase warten lässt.

„Aber das ist ja für eure Sicherheit, so werdet ihr nicht übersehen und überfahren“, sagen die Autofahrer. Trotzdem sind in den vergangenen zwölf Monaten in Dortmund drei Radfahrer gestorben, weil LKW-Fahrer beim Rechtsabbiegen die Vorfahrt der Radfahrer missachtet haben. Und es gibt noch viel mehr gefährliche Situationen für Radfahrer, die sich teilweise auch aus einer unzureichenden Radfahr-Infrastruktur ergeben. Zu schmale Radfahrstreifen, versperrte Sicht, irre Verkehrsführung – all das muss dringend geändert werden, unser aller Sicherheit zu Liebe. Aber wir müssen es auch in die Köpfe der Autofahrer bekommen, dass Radfahrer auch ganz normal am Straßenverkehr teilnehmen. Und zwar nicht nur in den kleinen Zeitfenstern zum Losfahren, die durch die Ampeldruckknöpfe entstehen, sondern immer. Wenn man sich daran gewöhnt, dass da „nie jemand kommt“, guckt man auch nicht mehr.

Die Kreuzungen sind für Autofahrer gebaut. Fußgänger haben ihre Überwege, Radfahrer sind irgendwo dazwischen: Sie müssen sich entweder über Fußgängerampeln mogeln oder für ein einfaches Linksabbiegen auf bis zu drei Ampeln warten. Oder sie verlassen vor der Ampel den Radweg, schieben sich irgendwie zwischen die schnelleren Autos und benutzen die Linksabbiegerspur. Das eine dauert lange, das andere ist deutlich gefährlicher – beide sind keine gute Wahl.

Die rote Welle

Die Ampelschaltungen an benachbarten Kreuzungen sind häufig so aufeinander abgestimmt, dass der Autoverkehr gut fließen kann, eventuell sogar eine grüne Welle hat. Für nur mäßig schnelle Radfahrer wie mich – und den Großteil der Radfahrer, die das nicht als Sport betreiben – passt diese Schaltung nicht, weil wir nun mal nicht 50 km/h schnell werden: Wir haben die rote Welle. Ich gebe zu, manchmal fahre ich über spätes Gelb, weil ich nun wirklich nicht an jeder Ampel halten möchte. Dann strample ich mich ab, nur damit mich die nächste Ampel wieder anhalten kann.

Es mag sinnvoll sein, eine grüne Welle für Autofahrer zu schalten: Sie minimiert die Schadstoffbelastung, weil man für das Anfahren den Sprit braucht und beim Bremsen der meiste Reifenabrieb entsteht. Im Interesse der Bevölkerung ist eine grüne Welle für Autofahrer also durchaus vertretbar.

Aber das hilft nicht dabei, den Verkehr vom Auto aufs Fahrrad zu verlagern. Wollen wir Luft in unseren Städten haben, die man gut und gerne atmen kann, kommen wir um weniger Autos nicht herum. Im „Masterplan Mobilität“ hat Dortmund die Bedeutung des Radverkehrs schon herausgestellt: Mehr Radverkehr bedeutet weniger Emissionen und weniger Autoverkehr, dadurch soll der Verkehr insgesamt flüssiger laufen.

Hoffnung bleibt

Ein erster Schritt wäre es, die unsäglichen Druckknöpfe sofort außer Betrieb zu nehmen und die Fußgänger- und Radfahrerampeln auch nicht verkehrsabhängig zu überspringen, weil keiner auf den Knopf gedrückt hat. Im zweiten Schritt sollte Dortmund eine grüne Welle für Radfahrer einführen, wo immer das möglich ist. Klar, kann eine grüne Welle nicht auf jeder Strecke und in jede Richtung gleichzeitig funktionieren. Aber zumindest die Hauptachsen des Radverkehrs sollte die Stadt Dortmund sich dafür vornehmen – oder, um einen Vorschlag aus dem Forderungskatalog mehrerer Fahrradverbände zu ergänzen, nicht nur Nebenstrecken zu Fahrradstraßen ausbauen, sondern dort auch noch eine durchgehende Fahrt für Radfahrer ermöglichen.

Ob sich die Stadt Dortmund eine grüne Welle für Radfahrer vorstellen könne? „Die Nutzung des Rades im Stadtgebiet soll attraktiver und sicherer werden“, schreibt der Stadtsprecher. „Es sind einige Ideen entwickelt worden, wie dieses geschehen könnte. Die ‚grüne Welle‘ für Radfahrer ist ein Themenkomplex.“ Das ist noch kein Versprechen. Aber meine Hoffnung bleibt.

Beitragsbild: Rowena Mack

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