Vor 70 Jahren, am 23. Mai 1949, trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Was einst als Provisorium gedacht war, ist immer noch das Fundament unserer Demokratie. Für die Zukunft dieses Fundaments ist es wichtig, dass es an heutige Herausforderungen angepasst wird. Ein Kommentar.
Mit dem Grundgesetz bekam die Bundesrepublik vier Jahre nach Kriegsende wieder eine Verfassung. Auf diesem Gesetz ist unser Staat aufgebaut, es ist das Fundament unserer Demokratie. Von einigen wird die Auffassung vertreten, dass es aus diesem Grund unverändert bleiben sollte. Dabei ist seit der Entstehung des Grundgesetzes viel geschehen. Ändern wir nichts, zerstören wir dieses Fundament.
Grundrechte, schwarz auf weiß!
Selbstverständlich konnte man damals nicht in die Zukunft blicken. Das Internet, heute ein wichtiger Bestandteil unseres täglichen Lebens, lag noch in weiter Ferne. Der Gedanke, dass Kinder sich grundlegend von Erwachsenen unterscheiden und gesonderten Schutz verdienen, musste sich erst noch entwickeln. Homosexualität galt bis in die 90er-Jahre als Krankheit.
Die Artikel des Grundgesetzes sind weitestgehend abstrakt gefasst und müssen juristisch interpretiert werden. Die Intention des damaligen Gesetzgebers kann daher auch auf die heutige Perspektive übertragen werden. Aber das reicht nicht aus, wenn neue Entwicklungen unser Leben und die Gesellschaft grundlegend verändern. Sie sollten im Grundgesetz abgebildet werden, schwarz auf weiß.
Das wichtigste Gesetz von allen
Doch ist es wirklich nötig, für diese Ziele das Grundgesetz zu ändern? Es gibt doch zahlreiche einfache Gesetze, die sich sich mit dem Schutz von Kindern oder dem Internet befassen. Die Ehe für Alle gibt es seit 2017. Zusammen mit internationale Konventionen und den Intentionen des Grundgesetzes wäre der Schutz daher auch gegeben, auch ohne die Verfassung ändern zu müssen.
Dennoch – und dort liegt der Knackpunkt – verwehrt diese Argumentation den Status des Verfassungsrangs. Die Verfassung steht über allen anderen Gesetzen. In ihr sind die Werte und Normen festgehalten, die unsere Gesellschaft definieren. Aber der Schutz der Kinder, der sexuellen Identität und die Freiheit des Internets fehlen dort noch.
Bloß keine Änderungs-Hysterie!
Eine Änderung sollte selbstverständlich nicht überstürzt geschehen, insbesondere nicht aus einer politischen Laune heraus. Wer das Grundgesetz ändert, erneuert das Fundament, auf dem unsere Demokratie aufbaut. Jede Änderung muss dieses Fundament weiter stabilisieren, eine vorher entstandene Lücke auffüllen. Sie darf niemals den Zwecken Einzelner dienen, sondern muss im öffentlichen Interesse geschehen.
Dies ist kein Plädoyer, das Grundgesetz jetzt und heute zu ändern. Aber das Grundgesetz darf nicht als historisches Dokument angesehen werden. Ohne Veränderungen kann das Grundgesetz nicht bei aktuellen Herausforderungen bestehen. Es ist nach wie vor das Fundament, auf dem unserere Demokratie aufbaut. Wir müssen es pflegen, sonst kommt es ins Wanken. Dieser Verfassung, die aus Deutschland nach den Trümmern nach der Nazi-Diktatur eine Demokratie schuf, würde man gehörig Unrecht tun.
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