Upskirting: Ein Strafgesetz ist längst überfällig

“Upskirting”, das heimliche Fotografieren unter den Rock einer Frau, ist in Deutschland keine Straftat. Betroffene Frauen werden damit von der Gesetzgebung alleingelassen und potenzielle Nachmacher ermuntert. Ein Kommentar.

Heimlich unter den Rock einer Frau fotografieren. Was wie ein ekelhafter Scherz klingt, ist so populär, dass es sogar einen Namen dafür gibt: „Upskirting“.

Wirklich wehren können Frauen sich dagegen nicht. Denn Upskirting ist bis heute in Deutschland keine Straftat. Dabei hätte die deutsche Strafgesetzgebung schon 2014 allen Grund zum Erlass eines entsprechenden Gesetzes gehabt.

Damals wurde der damalige Bürgermeister der bayrischen Gemeinde Scheyen dabei erwischt, wie er seine Kamera unter den Rock einer Frau hielt. In dem Ordner „Upskirt-Fotos“ sollen Polizeibeamte 99 Bilder und Filme gefunden haben, die ähnliche Inhalte zeigten. Verurteilt wurde er aber nicht wegen des Fotografierens dieser Frauen, sondern wegen Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Staatsbeamte – zu einer Geldstrafe.

In Deutschland gibt es eine Lücke im Gesetz

Seitdem hat sich in der Gesetzgebung nichts geändert. Laut §201a Strafgesetzbuch ist nur das heimliche Fotografieren in Wohnungen oder intimen Räumen, wie Toiletten oder Umkleidekabinen, verboten. Das Fotografieren in der Fußgängerzone, am Strand oder auf dem Konzert ist hingegen völlig legal – ob es Frau nun passt oder nicht. Verbreitet werden dürfen die Bilder zwar nicht, aber allein, dass sie auf dem Smartphone gespeichert sind, ist entsetzlich. Die intimste Zone einer Frau ohne deren Zustimmung zu fotografieren und sich an diesem Bild zu ergötzen, ist pure Perversion. Hinzu kommt, dass in Zeiten von pornografischen Webseiten und Sozialen Medien sich kaum jemand an das Verbot, diese Bilder zu verbreiten, halten dürfte. Im schlimmsten Fall ist die Frau auf diesem Bild auch noch zu erkennen.

Den Fotografen aufzufordern, das Bild zu löschen, ist eine der wenigen Möglichkeiten, die eine betroffene Frau in dem Moment hat. Rechtlich gesehen, hat sie aufgrund der Gesetzeslücke kaum etwas in der Hand. Sie könnte ihren Täter höchstens wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte anklagen – und so eine Unterlassung, oder mit Glück zusätzlich Schadensersatz erzielen.

Das setzt allerdings voraus, dass sie überhaupt bemerkt, wie jemand sie fotografiert.

Es ist unverständlich, wie eine Gesetzgebung, die die Würde des Menschen als höchstes Gut preist, keine Antwort darauf hat. Das fehlende Strafgesetz wirkt, als wäre eine Frau mitverantwortlich für das “Upskirt-Foto”, wenn sie im Kleiderschrank bewusst zum Rock greift.

Frauen müssen heute noch immer für Rechte kämpfen, die selbstverständlich sein sollten

In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Neuseeland, Australien oder Schottland, wird Upskirting längst bestraft. Anfang des Jahres hat auch die britische Regierung ein Gesetz verabschiedet, welches „Upskirting“ mit bis zu zwei Jahren Haft ahndet. Zu verdanken ist dies dem monatelangen Einsatz der Aktivistin Gina Martin, die selbst Opfer von Upskirting wurde. Sie sammelte mit einer Petition für ein Upskirting-Verbot mehr als 110.000 Unterschriften und gab damit den Anstoß für das Gesetz.

Auch in Deutschland werden Proteststimmen lauter. Mit dem Titel „Verbietet #Upskirting in Deutschland!“ haben zwei junge Frauen Ende März eine Online-Petition gestartet und mittlerweile mehr als 50.000 Unterschriften gesammelt.

Es ist allerdings unbegreiflich, dass es zehntausende Unterschriften braucht, um Upskirting auf die politische Agenda zu setzen. Dass es bis heute in Deutschland keine entsprechende Strafe gibt, ermuntert nicht nur zum Nachmachen. Es spielt die Tat auch noch herab und lässt jede einzelne betroffene Frau mit ihrem Schicksal allein.

 

Beitragsbild: Lukas Wilhelm

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