Der Breitmaulfrosch: Ich entscheide, wo ich mich zu Hause fühle

Ob Glitzerbärte, grüne Smoothies oder hippe Fummel aus der Mottenkiste – über Kunst, Lifestyle, Mode und Kultur lässt es sich gut das Maul zerreißen. Besonders gut kann das der Breitmaulfrosch, der in dieser Kolumne über merkwürdige Trends wütet – dabei nimmt er kein Seerosenblatt vor den Mund. Dieses Mal ärgert sich der Breitmaulfrosch über Menschen, die ihm seine Heimat zuschreiben wollen.

Manchmal weiß der Breitmaulfrosch nicht so wirklich, wo er hingehört. Zwar ist er – wie die Mehrheit der deutschen Bevölkerung – in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber seine Eltern kommen aus dem Kosovo. Damit hat er einen Migrationshintergrund und gehört laut dem Statistischen Bundesamt zu 23,6 Prozent der in Deutschland lebenden Bürger. Das allein ist für zahlreiche Menschen schon ein Anlass, den Breitmaulfrosch auf seine Nationalität zu reduzieren. Sie entscheiden für sich, mit welcher er sich zu identifizieren hat. Das bringt den Breitmaulfrosch zur Weißglut. Um das Phänomen besser zu verstehen, blicken wir einmal in seine Vergangenheit…

Gute Deutsch-Noten passen nicht ins Bild

Die erste Sprache, die der Breitmaulfrosch gelernt hat, war Albanisch. Im Kindergarten erlernte er dann ohne große Schwierigkeiten die deutsche Sprache. Hundertprozentig deutsch fühlte er sich aber nie. Als Kind war es ihm peinlich, wenn andere Leute seine Eltern mit albanischem Akzent und grammatikalischen Fehlern sprechen hörten. Noch schlimmer fand er es, wenn seine Eltern Albanisch mit ihm in der Öffentlichkeit sprachen. In diesen Momenten fühlte er sich anders als die Anderen. Dafür haben unter anderem auch genug Kommentare seiner Schulkameraden gesorgt: “Komisch, dass du so eine gute Note in Deutsch hast, obwohl du eigentlich nicht wirklich deutsch bist” ist nur ein Beispiel dafür.

Deutscher Albaner oder albanischer Deutscher?

Wenn er dann seine Familie im Kosovo besuchte, wurde er mit ähnlichen Aussagen konfrontiert – aber in umgekehrter Form: “Rede beim Einkaufen nicht zu viel. Wenn sie merken, dass du deutsch bist, wird es teurer für dich.” Das verwirrte den Breitmaulfrosch. Ist er jetzt deutsch oder nicht? Ist er ein Breitmaulfrosch mit Migrationshintergrund? Ist er ein albanischer Breitmaulfrosch? Ist er Deutscher mit kosovo-albanischen Wurzeln? Ein Albaner, der in Deutschland lebt? In albanischen Gedichten hat er zumindest gelernt, dass albanisches Blut durch seine Adern fließt. Das war ihm aber ein bisschen zu patriotisch.

Was spricht gegen zwei Heimatländer?

Je mehr es sich Außenstehende herausnahmen, seine nationale Identität zu definieren, desto wütender wurde der Breitmaulfrosch. Auch heute ist es nicht besser, wenn seine Freunde in Deutschland behaupten, dass er eigentlich gar nicht albanisch sei, weil er ja in Deutschland geboren wurde. Egal wie man es dreht, dem Breitmaulfrosch gefällt es gar nicht, wenn andere ständig meinen, ihm sagen zu müssen, aus welchem Tümpel oder Teich er eigentlich kommt. Kann er nicht für sich selbst entscheiden, womit er sich identifiziert? Und um es mal völlig provokativ auf die Spitze zu treiben: Kann er nicht einfach zwei Heimaten haben? Warum kann er nur entweder Deutsch oder Albanisch sein? Warum darf er nicht beides sein? Ist das so abwegig? Für die meisten anscheinend schon. Denn die brauchen – aus welchen Gründen auch immer – eine Nationalität, mit der sie den Breitmaulfrosch identifizieren können. Zwei wären ja völlig absurd. Das würde einen bestimmt total überfordern.

Draußen Deutsch, zu Hause Albanisch

Eines weiß der Brautmaulfrosch ganz sicher: Er fühlt sich sowohl in Deutschland als auch im Kosovo zu Hause und kann beide Sprachen fließend sprechen. In seiner Kindheit haben ihn sowohl die deutsche als auch die albanische Sprache, Kultur und Mentalität geprägt. In der Schule hatte er sein deutsches Umfeld, zu Hause sein albanisches. Mit seinen Freunden sprach er Deutsch, mit seiner Familie Albanisch. Und je selbstbewusster er über die Zeit wurde, desto mehr liebte er das. Am meisten macht es ihm Spaß, beide Sprachen zu vermischen, wenn er mit Familienmitgliedern in Deutschland spricht. Das ist einer der Sachen, die ihm das Gefühl gibt, dass er beides sein kann. Nicht nur eins von beidem.

Wenn das Bild zu bröckeln droht

Aber das will irgendwie nicht in die Köpfe der Leute rein. Sie haben ein ganz bestimmtes Bild. Für sie geht entweder das eine oder das andere. Und wenn etwas von dem einen nicht zum anderen passt, empfinden sie es als unlogisch. Ihr so perfekt geschaffenes Bild droht, zu bröckeln. Eine Person, die ausländische Eltern hat und trotzdem gute Deutsch-Noten schreibt? Nein, das passt nicht zusammen. Das ist ja ein völliges Ausnahmephänomen. Jemand, der in Deutschland aufgewachsen ist und seine nicht-deutsche Muttersprache trotzdem fließend beherrscht? Völlig realitätsfern.

Aber nicht für den Breitmaulfrosch. Er hat zwei Heimatsländer. Er lässt sich von niemandem mehr sagen, wo sein zu Hause ist. Denn er fühlt sich sowohl im Teich als auch im Tümpel wohl. Er ist ein albanischer und ein deutscher Breitmaulfrosch.

 

Beitragsbild: Aurora Lushtaku

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1 Kommentare

  1. says: E A

    Hallo,
    ich kann sagen, dass ich mich mit diesem Artikel ziemlich gut identifizieren kann. Der Artikel spiegelt die Situationen in denen ich oft selber war. Das ständige switchen zwischen albanisch und deutsch sein hab ich auch nie als etwas negatives wahrgenommen. Ganz im Gegenteil, ich hab mich als etwas besonderes gesehen auch wenn das die Realität vieler Menschen ist.
    Bei meinen Abiturvorbereitung bin ich auf einen Ihrer Artikel gestoßen welcher im Abitur 2020 Englisch GK behandelt worden ist und da musste ich den albanischen Namen der Autorin erst mal selber Googlen. Hätte ich in dem Jahr das Abitur geschrieben hätte ich mich ganz sicherlich für Ihren Text entschieden (“Warum mehr Migranten Journalisten werden sollten”). Hoffe morgen im Abi wird wieder einer von Ihnen dran kommen 🙂

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