Immer mehr US-Staaten verschärfen ihre Abtreibungsgesetze. Und auch in einigen europäischen Ländern ist es Frauen nur in Ausnahmefällen erlaubt abzutreiben. Aber Verbote bringen nichts. Sie katapultieren uns nur in eine Zeit zurück, in der Frauen illegal abtreiben: allein gelassen, in irgendwelchen Hinterzimmern und mit mangelnder Hygiene. Ein Kommentar.
Nackt kniet Gerri Santoro auf dem Boden eines Motel-Zimmers. Der Oberkörper ist nach vorn gebeugt, der Kopf liegt auf der Seite. Zwischen ihren Beinen ein Handtuch, drumherum überall Blut. Sie hat versucht, ihr ungeborenes, uneheliches Kind abzutreiben. Aus Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Sie ist verblutet.
Grausame Szenen, aufgenommen im Jahr 1964. Das Foto, das die Polizei von der Amerikanerin machte, nachdem die Beamten sie fanden, ging durch die Presse, wurde weltberühmt. Und ist seitdem ein Symbol für Bewegungen, die ein Recht auf selbstbestimmte Abtreibungsentscheidungen fordern.
Denn auch heute ist dieser Kampf noch nicht vorbei. Leider. Auch heute treiben Frauen selbst ab, oder lassen den Abbruch von Laien durchführen, weil der Zugang zu legalen Eingriffen fehlt. Gerade in Afrika, Asien und Lateinamerika ist das der Fall, sagt eine Studie der Weltgesundheitsorganisation und des amerikanischen Guttmacher-Instituts. Aber auch in europäischen Ländern wie Polen werden illegale Abtreibungen mit unsicheren Methoden durchgeführt.
Ungewollt Schwangere werden im Stich gelassen
In Polen ist eine Abtreibung nur erlaubt, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, der Embryo massive Fehlbildungen hat, oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist. Ärzte können eine Behandlung aber durch eine Gewissensklausel verweigern, auch wenn eine dieser Ausnahmen greift.
Dabei sollte doch der einzige Mensch, der bei einer Abtreibung auf sein Gewissen hören muss, die schwangere Frau selbst sein.
Laut Medienberichten treiben Schätzungen zufolge in Polen jährlich circa 100.000 Frauen illegal ab. Frauen, die weder einen illegalen Eingriff bezahlen, noch über die Grenze nach Deutschland fahren können, müssen sich oft selbst helfen: Mit dem Draht eines Kleiderbügels, Tabletten, oder Schlägen auf den Bauch. Trotzdem wollen Volksinitiativen das Abtreibungsgesetz noch weiter verschärfen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt schon vor.
In den USA haben allein in diesem Jahr sieben Bundesstaaten ein sogenanntes Herzschlag-Gesetz eingeführt. Ein Schwangerschaftsabbruch nach der sechsten Woche ist damit fast unmöglich. Im europäischen Malta sind Schwangerschaftsabbrüche sogar komplett verboten. Wer gegen das Gesetzt verstößt, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.
Verbote halten fest entschlossene Frauen nicht auf
Politik und Gesellschaft scheinen nichts aus der Vergangenheit und Gegenwart vieler Frauen gelernt zu haben: Abtreibungsverbote führen nicht zu weniger Abtreibungen – das haben sie nie. Schon immer haben Frauen aus den verschiedensten Gründen abgetrieben und werden es weiterhin tun. Wer hält sich schon an Verbote, wenn er dadurch die eigene Freiheit über sein Leben verliert?
Zu oft wird unterstellt Frauen würden sich leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Aber keine Frau tut das leichtfertig. Es ist immer schrecklich, wenn einem neuen Leben keine Chance auf ein Leben gegeben wird. Aber die Betroffenen haben ihre ganz individuellen und guten Gründe dafür. Niemand sollte sich anmaßen, diese nachvollziehen zu können.
Legale Abtreibungen bedeuten nicht mehr Schwangerschaftsabbrüche
Deswegen sollten Staaten Frauen wenigstens die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden: für oder gegen eine Abtreibung. Egal, was die eigene Meinung zu dem Thema ist – niemand darf und kann in diesem Fall für andere entscheiden. Kein Gesetz, kein Geistlicher, kein Arzt. Abtreibungen müssen legal und möglich bleiben. Überall.
Nur weil Abtreibungen legal sind, heißt das schließlich nicht, dass sie auch von jeder ungewollt schwangeren Frau in Anspruch genommen werden. Die Niederlande zum Beispiel haben eines der liberalsten Abtreibungsgesetze der Welt und trotzdem wenige Abtreibungen. Natürlich liegt das auch daran, dass es in dem Land einen guten Zugang zu Verhütungsmitteln und umfassender Aufklärung gibt.
Es mangelt an früher Aufklärung
Anstatt Frauen die Chance auf eine Abtreibung zu verwehren, sollte man also vielmehr die Gründe für eine ungewollte Schwangerschaft verhindern. Wer glaubt das Motto „Kein Sex vor der Ehe“ reiche, um einer ungewollten Schwangerschaft keine Chance zu geben, glaubt wahrscheinlich auch, dass die Erde eine Scheibe ist. Viel zu oft gibt es auch in Industrienationen beim Sexualkundeunterricht noch Verbesserungsbedarf.
Natürlich ist Unwissenheit über die richtige Verhütung nicht immer der Grund für eine ungewollte Schwangerschaft. Solange die Frau vorher von einer Ärztin oder einem Arzt gut über die Abtreibung und ihre Folgen informiert worden ist, und die Schwangerschaft noch nicht zu weit fortgeschritten ist, sollte sie einen Abbruch auch durchführen lassen dürfen. Da hat kein Staat und kein Politiker oder sonst eine andere Person mitzureden.
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