Kommentar: Corona – Eine Chance für den Profifußball?

Aktuell ruht der Ball, im wahrsten Sinne des Wortes, aber die Diskussionen reißen nicht ab. Wann wird wieder gespielt? Wie wird wieder gespielt? Und wie sieht das eigentlich mit dem Sommertransferfenster aus? Fragen über Fragen, zu denen sich verschiedene Fußballfunktionäre öffentlich zum Teil sehr kontrovers zu äußern. Doch eine andere viel wichtigere Frage wird meistens außen vorgelassen, obwohl sie vielschichtig Probleme lösen könnte, die durch das Coronavirus noch einmal verstärkt hervortreten: Wie soll der Profi-Fußball wirtschaften?

Gerade in den letzten Jahren sind die Verhältnisse im Fußball deutlich auseinander geglitten. Dabei zeigt der Profi-Fußball erstaunliche Parallelen zu unserer modernen Gesellschaft – Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Als umsatzstärkster Verein weltweit setzte der FC Barcelona, laut der Studie “Football Money League”, in der Saison 2018/19 rund 840,8 Millionen Euro um. Damit ist der Umsatz der Katalanen mehr als doppelt so hoch, wie der von Borussia Dortmund im gleichen Zeitraum (377,1 Millionen Euro) und dabei gehört der BVB schon zur europäischen Elite. Diese Verhältnisse vergrößern sich immer mehr je weiter man Geldrangliste nach unten geht. Kleinere Bundesligateams kratzen beispielsweise gerade mal an der Grenze zu 100 Millionen Euro Umsatz. Und der Aufsteiger SC Paderborn ist selbst von dieser Grenze noch weit entfernt.

Dieses finanzielle Ungleichgewicht hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die großen Teams zumeist die Titel unter sich aufgeteilt haben und dass es kleinere Teams es immer schwerer haben mitzuhalten und größtenteils schon abgehängt wurden. Dies führt zu einer immer größeren werdenden Eintönigkeit in den verschiedenen Wettbewerben. Beispiele hierfür gibt es zahlreiche.

Langeweile durch finanzielle Unterschiede

In Deutschland ist der FC Bayern mittlerweile sieben Mal in Folge Deutscher Meister geworden, in Italien konnte Juventus Turin sogar achtmal in Folge die Meisterschaft erringen und der FC Liverpool hat in England von den letzten 67 Ligaspielen nur zwei verloren und ist im letzten Jahr trotzdem nicht Meister geworden, weil Manchester City noch besser war. Die Spitzenteams zementieren in allen Ländern die Top-Plätze in den Ligen. Weiter unten gibt es ähnliche Erscheinungen. Aufsteiger haben es immer schwerer, längerfristig die Liga zu halten und mittlerweile sieht man fast nur noch die gleichen Teams mit geringer jährlicher Variation in den europäischen Topligen.

Diese finanziellen Unterschiede, welche letztlich zu qualitativen Unterschieden in den Teams führen, hängen mit den Verteilungen von Preis- und TV-Geldern zusammen. Alle Teams, die regelmäßig in der Champions-League, dem größten europäischen Wettbewerb, spielen haben gegenüber den anderen Teams einen astronomischen finanziellen Vorteil. Allein die Startprämie für die Gruppenphase liegt bei 15,25 Millionen Euro. Mit weiteren Prämien wachsen so die Unterschiede zwischen Champions-League-Teams und dem Rest immer weiter

Doch wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf diese finanzielle Ungleichheit aus?

Im Endeffekt ist es hier im Fußball, wie in anderen Wirtschaftszweigen. Die Großen überleben, die Kleinen krepieren dahin. Die großen Teams haben so ein großes finanzielles Kissen, dass sie selbst durch die finanziellen Belastungen der Corona-Krise keine existentiellen Bedenken haben müssen.

Ganz anders ist dies bei den finanzschwächeren Teams. Da diese Teams ja irgendwie mit den Großen mithalten müssen, wirtschaften sie sehr risikoreich. Schalke 04 beispielsweise drohte die Zahlungsunfähigkeit. Der Revierclub hatte die vierte Rate der TV-Prämien nämlich schon fest in ihrem Haushalt eingeplant und teilweise schon ausgegeben. Hätte sich am Donnerstag (30. April) die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nicht mit den TV-Sendern (mit Ausnahme eines Senders) geeinigt, zumindest einen Teil dieser Prämien vorauszuzahlen (ein Drittel) wäre es für Schalke eng geworden und auch jetzt ist noch nichts sicher, denn die Ausschüttung des restlichen Geldes erfolgt nur, wenn die Saison auch zu Ende gespielt wird. Das ist auch der Hauptgrund, warum die DFL und die Bundesliga-Teams so auf eine Saisonfortsetzung drängen. Viele Vereine würden sonst nämlich in eine finanzielle Schieflage geraten.

Den Bundesligateams geht es hierbei aber noch vergleichsweise gut. Vereine der Zweiten, Dritten und Frauen-Bundesliga haben deutlich weniger finanzielle Mittel und sind somit noch mehr auf die TV-Gelder und den Kartenverkauf angewiesen. Der Karlsruher SC, der aktuell in der 2.Bundesliga spielt, lässt seine Mitglieder beispielsweise am 15.Mai darüber abstimmen, ob man eine Insolvenz beantragen soll. Der ohnehin hoch verschuldete Verein, würde pro Geisterspiel weitere 500.000 Euro mehr Verlust machen. Aufgrund dieser Vorbelastung, die durch die Corona-Krise und ausbleibenden TV-Geldern verstärkt wird, scheint ein Insolvenzverfahren der letzte Ausweg des Clubs zu sein.

Doch was kann man ändern?

Es ist offensichtlich, dass die finanziellen Belastungen von Profifußball für viele Clubs in Krisenzeiten nicht zu stemmen sind und dass dies größtenteils mit den unfairen Wettbewerbsbedingungen zusammenhängt, dass die TV-Gelder und andere Prämien ungleich verteilt werden. Die einzige Möglichkeit dieses Problem zu ändern ist, die finanziellen Belastungen der Clubs zu verringern und Prämien gerechter zu verteilen.

Die Gehaltsobergrenze

Eine Möglichkeit, die finanziellen Belastungen für die Proficlubs zu drosseln, ist eine Gehaltsobergrenze für Spieler und Trainer. Erst kürzlich hat sich der Vorstandschef von Fortuna Düsseldorf Thomas Röttgermann für diese Maßnahme ausgesprochen, um „die Entwicklung der Vereine und des Fußballs insgesamt nicht zu gefährden“. Spielergehälter stellen den Großteil der finanziellen Belastungen der Clubs dar und gerade im Wettbewerb mit den anderen Clubs, ist es für einzelne Teams undenkbar eigenständig daran etwas zu verändern. Auch der Geschäftsführer der DFL Christian Seifert hat betont, dass man sich in Zukunft darüber Gedanken machen müsse. Er persönlich ist sogar, wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in einem Interview bestätigte, für eine Deckelung des Gehalts.

Ein Problem bei diesem Plan ist allerdings, dass die Bundesliga diesen Schritt nicht alleine gehen kann. Dieser Weg müsste mindestens von der UEFA, wenn nicht gar der FIFA gegangen werden, damit zwischen den einzelnen Ländern keine Ungleichheit entsteht. Ob das passiert ist aktuell fragwürdig. Die großen Fußballverbände sind von Korruption zerfressen, wie die Enthüllungen der „Football Leaks“ gezeigt haben. Während bei der Fifa wohl ein einfacher Check reicht, um den Präsident Gianni Infantino von einer Meinung zu überzeugen, hat die UEFA viel zu viel Angst vor der ECA (European Club Association), in der die großen Clubs ihre Meinung durchsetzen und gerne mal damit drohen, aus der UEFA auszusteigen. Hier ruht die Hoffnung allein auf UEFA-Präsident Aleksander Ceferin, der nun als Vermittler zwischen den großen und kleinen Clubs gefragt ist. Ceferin ist bereits lange vor der Corona-Krise als Befürworter der Gehaltsobergrenze aufgetreten.

Anpassung des Verteilungsschlüssels

Ein weiterer Ansatzpunkt wäre eine Veränderung des Geldverteilungsschlüssels, sodass finanziell weniger betuchte Vereine mehr bekommen, als Vereine, die ohnehin einen Investor oder anderweitig genug Geld haben- aktuell werden die Prämien in der Bundesliga noch größtenteils nach dem Abschneiden der Clubs ausgeschüttet. Ein Vorteil hierbei wäre die Sicherung der Liquidität der kleineren Teams und größere finanzielle Ausgeglichenheit der Clubs untereinander, was zu einem spannenderen Wettbewerb führen könnte. Diese meiner Meinung nach gute Idee wird allerdings vermutlich leider Utopie bleiben. Die großen Teams werden sich nicht einfach so die Butter vom Brot nehmen lassen und auch die Verbände werden Schwierigkeiten haben, dies durchzusetzen. Dennoch wäre dies ein geeigneter Weg, um für mehr Ausgeglichenheit in den Wettbewerben zu sorgen.

Die Budgetobergrenze

Eine Erweiterung der Gehaltsobergrenze wäre eine Budgetobergrenze. Hierbei wird von dem Verband, bestenfalls dem größten Verband (Fifa), vor jeder Saison festgelegt, wie viel Geld ein Club in dieser Saison in den Kader investieren darf. Neben einer Beschränkung des Gehalts würde dies auch bedeuten, dass die Höhe von Transferausgaben beschränkt würden. Aktuell hat die UEFA als einziges Mittel, um den überhitzten Transfermarkt zu bändigen das „Financial Fairplay“. Dieses Reglement besagt, dass über drei Saisons die relevanten Ausgaben die relevanten Einnahmen eines Clubs nicht überschreiten dürfen. Diese Regel wurde in der Vergangenheit leider nur spärlich durchgesetzt.

Eine Budgetobergrenze könnte gleich zwei Probleme auf einmal lösen – nämlich die hohen Gehälter und die hohen Transferausgaben. Auch hier gilt es, auf die Verbände zu vertrauen und zu hoffen, dass die UEFA oder die FIFA diesen Schritt geht, ohne gegen die großen Clubs einzuknicken. Eine Budgetobergrenze wäre meiner Meinung nach das geeignetste Mittel, um der finanziellen Ungleichheit des professionellen Fußballs Herr zu werden.

Und was ist wahrscheinlich?

Insgesamt sind alle diese Vorschläge natürlich reines Wunschdenken und vor einem halben Jahr hätte keiner Ansatzweise geglaubt, dass solche Regelungen in mittelfristiger Zukunft zu Stande kommen. Doch durch die Corona-Krise bietet sich nun eine unglaubliche Chance, etwas zu verändern. Die Vereine haben aufgezeigt bekommen, wie verheerend ihr bisheriges Wirtschaften sein kann und mittlerweile äußern sich viele Verantwortliche für Änderungen in diesem System. DFL- Chef Seifert hat bereits angekündigt eine “Taskforce Zukunft” einzurichten, wo über diese Themen diskutiert werden soll. Eine Gehaltsobergrenze scheint hier die wahrscheinlichste Lösung zu sein und nun ist die Stunde von UEFA-Präsident Aleksander Ceferin gekommen, seinen Worten endlich Taten folgen zu lassen. Es ist nicht sicher, dass sich etwas ändern wird, aber zumindest möglich scheint es – und das alles dank Corona.

Bildquelle: pixabay.de/ jossuetrejo_oficial

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