Satire ist beliebt wie nie. Besonders junge Menschen konsumieren Formate wie die heute-show oder extra3 und bekommen so einen verzerrten Blick auf die Politik. Das hat Folgen für unsere Demokratie. Ein Essay.
„Aber bitte mich nicht lächerlich machen“, sagt die Demonstrantin. Gerade hat sie gesagt, dass sie von der AfD begeistert sei. „Warum sollte ich sie jetzt lächerlich machen?“, entgegnet ZDF-Reporterin Dunja Hayali und legt ihr die Hand auf Schulter. „Ich habe das schon in der heute-show gesehen, wie die Leute vorgeführt werden.“
Diese Angst braucht die Demonstrantin bei Hayali nicht zu haben. Die Journalistin versucht, in ihrer Sendung zu verstehen, was AfD-Wähler*innen umtreibt. Doch längst nicht alle Reporter*innen sind an einem echten Dialog interessiert.
Woher das Misstrauen kommt, lässt sich auf einer AfD-Demo in Berlin im November 2015 beobachten. Als Clown verkleidet verkündet heute-show-Reporter Ralf Kabelka den Beginn der Karnevalssession. Sein Ziel: Die 5000 Jecken der AfD, wie er sie nennt, möglichst lächerlich machen. Ein Demonstrant will wissen, wer die Clownsklamotte bezahlt hat. Kabelka nimmt die Einladung zur Provokation gerne an: „Die haben Sie, so gesehen, über ihre Rundfunkgebühren bezahlt. Das hat 450 Euro gekostet und danach schmeiß ich‘s in den Müll!“ Das Publikum johlt. Klingelstreichhumor für Erwachsene.
Erst kürzlich hat die heute-show einen Allzeitrekord aufgestellt – fast fünfeinhalb Millionen Menschen sahen die Folge vom 20. März. Unter ihnen besonders viele junge Menschen. Ihr Anteil an den ZDF-Zuschauer*innen verdreifacht sich regelmäßig, wenn die heute-show läuft.
Was gut für die Sendung ist, ist oft nicht gut für das Land.
Oliver Welke, Moderator heute-show
Nicht nach unten treten, lautet eine der ungeschriebenen Regeln der Satire. Viel zu oft treten Satiriker*innen diese Regel mit Füßen. Noch dazu im besten Wissen. „Was gut für die Sendung ist, ist oft nicht gut für das Land“, sagt heute-show-Moderator Oliver Welke im Phoenix-Interview. Auch bei Instagram, wo dem Kanal der heute-show mehr als 1,3 Millionen User*innen folgen, ist die AfD ein beliebtes Ziel. Die Satire scheint zu rufen „AfD-Wähler sind alle dumm und Nazis“, in der Hoffnung, die AfD-Wähler*innen würden antworten: „Danke für diese nette Information, dann wähle ich jetzt wieder eine richtige Partei.“ Wohl kaum.
Im besten Fall sorgt Satire hier für erheiternde Selbstbestätigung. Im schlechtesten Fall vertieft sie existierende Gräben. Satire erschwert dadurch nicht nur einen für die Demokratie notwendigen Diskurs, sondern bringt diejenigen zum Schweigen, die für einen tatsächlichen Austausch noch empfänglich sind.
Hassliebe ohne Liebe
In den Jahren der „Medienpartnerschaft“ zwischen heute-show und AfD hat sich eine „Hassliebe, nur ohne Liebe“ etabliert, wie es die Satiresendung formuliert. Natürlich ist die Partei um Bernd Höcke, wie ihn die Sendung zu seinem Ärger nennt, eine Gefahr für jeden demokratisch-freiheitlich denkenden Menschen. Also gerade für Satiriker*innen. Bereits im letzten Jahrhundert waren es humoristische Filmgrößen wie Charlie Chaplin und Ernst Lubitsch, die sich mit als erste am Faschismus abarbeiteten – gegen alle Widerstände. „Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist“, sagt der Altmeister der deutschen Satire, Kurt Tucholsky. „Er will die Welt guthaben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.“
Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist.
Kurt Tucholsky, Satiriker und Schriftsteller
Und so läuft die deutsche Satirelandschaft leider viel zu oft mit albernen Gags ohne inhaltlichen Unterbau gegen den Rechtspopulismus an. Gebracht hat das bisher allenfalls, dass Passant*innen regelrecht flüchten, wenn sie von den Kameras der Satiriker*innen aufgesucht werden.
Seit 2018 ist die AfD in allen Länderparlamenten vertreten. Glücklicherweise hat der Umgang mit der Partei in den Jahren an Tiefgang gewonnen. „Du musst sie inhaltlich packen, sonst macht man ihnen diese Opferrolle, die alle Populisten gerne spielen, viel zu leicht“, sagte Oliver Welke zuletzt im Schweizer Fernsehsender SRF. „Wenn man sie da mal demaskieren kann, tut man ihnen viel mehr weh als mit den üblichen Witzen, die wir aber auch machen“.
Alle dürfen singen und tanzen
Wer Politik nur durch die Brille satirischer Sendungen betrachtet, dürfte allerdings wenig Hoffnung haben, dass Politik überhaupt irgendetwas Sinnvolles zustande bringt. Jede Woche präsentieren die Satiresendungen ein illustres Kabinett der Unfähigen. Was macht das mit unserem Verständnis von Politik? Politiker*innen wie Andreas Scheuer oder diese Vorsitzende von der SPD mit der Frisur von Jogi Löw, deren Name, Saskia Esken, kaum eine Rolle spielt, sind Schießbudenfiguren – zur Belustigung frei gegeben.
Allein „Philipp Amthor“ zu sagen, reicht aus, um einen Lacher zu landen. Der „älteste 26-Jährige der Welt“, wie die heute-show den jungen CDU-Abgeordneten nannte, ist zum Synonym für ein Politikerbild geworden, das in Teilen über Satiresendungen vermittelt wird. Ein Haufen vermeintlich merkwürdiger Gestalten, denen man zwar jede Dämlichkeit zutraut – nur keine gute Politik. „Bei der Funktion, die Philipp Amthor eigentlich hat, ist er doch außergewöhnlich präsent in der Medienlandschaft. Der Name sagt jedem etwas. Wenn Köpfe bekannt werden, ist das auf jeden Fall nicht schädlich für eine politische Karriere“, sagt Medienwissenschaftler und Politikberater Benedikt Porzelt.
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Doch dafür zahlen sie einen Preis: Armin Laschet singt schief auf einer Karnevalsveranstaltung, Theresa May tanzt steif zum Pult und auch Andrea Nahles durfte zu jeder passenden Gelegenheit trällern. Musik und Politik, einfacher ist die Lächerlichkeit nicht zu erzielen. Hier werden nicht nur Personen demontiert. Gleichzeitig wird auch ihre Glaubwürdigkeit beschädigt, die unerlässlich für die Demokratie ist.
Also die Satire abschaffen und auf diese Weise die Demokratie retten? So einfach ist das natürlich nicht. Durch seichtere Humorfarben können Satiresendungen Menschen erreichen, die sonst durch klassische Formate nicht mehr mit Politik in Kontakt kommen. Manche Medienwissenschaftler*innen vertreten die These, Satire könne eine Art Einstiegsdroge in politische Themen sein. Ob Satire eine produktive Wirkung hat oder durch oberflächliche Auseinandersetzung zu Politikverdrossenheit führt, darüber ist sich die Wissenschaft uneinig. Belege lassen sich für beide Thesen finden.
„Für die Politikverdrossenheit sorgen die Politiker schon selber, dafür brauchen sie uns nicht“, meint Oliver Welke scherzhaft im SRF-Interview. Ganz unrecht hat er nicht. Satire selbst dürfte kaum zu Politikverdrossenheit führen, sie in manchen Fällen aber sicher verstärken.
Apokalypse mit Zuckerglasur
Schon lange erreicht die heute-show regelmäßig mehr Zuschauer*innen als ihr seriöses Pendant heute-journal – unter ihnen besonders viele junge Zuschauer*innen. Satire habe den Vorteil, dass sie „schlimme Sachen mit so einer Zuckerglasur überzieht, alles in so eine unterhaltsame Form bringt. Und das ist jener Modus, in dem Jugendliche eher unterwegs sind“, sagt Kabarettist und Journalist Dietrich Krauß, der für die heute-show und für die Satiresendung „Die Anstalt“ textet, im Gespräch mit KURT.
Was bringt uns eher um? Der Klimawandel oder doch der multiresistente Keim?
Oliver Welke, heute-show am 27.09.2019
Und ganz egal, wohin die jungen Leute blicken, die Apokalypse scheint nie weit. „Was bringt uns eher um? Der Klimawandel oder doch der multiresistente Keim?“, fragt die heute-show. Der ironisch-fatalistische Blick auf die Welt macht die eigentliche Resignation erträglicher. „Vielleicht kann man wenigstens drüber lachen, während man mit der Faust in der Tasche versucht, nicht auszurasten“, bringt der junge Kabarettist Moritz Neumeier stellvertretend die Grundhaltung einer in Teilen resignierten Generation auf den Punkt.
Egal, ob Artikel 13 oder Klimawandel, der politische Nachwuchs dringt nicht durch und schlägt mit Protest oder Gleichgültigkeit zurück. Eine Mischung, die die Satirepartei „Die Partei“ mit ihren provokanten Aktionen perfekt auffängt. So stimmt Spitzenkandidat Martin Sonneborn im Europaparlament abwechselnd mit ja und nein – unabhängig vom Thema. Bei der letzten Europawahl 2019 war „Die Partei“ unter Erstwähler*innen die drittstärkste Kraft. Was behäbige Parteipolitik von SPD und CDU nicht vermochte, schafft nun die Satire: Junge Menschen für Politik zu interessieren.
Oh wow. Bei ErstwählerInnen holt @DiePARTEI fast so viele Stimmen wie die Union. #Europwahl2019 pic.twitter.com/cyXE6N0gPG
— Ann-Kathrin Hipp (@ak_hipp) May 26, 2019
Satire als Waffe
Was Satire bewirkt, hängt immer davon ab, wie sie sich verhält. Satire, die sich oberflächlich an Köpfen abarbeitet, ist in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft ein Brandbeschleuniger, der Themen entpolitisiert, Menschen vorführt und verletzt. Kluge Satire ist Machtkritik, die wichtige Debatten vorantreiben kann. Ein mutiger Diskurs und Aufmerksamkeit für lieber verborgen Gehaltenes ist unerlässlich für eine langfristig funktionierende Demokratie. Das kann Satire unterstützen, darf sich gleichzeitig aber nicht ihrer Verantwortung entziehen, sei der Witz noch so verlockend. Es sollten die Mächtigen sein, die Angst vor den Waffen der Satire haben und nicht die Menschen auf der Straße.
Beitragsbild: Aurélien Guillery