Das Politik-Sommerloch musste augenscheinlich schnell befeuert werden. Oder wieso hat sich die Wehrbeauftragte des Bundestages, SPD-Politikerin Eva Högl, am Samstag für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen? Die Gründe der Wehrbeauftragten sind dabei genauso schleierhaft wie der Zeitpunkt ihres Vorschlags.
Eva Högl nennt das Ende der Wehrpflicht 2011 einen „Riesenfehler“. Von der Wiedereinführung erhofft sich Högl eine demokratische Stärkung der Truppe, nachdem es dort mehrere rechtsextremistische Vorfälle gab. Sie begründet ihren Vorstoß: “Es tut der Bundeswehr jedenfalls sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeit lang seinen Dienst leistet.” Wer dieser große Teil der Gesellschaft ist, ob angehende Studierende oder Auszubildende, bleibt eine offene Frage – neben der Dauer und der Art und Weise der Ausbildung.
Wehrpflicht verhindert keinen Rechtsextremismus in der Bundeswehr
Die Wehrbeauftragte preist jetzt die Wiedereinführung der Wehrpflicht als ein Heilmittel gegen Rechtsextremismus in den Reihen der Bundeswehr an. Einen Zwangsdienst für eine ganze Generation einzuführen, um rechtextreme Tendenzen zu bekämpfen, ist aber das falsche Mittel. Denn es gibt keinen Beleg dafür, dass eine Wehrpflichtarmee weniger anfällig für solche Tendenzen wäre, als eine Armee aus freiwilligen Wehrdienstleistenden.
Besser ist da der Vorstoß von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die das Kommando Spezialkräfte (KSK) grundlegend umstrukturieren möchte. In den Reihen der KSK seien rechtsextreme Tendenzen einiger Streitkräfte bekannt geworden. Eine ganze Kompanie soll aufgelöst werden. Bis zum 31. Oktober habe die Elitetruppe Zeit bekommen, sich zu bewähren, so Kramp-Karrenbauer.
Geld sollte besser angelegt werden als in die Bundeswehr
Schon ohne Wehrpflicht werden über 45 Milliarden Euro an das Verteidigungsministerium ausgegeben. Damit erhält das Ministerium von allen am zweitmeisten! Über fehlende Ausrüstung braucht in diesem Kontext gar nicht erst geschrieben werden.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht würde weitere Milliarden verschlingen. Milliarden, die besser in Bildung, Umwelt oder die Digitalisierung investiert werden müssten. Außerdem würde sich der Aufbau neuer Kasernen und Ausbildungszentren gar nicht lohnen, weil Wehrdienstleistende nur so kurz dienen, dass sie an die komplexen Arbeitsweisen und Waffensysteme nicht herangeführt werden könnten.
Außerdem ist der Zeitpunkt von Högls Vorschlag wahrlich unpassend. Die Frage wird nächstes Jahr eher laut: „Wo können wir finanzielle Mittel einsparen, um den Corona-Haushalt wieder auszugleichen?“. Wahrscheinlich bei der Bundeswehr.
Freiwilligkeit sollte auch beim Wehrdienst bestehen bleiben
Und dann ist da noch ein Vorschlag von Annegret Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin. Sie bevorzugt eine halbjährige militärische Grundausbildung. Ein weiteres halbes Jahr sollen die Wehrdienstleistenden im Bereich der „Reserve“ in ihrer Heimat dienen. Auch das scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein.
Wer nach der Schule noch nicht weiß, was er machen möchte, geht für gewöhnlich in ein Freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr, ins Ausland oder eben freiwillig zur Bundeswehr. Im 21. Jahrhundert sollte jedem selbst überlassen werden, was er oder sie machen möchte. Denn meist erhöht die Freiwilligkeit der eigenen Arbeit auch den Erfolg in ihr.
Wehrbeauftragte wollte mit der Idee auf sich aufmerksam machen
Bleibt nur noch die Frage übrig, wieso Eva Högl diesen Vorstoß überhaupt gemacht hat: Wahrscheinlich wollte sie damit verlautbaren, dass es den Posten des Wehrbeauftragten noch gibt und sie die richtige Person dafür ist. Den Posten hält Högl zwar erst seit Mai inne, hat aber seit Beginn ihrer Arbeit viel Gegenwind bekommen. Anders lässt sich nicht erklären, wieso sie mit einem so medienwirksamen Vorschlag zur unpassenden Zeit Schlagzeilen macht. Vielleicht hätte sie sich erstmal einarbeiten sollen.
Archivfoto: Bundeswehr/Faller