Zwischen Gartenzwerg und Bio-Lifestyle: Schrebergärten im Wandel

Perfekter Rasen, symmetrisch angeordnete Gemüsebeete und penibel herausgeputzte Gartenzwerge. Schrebergärten sind das Symbol deutscher Spießigkeit. Dieses Bild verändert sich. Ein Besuch bei Jonas, 24 Jahre alt und begeisterter Kleingärtner.

Wer zu Jonas Adrian möchte, braucht ein gutes Gedächtnis und einen genauen Orientierungssinn. Zwischen den Hecken, Lauben und Gemüsebeeten kann man sich leicht verlaufen. Wer es geschafft hat, der entdeckt Jonas schließlich in einem der vielen Gewächshäuser hinter einer kleinen Hecke – in seinem eigenen grünen Reich. Der 24-Jährige hat sich seinen Traum vom Schrebergarten erfüllt. Seit Januar gehören ihm 400 Quadratmeter Grün, mitten in einer riesigen Kleingartenkolonie in Soest in der Nähe von Dortmund.

Viel Fläche, die viel Arbeit bedeutet: „Umgraben, anpflanzen, düngen, gießen, reparieren – es steht immer jede Menge an“, erzählt Jonas. Lässig gekleidet mit T-Shirt, Sporthose und Turnschuhen, macht er sich an die Arbeit. „Das war schon immer ein Kindheitstraum von mir“, sagt er. „So wie andere Spaß an Fußball haben oder daran, am Auto zu schrauben, habe ich Spaß am Gärtnern.“ Zu Hause bei seiner Mutter in Soest hat Jonas nur einen kleinen Ziergarten.

Eine neue Gruppe erobert den Kleingarten

Kleingärtner*innen: Sind das nicht Rentner*innen, die ihren Tag damit verbringen, den Gartenzwerg zu polieren und den Rasen mit einer Nagelschere perfekt auf 3,5 Zentimeter zu stutzen? Tatsächlich ist Jonas mit seinen 24 Jahren einer der Jüngsten in seinem Gartenverein.

Doch Studien zeigen: Das Kleingartenwesen verändert sich. Da die Pächter*innen von Kleingärten immer älter werden, kommt es hier nach und nach zu einem Generationenwechsel. Derzeit liegt das Durchschnittsalter der Menschen, die einen Kleingarten gepachtet haben, bei 56 Jahren. 2013 waren Kleingärtner*innen in Deutschland durchschnittlich noch etwa 60 Jahre alt. Besonders in den großen westdeutschen Städten übersteigt die Nachfrage nach Kleingärten mittlerweile das Angebot. Hier sind es vor allem junge Familien, die dazu beitragen, dass das Durchschnittsalter in den Vereinen sinkt. Das ergab eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung von 2019. In Deutschland gibt es insgesamt ungefähr 1,1 Millionen Kleingärten. Dass diese bei Jüngeren zunehmend beliebt werden, lässt sich zum Beispiel mit einem neuen Zeitgeist in der Bevölkerung erklären: Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten, biologisch und ohne Chemie oder Schädlingsbekämpfung – gerade bei den jungen Menschen aus der Stadt kommt dies zunehmend in Mode.

Freiheit im Grünen

Jonas beim Einpflanzen einer Bananenpflanze

Selbst angepflanztes Obst und Gemüse: Das war auch für Jonas ein Grund, warum er sich den Kleingarten gekauft hat. Obstbäume, Sträucher mit Beeren, Kürbisse, Wassermelonen und jede Menge Kräuter wachsen hier. Unterstützung bekommt Jonas von seinem Freund Fabian, der als gelernter Elektriker besonders in handwerklichen Dingen helfen kann. Jonas selbst macht eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger und bietet Massagen an. Wenn er nicht arbeitet, nutzt er jede freie Minute für die Gartenarbeit. Jonas geht es nicht nur ums Gärtnern. Für ihn bedeutet der eigene Garten auch Freiheit und Unabhängigkeit: „Für mich stand fest: Entweder ziehe ich zu Hause aus oder ich kaufe mir ein eigenes Grundstück“, erzählt er. Der Garten sei riesengroß und er könne sich hier komplett entfalten, so Jonas. Hin und wieder feiert er vor seiner Laube kleine Gartenpartys mit Freund*innen.

In Jonas’ Garten gibt es viel zu entdecken. Ein Rundgang:

Kleingarten ist nicht für jeden was

„Gerade die Jüngeren sehen den eigenen Garten auch als Freizeitgarten“, erklärt Frank Vormberge. Er ist im Vorstand des Gartenvereins „Am alten Flughafen“ in Dortmund. Sein Verein erlebe ebenfalls einen Generationenwechsel der Pächter*innen: „Die Älteren gehen so langsam, weil sie einsehen, dass sie die Arbeit nicht mehr schaffen oder leider versterben. Diejenigen, die bei uns einen neuen Garten bekommen, sind dann meistens so um die 30 bis 45 Jahre alt.“ Auch einige Studierende haben im Verein einen Garten gepachtet.

Vormberge sagt, der Verein sei froh, dass auch Jüngere eintreten, weil sie mit anpacken können. Dennoch sei ein eigener Kleingarten nicht für jeden etwas. Kleingärtner*innen sollten Zeit haben, regelmäßig den eigenen Garten zu bewirtschaften: „Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wenn man Gärtner hat, die alleinstehend sind und vielleicht noch arbeiten müssen, dann ist das sehr schwierig“, so Vormberge.

Kämpfen für den eigenen Garten

Jonas mit seinem Freund Fabian

Für Jonas war es schwierig, überhaupt einen eigenen Garten zu bekommen. „Ich wurde nicht mit offenen Armen empfangen“, sagt er. „Da ich nicht verheiratet und noch ziemlich jung bin, hat der Vereinsleiter gesagt, dass ich mit meinem Alter hier nicht angenommen werde.“ Schließlich habe es viel Überredungskunst gekostet, bis der Vereinsleiter endlich nachgegeben habe. Dass es schließlich doch geklappt hat, liegt auch an seinem Freund Fabian. Der erzählt: „Jonas kam aus dem Vereinsheim raus und sagte zu mir: ‚Wir müssen jetzt zusammenbleiben. Ich habe dem Vereinsleiter gesagt, du bist mein Freund und du machst das jetzt hier mit mir.‘“ Beiden gefällt die Arbeit im Garten.

Mehr als Grillen und Party machen

Spaß am Anpflanzen und Ernten ist wichtig, wenn man Kleingärtner*in werden will. Denn nur zum Grillen und Feiern seien die Gärten nicht gedacht, erklärt Frank Gerber vom Stadtverband Dortmunder Gartenvereine: „Im Bundeskleingartengesetz ist genau definiert, wozu ein Kleingarten da ist: einerseits zum Anbau von Obst und Gemüse und andererseits zur Erholung.“ Wenn jemand den Fokus nur auf die Erholung lege, könne das zu Konflikten führen. Kleingärten seien auch deshalb so günstig, weil sie der Eigenversorgung dienen sollen.

Tatsächlich sind Kleingärten im Vergleich zu einer Mietwohnung für wenig Geld zu haben. Mit etwa 400 Euro pro Jahr sollten Interessierte laut Gerber für den eigenen Kleingarten rechnen. Wasser, Strom und Versicherung inklusive. Jonas zahlt für die Pacht seines Gartens und eine Versicherung 160 Euro im Jahr. Dazu kommen weitere Kosten für die Gartenpflege.

Weg vom „Gartenzwerg-Image“

Es gibt viele Vorschriften und alles ist bis ins kleinste Detail festgelegt: Kein Mensch scheint das mehr zu lieben als Kleingärtner*innen. So schreibt das Bundeskleingartengesetz vor, auf wie viel Fläche des Gartens Obst und Gemüse angebaut werden muss, wie groß die Laube sein darf und welche Pflanzen erlaubt sind. Ganz so streng wie früher sei es aber heute oft nicht mehr, meint der Dortmunder Vereinsvorstand Frank Vormberge: „Bis vor wenigen Jahren war es noch so, dass die Vorstände ganz genau geguckt haben, ob das wirklich alles akkurat ist und die Richtlinien eingehalten werden. Und es waren wenige Jüngere, die das dann überhaupt noch wollten, einfach weil die keine Lust hatten, die ganze Zeit nur Gemüse anzubauen.“

Vormberge selbst achte zwar auch darauf, dass die Gärten nicht verkommen und Regeln eingehalten werden, aber es zähle vor allem das Gesamtbild. Das Kleingartenwesen öffne sich immer mehr, wodurch es einen Wandel gebe weg vom „Gartenzwerg-Image“ hin zum modernen Kleingartenwesen, heißt es dazu in der Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

Der obligatorische Gartenzwerg steht bislang nicht in Jonas‘ Garten. Und auch der Rasen ist nicht überall sauber gemäht. Insgesamt seien in seinem Gartenverein alle sehr locker, erzählt Jonas. Doch es gebe auch Pächter*innen, die gelegentlich meinen, die Gärten der anderen genauer prüfen zu müssen: „Ich habe schon mal von Gärtnern gehört, dass ich meinen Rasen kurzzuhalten habe. Ich habe auch schon gehört, dass das Dach meiner Gartenlaube falsch wäre oder meine Wassertonne zu schief stehen würde“, sagt Jonas. „Aber die Sprüche gehen da rein, da raus.“ Er habe sich schließlich den Garten gekauft, damit er ihn selbst gestalten könne und nicht andere.

Ein Garten fürs Leben

Und das tut er auch. Die Motivation für die viele Arbeit käme von ganz allein, erzählt Jonas. Es gebe aber auch Tage, an denen er einfach nur auf der Wiese in seinem Garten sitze und die Sonne genieße. Es seien noch viele weitere Projekte geplant: „Ich würde gerne noch einen kleinen Pavillon mit Theke bauen. Aber das hat Zeit“, erzählt er lachend.

Beitragsbild: Jonas Adrian in seinem Kleingarten in Soest

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