“Was interessiert dich das?!” – Wie junge Menschen Corona erleben

Junge Frau mit Corona-Maske im Lockdown.

Ein Ende der Corona-Maßnahmen ist nicht in Sicht. Mindestens bis zum Jahresende müssen wir wohl im Lockdown bleiben. Die meisten jungen Menschen stehen hinter den Maßnahmen, sind aber frustriert, fühlen sich von der Politik missverstanden. Zwei von ihnen erzählen, wie sie die Corona-Zeit wahrnehmen.

“Ich fahre jeden Tag mit dem Bus zur Schule. Da werden aber weder Mindestabstand eingehalten, noch die Masken richtig getragen. Ich fühle mich einfach nicht mehr sicher”, erzählt Ida (18) von ihren Erfahrungen während der zweiten Welle. Sie ist Abiturientin aus Gütersloh und damit eine von rund 2,5 Millionen Schüler*innen in NRW, die seit dem 12. August wieder Präsenzunterricht haben. Normalerweise fahre sie die 12 Kilometer zur Schule mit dem Fahrrad, aber bei der Kälte schaffe sie das einfach nicht. Trotz der zusätzlichen Einsatzschulbusse könne man die Abstandsregeln einfach nicht einhalten.

Neue Maßnahmen sollen Gesellschaft stärken
Mit Lockerungen über Weihnachten und Silvester will die Politik den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Darüber berieten am Mittwoch (25.11) die Ministerpräsident*innen mit Kanzlerin Merkel. “Es kommt auch darauf an, dass wir den Menschen irgendwann wieder ein einigermaßen normales Leben ermöglichen”, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) der dpa. Die übrigen Corona-Maßnahmen sollen verlängert werden. Die Schulen sollen offenbleiben, die Weihnachtsferien bundesweit auf den 19. Dezember vorgezogen werden. Noch sind aber keine endgültigen Beschlüsse gefasst (Stand: 25.11.). Gerade über die Feiertagslockerungen wird diskutiert.

“Ich finde es macht einfach keinen Sinn, wenn Maßnahmen getroffen werden, die Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen vermeiden sollen, ich aber in meinen Kursen jeden Tag Menschen aus 50 anderen Haushalten begegne”, sagt Ida. Sie hat das Gefühl, dass die Politiker*innen in der Pandemiebekämpfung vor allem auf die älteren Menschen Rücksicht nehmen. Deshalb hat sie jetzt bei change.org eine Petition zur Schulschließung gestartet. “Es ist ein kritischer Kommentar an NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer”, erklärt sie. Ida fordert, dass die Oberstufe im Homeoffice lernen sollte, da die wechselnden Kurse einfach zu viel Kontaktrisiko bergen würden.

Studie: Junge Menschen fühlen sich von der Politik übergangen

Quelle: “Junges Deutschland in Zeiten von Corona”, Jugendstudie der TUI-Stiftung, 2020.

Ähnlich wie Ida fühlt sich ein Großteil der jungen Deutschen nicht ausreichend von der Politik vertreten. Im Laufe der Krise haben sich diese Tendenzen noch einmal verstärkt. Das zeigt auch eine Jugendstudie der TUI Stiftung, die im Januar und September 2020 rund 1.000 junge Deutsche zwischen 16 und 26 Jahren befragte. Nur vier Prozent der Befragten gaben an, dass sie keinen Konflikt zwischen der jungen und alten Generation wahrnehmen würden.  Im September sagten 48 Prozent, dass die Politiker*innen eher die Interessen älteren Generationen vertreten würden. Trotz der Unzufriedenheit mit ihrer politischen Interessenvertretung, sagen 83% der jungen Erwachsenen, sie hielten sich an die Corona-Maßnahme. Als Hauptgrund geben sie an, die Gesundheit anderer schützen zu wollen.

Politik stellt Jugend als unsolidarisch dar

Der Politikwissenschaftler Marcus Splitter, der die Studie begleitet hat, betont das Risiko des offensichtlichen Generationskonfliktes: “Die Studie hat gezeigt, junge Deutsche sind bereit sich an die Einschränkungen zu halten und finden diese sogar angemessen. Allerdings, das zeigt der europäische Vergleich, ist es um das Verhältnis zwischen den Generationen in Deutschland nicht besonders gut gestellt. Man kann also nur davor warnen, die Generationen gegeneinander auszuspielen.”

Die Studie kritisiert, dass die Öffentlichkeit das Bild einer unsolidarischen Jugend verbreite, das nicht mit den Befragungsergebnissen übereinstimme. Als Beispiel nennen die Autor*innen die Bundeskanzlerin, die wiederholt die vermeintliche Verantwortungslosigkeit junger Menschen angesprochen hat. So sagte Angela Merkel am 09.10.: “Mein Appell, gerade auch an jüngere Menschen, die es vielleicht übertrieben finden, wie jetzt in den Städten in das Ausgehen und Feiern eingegriffen wird: Denken auch Sie einmal an das, was Ihnen am wichtigsten ist.”

Jung und Risikopatient

“Es gibt bei manchen Politikern die Konnotation: ‘die unverantwortliche Jugend’. Das teile ich nicht, weil ich glaube, dass viele junge Menschen sehr verantwortungsvoll mit der Lage umgehen”, erklärt Luc. Er studiert im Bachelor sowohl Philosophie, Politik und Ökonomie als auch Psychologie an der Universität Witten/Herdecke. Obwohl er 18 ist, gehört er wegen Vorerkrankungen zur Risikogruppe. Er erlebt viel Zusammenhalt und Verständnis für die Corona-Maßnahmen – sowohl bei Alten als auch bei Jungen. “Als Risikopatient nehme ich das sehr positiv wahr. Natürlich auch, weil ich dadurch optimal geschützt werde.”

Dennoch stoße er auch oft auf Unverständnis, gerade wenn er Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln auf die Maskenpflicht hinweise. “Da kriege ich dann immer gesagt: ‘Was interessiert dich das, du bist doch jung!’ und muss das dann immer legitimieren.” Gesellschaftlich sei eben meistens die Rede von Senior*innen als Risikogruppe. Luc sieht auch die Massenmedien in der Verantwortung, vermehrt von jungen Risikopatient*innen zu berichten.

“Denken in Generationen macht keinen Sinn”

Von einem Generationskonflikt möchte er aber nicht sprechen. “Ein Generationskonflikt setzt kollektive Identitäten voraus. Also, dass es DIE jungen Menschen und DIE alten Menschen gibt. Aber das denke ich nicht.” Corona sei, wie der Klimawandel, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deshalb mache so eine Denkweise keinen Sinn. “Diese Unterscheidungen beschäftigen sich nicht mit den Maßnahmen, die getroffen werden müssen, sondern wer jetzt der Schuldige ist”, so der 18-Jährige. Seiner Meinung nach treffen die Maßnahmen alle Menschen gleich hart. Egal ob jung oder alt.

Wie es anderen jungen Menschen während der Corona-Krise geht, könnt ihr hier lesen:

Teaser- und Beitragsbild: freepik.com/karlyukav

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