Weihnachts-Buden in Dortmund: Ein kleiner Lichtblick?

Wenige Büdchen sollen für ein bisschen Weihnachtsstimmung in der Dortmunder Innenstadt sorgen. Mit To-go-Ware können Schausteller*innen zumindest kleinen Umsatz machen. Doch wie ist die Resonanz in Dortmund?  

Es riecht nach gebrannten Mandeln und Kartoffeln. An vielen Ecken hängen Weihnachtsdeko, grüne Tannenbaumzweige, Weihnachtssterne, Christbaumkugeln, bunte Lichterketten und Lampen, Glitzer. Es ist so kalt, dass man schon den Dampf beim Atmen sieht und Handschuhe anziehen muss. Doch trotzdem fehlt von der Weihnachtsstimmung in der Dortmunder Innenstadt jede Spur. Statt Weihnachtslieder erklingt auf dem Alten Markt lediglich eine melancholische Melodie, die jemand auf einem öffentlichen Klavier spielt.

Süßwarenhändler Hans Otto Hirsch

Die Weihnachtsstadt wurde dieses Jahr abgesagt, seit Mittwoch (9.12.) gibt es in der Stadt verteilt ein paar wenige Buden, an denen es Essen, Kerzen, Mützen und Co. gibt. Damit will die Stadt den Schausteller*innen wenigstens ein paar Einnahmen in der Vorweihnachtszeit ermöglichen. Der Süßwarenhändler Hans Otto Hirsch steht wie jedes Jahr auf dem Platz mit den ehemaligen Bahnschienen bei der Reinoldikirche. Doch dieses Jahr ist alles anders. “Ich bin froh, dass ich überhaupt hier sein darf. Aber ein richtiger Weihnachtsmarkt ist das nicht”, sagt der ältere Herr. Seine hellblauen Augen schauen enttäuscht in die Ferne. Er ist gerade noch dabei mit seinen beiden Kolleginnen zusammen seinen Stand aufzubauen.

Kein Mini-Weihnachtsmarkt, sondern eine Sondernutzungserlaubnis

Ein Infektionsrisiko tragen die Weihnachtsstände seiner Meinung nach nicht. „Die Dortmunder halten sich ziemlich gut an die Regeln“, sagt er. Patrick Arens vom Schaustellerverband Rote Erde erklärt, dass es nur To-go-Ware gibt, wie an anderen Imbissbuden in der Stadt und bewusst keine Glühweinstände. “Es ist demnach kein Mini-Weihnachtsmarkt, sondern eine Sondernutzungserlaubnis. Wir wollen auch keine Menschenmassen damit anziehen”, sagt Arens. Für den Süßwarenhändler Hirsch ermöglich das eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Der Händler Talat hat seine Holz-Bude für Mützen und Schals direkt neben den Rolltreppen der U-Bahnstation Reinoldikirche. Auch er bemerkt, dass bis jetzt nicht viel los ist: “Aber es ist besser als zu Hause zu sitzen, immerhin kann ich jetzt das Brot verdienen.”

Normalerweise gibt es in der Dortmunder Weihnachtsstadt über 350 Buden. Dieses Jahr sind es etwa ein Dutzend. “Das ist auch ein Problem, weil die Leute jetzt überhaupt nicht wissen, wo es was gibt”, sagt Talat und zuckt mit den Schultern. Die Stände gibt es laut der Stadt an diesen Stellen: Friedhof, Platz von Leeds, Platz von Netanya, Kampstraße, Katharinenstraße, Alter Markt und Kleppingstraße. Das Ziel dabei sei es, ein variables Angebot und eine angemessen Verteilung der Standorte zu erreichen. Durch ein rotierendes System sollen alle Büdchenbetreiber*innen einmal dran kommen.

Schausteller*innen in der finanzieller Not

Zwar geben sich die Schausteller*innen viel Mühe, den Weihnachtsmarkt ersetzen können sie aber nicht. Arens sagt, sein diesjähriger Umsatz zu Weihnachten wird 5 Prozent von dem sein, was er im Jahr davor erwirtschaften konnte. Auch Virginia Frensch von einem Lebkuchenherzenstand in der Nähe des Restaurants Alex blickt auf ernüchternde Zahlen. „Es ist ein Bruchteil von dem Umsatz, den ich sonst habe. Klar hilft uns diese Gelegenheit für den Moment, aber es kann den Rest der schlechten Saison nicht wieder gut machen.“ Die Schausteller*innen warten laut Arens noch auf die finanziellen November- und Dezemberhilfen.

Dortmunder*innen sind nicht in Weihnachtsstimmung

Trotz Lebkuchenherzen und Co.: Weihnachtsstimmung kommt in der Dortmunder Innenstadt in diesem Jahr nur schwer auf.

Und auch die Atmosphäre, die es in der Dortmunder Weihnachtsstadt normalerweise gibt, können die Dutzend Stände nicht wiederherstellen. „Es soll die Stadt wenigstens ein bisschen erhellen in dieser Zeit“, sagt Schausteller Arens. Die Dortmunder*innen freuen sich über das Angebot, aber kommen sie überhaupt dadurch in Weihnachtsstimmung? Ein älteres Ehepaar hat sich auf dem Alten Markt Essen zum Mitnehmen geholt. „Ich habe mich gerade gefreut, aber ich glaube das bringt für die (Schausteller*innen) auch nichts. In Weihnachtsstimmung komme ich dabei aber trotzdem nicht, vor allem wenn man sich die Intensivstationen vorstellt“, sagt die Frau. Sie selbst gehört zu denjenigen, die das Fehlen des Weihnachtsmarktes nicht schlimm finden. „Wir haben noch etliche Jahre, wo wir den Weihnachtsmarkt erleben können.“

Eine andere Frau hingegen kann die Entscheidung der Stadt nicht nachvollziehen: „Ich persönlich finde, dass man es mit den Regelungen trotzdem hätte machen können. Die Stadt ist doch auch total voll, am Black Friday zum Beispiel. Von daher hätte man das auf dem Weihnachtsmarkt auch machen können, mit einer Einlasskontrolle und mit Vergaben von Glühweintischen.“ Die Stadt verteidigt die Absage des Weihnachtsmarktes und auch den Abbau des Weihnachtsbaums hingegen damit: „So will man einen Anziehungspunkt vermeiden, bei dem Menschen zusammenkommen und sich mit Covid-19 anstecken“, erläutert Pressereferent Maximilian Löchter.

Vielen Dortmunder*innen fehlt der Weihnachtsmarkt in diesem Jahr sehr. So auch zwei Freundinnen, die auf dem Hansaplatz erzählen: „Normalerweise trifft man sich mit Freunden, dann trinkt man einen Glühwein und isst was, also es hat sowas Gesellschaftliches. Die Vorfreude auf Weihnachten geht jetzt dadurch verloren.“ Trotz der fehlenden Stimmung wünscht sich Karussell-Betreiber Rudolf Isken eine Sache: „Ich erhoffe mir, dass es trotzdem einige strahlende Kinderaugen geben wird“, sagt der halbglatzköpfige Mann, während er in seiner Kabine sitzt und die Geldmünzen einsortiert.

Corona überstehen ist Priorität

Kinderkarussell-Betreiber Rudolf Isken

Die Schausteller haben, was die Zukunft angeht, die gleichen Hoffnungen. „Ich hoffe, dass der Impfstoff schnell in Einsatz kommt“, sagt Karola Hirsch vom Fischstand am Alten Markt. Und Rudolf Isken ergänzt: „Ich wäre zufrieden, wenn wir die ganze Corona-Pandemie überstanden haben und zum normalen Leben zurückkehren können.“ Natürlich habe er Sorgen, aber es gehöre zum Beruf Schausteller*in dazu, positiv zu bleiben und die Hoffnung nicht aufzugeben. Auch Otto Hirsch sagt: „An erster Stelle steht für mich die Gesundheit.”

Nach aktuellem Stand sollen viele dieser Stände bis zum 30. Dezember bestehen, manche sogar bis zum 31. März 2021. Aber im Zuge der aktuellen politischen Debatte über einen härteren Lockdown vor Weihnachten blicken die Schausteller in eine ungewisse Zukunft und müssen eventuell damit rechnen, sich bald von ihrer letzten Chance auf einen Umsatz dieses Jahr zu verabschieden.

Beitragsbilder: Victoria Freudenberg

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